Название: Kalte Zukunft
Автор: Benjamin Blizz
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783957770363
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»Entschuldigen Sie, aber was halten Sie davon, wenn wir uns heute Abend weiter unterhalten? Ich muss mich noch um die anderen Gäste kümmern«, sagte Estella, und es war unüberhörbar, dass ihr die Bahn, in die das Gespräch gelenkt worden war, nicht behagte. Sie sah Shane noch einmal kurz an und mischte sich dann unter die Gäste.
Überrumpelt starrte Shane ihr hinterher. Er fühlte sich auf einmal sehr verletzbar, ihm war, als würde die Welt im Schnelldurchlauf an ihm vorbeiziehen. Sein Kopf tat sich schwer damit, das zu verarbeiten, was er gerade erfahren hatte. Nichts wollte einen rechten Sinn ergeben. Die PECS-Anlage in der Wüste konnte er ja noch verstehen, bei der zukünftigen Freizeitanlage wurde es dann schon schwieriger; und wie Patrick an Hawkes Enterprises geraten war, blieb ihm vollends verschlossen.
Er griff nach einem weiteren Glas Champagner und leerte es in einem Zug. Der Schwindel, der ihn daraufhin erfasste, kam ihm nur allzu gelegen. Alkohol war immer ein tröstliches Pflaster.
***
Hätte ich doch bloß nichts getrunken!, kam ihm etwa zwei Stunden später die Erkenntnis, als sie in geschlossener Gruppe einen Rundgang durch die Freizeitanlagen innerhalb der Oase unternahmen. Es war heiß, sogar sehr heiß, aber unter normalen Umständen noch einigermaßen erträglich. Shane befand sich jedoch nicht in einem normalen Zustand, zumindest nicht normal in dem Sinne, wie andere es definieren würden. Für ihn war ein gewisser Alkoholpegel normal, und ›flüssiges Glück‹ konnte einem bei einer solchen Hitze leicht zum Verhängnis werden.
Blinzelnd folgte er der staunenden Gruppe über die natursteingepflasterten Wege.
»Zu ihrer Rechten präsentiere ich Ihnen unseren Schwimmteich. Bei über 150 Metern Länge können Sie hier so einige Bahnen ziehen.«
Die korpulente Geschäftsführerin führte sie bereits seit einer halben Stunde touristenmäßig herum und zeigte ihnen jeden Schlupfwinkel der Anlage. Sogar David Meier, der bisher starrköpfig auf seiner schlechten Laune beharrt hatte, taute nun allmählich auf und ließ sich sogar zu einigen lobenden Worten herab. Wie Mrs. Blinow allen ausführlich erklärte, war die künstliche Oase auf der Grundlage einer natürlichen kultiviert worden. Man hatte das Pflanzenwachstum angeregt und die Wasserstelle vergrößert, ansonsten aber nicht in die Natur eingegriffen.
Im Eingangsbereich lud Minigolf die Familien zum Spielen ein, während sich am anderen Ende eine komplette Driving Range befand. Daneben gab es drei Tennisplätze, eine Freilichtbühne für diverse Programmpunkte, eine gekachelte Poollandschaft, eine Bogenschießanlage und einen Grill- und Lagerplatz mit Berberzelten. Und das alles in der bezaubernden Landschaft exotischer Gewächse und schattenspendender Palmen.
Shane war begeistert. Hätte er Familie, würde er eventuell selbst zum Urlaub herfliegen. Wen die Oase nicht überzeugte, dem standen genügend Ausflugsziele zur Verfügung, darunter alte Grabstätten, Tempel und Pyramiden, die unter fachkundiger Führung besucht werden konnten.
Die PECS-Anlage geriet dabei fast schon in den Hintergrund, obwohl sie der eigentliche Grund für den Bau der Freizeitanlage war. Es war schon erstaunlich, wie geschickt die Entwickler ein überzeugendes Gesamtkonzept ausgearbeitet hatten, fand Shane. Die Besichtigung der modifizierten Solarstromanlage stand ihnen erst morgen bevor, aber Shane zweifelte nicht daran, dass sie ebenso beeindruckend und überzeugend sein würde wie die Freizeitlandschaft.
Einheimische Vögel nisteten in den Baumkronen und erfüllten die Luft mit unbekannten Klängen. Wie schön würde es erst bei Sonnenuntergang werden? Möglicherweise ließ sich Estella zu einem Drink in der lauschigen Atmosphäre der Strandbar überreden. Ihre distanzierte Haltung ihm gegenüber hatte sie jedenfalls weitestgehend fallengelassen und Shane schwor sich, ihr keinen Anlass zu geben, diese wieder einzunehmen.
Lennard Frank, der mit Abstand bekannteste und wohlhabendste der Privatinvestoren, ließ sich einige Schritte zurückfallen, um mit Shane auf gleicher Höhe zu gehen.
»Beindruckend, finden Sie nicht auch, Mr. O’Brien?«
»Selbst wenn ich Meier heißen würde, müsste ich diese Frage mit einem Ja beantworten.«
Frank schmunzelte. »Ich bin im Grunde genommen ein sehr weltoffener und liberaler Mensch, aber in Sachen Meier muss ich Ihnen zustimmen – da kommt wohl jede ambulante Hilfe zu spät.«
»Ich verstehe einfach nicht, wie ein Mann mit seinem Background und seinen Erfahrungen so negativ denken kann«, stimmte ihm Shane zu.
»Geld verdirbt den Charakter«, meinte Frank und öffnete den zweiten Knopf seines dunkelroten Seidenhemds.
»Wenn dem so wäre, müssten Sie ja der Teufel persönlich sein«, entgegnete Shane und brachte Frank erneut zum Lachen.
Shane mochte ihn. Sie waren sich zwar nur ein-, zweimal begegnet, teilten aber eine gemeinsame Überzeugung, nämlich, dass nur alternative Energien die Welt aus der Krise führen konnten. Man mochte sie Heuchler nennen, weil sie von den Vorzügen von Atom- und Kohlestrom ebenso profitierten wie alle anderen, aber der Unterschied war, dass sie nachdachten und sich nachdrücklich für eine energiepolitische Kehrtwende einsetzten. 2012 war eine solche eingeläutet, dann aber leider wieder fallen gelassen worden.
»Ich muss sagen, ich bin von der Idee begeistert«, setzte Frank an.
»Ja, Sie wären wohl nicht hier, wenn Sie nicht daran glauben würden. Haben Sie bereits investiert?«
»Nur geringe Beträge, aber ich plane größere Investitionen zu tätigen, sobald ich endgültig von dem Konzept und der Effizienz dieser neuen Solarzellen überzeugt bin. Wie Sie bestimmt wissen, habe ich den ursprünglichen Silizium-Zellen immer skeptisch gegenüber gestanden – nicht ohne guten Grund, wie die Erfahrungswerte zeigen, sie sind einfach zu ineffektiv. Aber durch das PEC-System soll ja gerade dieser störende Faktor beseitigt werden.
Meine größte Sorge gilt allerdings nicht den Zielen des Konzerns oder der Rentabilität, sondern der grundlegenden Einstellung der Menschen. Es muss noch eine Menge Aufklärungsarbeit geleistet werden, um dem Ottonormalverbraucher zu verdeutlichen, wohin uns unsere jetzige Energiepolitik führen wird. Erinnern Sie sich, 2011, das Reaktorunglück in Fukushima, Japan? Alle hatten angenommen, es würde danach zu einem Umdenken kommen … doch was ist tatsächlich geschehen? Im Deutschen Bundestag wurde ein Moratorium zwecks Aufschiebung der Entscheidung betreffend der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgerufen. Anstatt den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft zu veranlassen, hat man jedwede klare Beschlussfassung erst einmal vertagt. Und auch danach wurden die AKWs nicht abgeschaltet! Demonstrationen des Volkes gegen Atom- und Kohlestrom gab es schon seit Anbeginn dieser Technik, und im Laufe der Zeit haben sie an Intensität zugenommen – ebenso das strikte Vorgehen mit Polizeigewalt. Friedlichen Protesten begegnen die Staaten immer öfter mit offener Gewalt.«
Shane erinnerte sich, wie die Menschen gegen die Castor-Transporte demonstriert hatten und wie brutal die Polizei damals vorgegangen war. Auch in seinem Heimatort Canterbury hatte es Demonstrationen gegen Atomstrom gegeben, wie überall, doch stets waren die Regierungen eingeschritten.
»Solange das geschieht, solange die Regierungen den Wandel nicht ernsthaft unterstützen – reden können sie so viel sie wollen –, wird es verdammt schwer sein, etwas zu erreichen. Die Führungsebene von Hawkes Energy ist sich darüber im Klaren und arbeitet daher intensiv an entsprechenden СКАЧАТЬ