Ein Sommer in Berlin. Beate Vera
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Название: Ein Sommer in Berlin

Автор: Beate Vera

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783955522162

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СКАЧАТЬ uns doch nichts vor – sind Eigenschaften, die meiner Tochter stets gefehlt haben. Gegen diese neue Beziehung hatte ich nichts einzuwenden. Catia schien froh und glücklich, und ich war es auch. Hanno war ein anständiger Mann mit einem guten Auskommen, der ihr nicht jahrelang den Hof machte, sondern der wusste, was er wollte, und das auch zügig umsetzte. Mir als angehender Schwiegermutter imponierte das. Ja, ich mochte Hanno Hecht. Er war ja auch furchtbar charmant.

      Der Brief! Beinahe hätte ich ihn erfolgreich verdrängt. Mein Kopf war ein Sieb. Ich brauchte einen Anwalt, ganz dringend! Wir hatten gegessen, und die Kinder machten ihre Hausaufgaben in ihren Zimmern. Wen kannte ich denn bloß, der Anwalt war oder zumindest einen kannte? Wer immer mir einfiel, war ein Bekannter von Hanno, und von denen kam keiner in Frage. Franziska hatte knapp erklärt, dass sie sich da gar nicht auskenne. Astrid konnte ich nicht fragen, sie war in der Praxis und ging am Abend noch auf eine Pharmaveranstaltung. Das hatte sie mir am Vortag lachend mit dem Hinweis erzählt, es schade nie, sich alle Türen offenzuhalten.

      Während ich den Abwasch machte, lief wie immer Radio Eins, und ich hörte die Anmoderation eines Chansons von Jacques Brel: Ne me quitte pas. Irgendein Zuhörer hatte sich den alten Titel gewünscht. Da dämmerte es mir. Quinn und ich hatten das Best-of-Album damals, 1997, rauf und runter gehört, während wir praktisch ein ganzes Wochenende im Bett verbrachten.

      Meine Güte, ich hatte jahrelang kaum an Quinn gedacht – und jetzt gleich dreimal an einem Tag. Was der wohl jetzt machte? Und was war wohl aus seinem besten Freund Stefan geworden? Der war Anwalt, und er würde bestimmt zumindest einen fähigen Kollegen empfehlen können. Ich hatte ihn als einen ruhigen Typen in Erinnerung, der einen kompetenten Eindruck machte. Irgendeinen Anwalt aus den Gelben Seiten zu suchen widerstrebte mir zutiefst. Hanno war bestens in der Hauptstadt vernetzt, vermutlich würde ich bei einer Kanzlei landen, mit deren Partnern er regelmäßig Golf spielte. Zu Quinns Freund Stefan hätte ich großes Vertrauen. Wie war denn noch sein Nachname? Ich konnte schlecht alle Berliner Anwälte angehen, deren Vorname Stefan lautete. Ich wusste ja nicht mal, ob er überhaupt noch in Berlin tätig war.

      Vincent riss mich aus meinem Gedankenfluss. »Mama, Hausaufgaben sind riesengroße Krötenkacke! Ich hab keinen Bock mehr auf Englisch!«

      Ich musste mich dringend mal wieder der Wortwahl meiner Kinder widmen. Davon abgesehen, hatte ich mich schon gewundert, dass mein Großer sich noch nicht beschwert hatte. Er hasste Hausaufgaben, speziell die in der Fremdsprache, weil er die Lehrerin nicht ausstehen konnte und außerdem viel lieber mit seinen Freunden draußen kicken wollte.

      »Ist das jetzt ein riesengroßer Haufen, der von vielen Kröten hinterlassen wurde, oder ist die Kröte riesengroß, die den Haufen hinterlässt?«, fragte ich ihn grinsend.

      Er überlegte einen Moment, bevor er meine Frage ernsthaft beantwortete. »Eine Riesenkröte, und sie legt einen Riesenkackhaufen!«

      Der musste erst einmal weggeschaufelt werden. Die Suche nach einem Anwalt würde warten müssen. Ich fuhr meinem Sohn mit der Hand durchs hellbraune Haar. »Hol sie mal her, die Aufgaben! Vielleicht kann ich dir ja ein bisschen helfen.«

      Vincent ließ sich das nicht zweimal sagen. Ich wusste ganz genau, dass er durchaus in der Lage war, seine Hausaufgaben ohne Hilfe zu machen, aber er wollte dabei nicht alleine sein. Mein großer Sohn war ein echtes Herdentier, dem ging es am besten in der Gruppe. Vincent kam also mit seinem Englischbuch und seinem Aufgabenheft zurück an den Wohnzimmertisch. Zehn Minuten später setzte sich Daniel dazu und malte sein Piratenschiff weiter, dicht gefolgt von Helene, die ein Referat über ökologische Tierhaltung vorbereitete. Mir ging das Herz auf, als ich sie da am Tisch sitzen sah: meine Kinder. Die ließe ich mir nicht wegnehmen!

      Seit ich meinen Mädchennamen wieder trug, ertappte ich mich immer öfter dabei, auf die Jahre mit Hanno zurückzuschauen, wobei das Resümee vom einen zum anderen Mal unerquicklicher wurde. Ich hatte fünfzehn Jahre lang das gemacht, was Hanno wollte, ohne es zu hinterfragen. Ich hatte viel um die Ohren gehabt, gewiss, dennoch musste ich mir auch eingestehen, dass es bequem gewesen war, sich um einige Dinge nicht kümmern oder Gedanken machen zu müssen. Dieses Phlegma hatte mich schon länger begleitet. Vorher hatte ich rund 25 Jahre lang das gemacht, was meine Mutter für richtig hielt. Nur meine Berufswahl hatte ich gegen sie getroffen. Man sähe, wohin mich das gebracht habe, schmierte sie mir seitdem regelmäßig aufs Butterbrot. Mit vierzig, so mein Fazit, war es allerhöchste Zeit, endlich das zu tun, was ich von mir selbst erwartete. Auch wenn ich mir noch lange nicht im Klaren darüber war, was das sein sollte.

      Ein erster Schritt wäre mit Sicherheit, mir einen Anwalt zu suchen, und inzwischen hatte ich mich auf diesen früheren Bekannten versteift. So schnappte ich mir den Laptop und googelte nach Quintus Hartmann. Seine Buchhandlung gab es immer noch, und ich schickte eine E-Mail an [email protected]. Automatisch wählte ich die französische Form, in der ich auch früher meine Briefchen oder Notizen an ihn gerichtet hatte. Ich brauchte fünf Anläufe und eine geschlagene halbe Stunde für das bisschen Text. Doktor Freud hätte seine selbige an mir gehabt.

       Bisou!

       Es ist lange her. Ich hoffe, es geht Dir gut!

      Ich habe ein ernstes Problem und suche dringend einen Anwalt. Hast Du noch Kontakt zu Stefan und könntest mir seine Adresse vermitteln? Das wäre sehr nett von Dir.

       Merci mille fois!

       A+,

       Catia

      Mit Küsschen pflegten sich Franzosen zu begrüßen, mit à+ – à plus, auf bald – verabschiedete man sich salopp in der französischen Internetgemeinde. Ich fragte mich für einen Moment, ob diese E-Mail auch zu einem baldigen Wiedersehen führen würde und was ich womöglich davon hielt. Genauso schnell aber verdrängte ich diese Fragestellung wieder.

      Quinn, so nannten ihn seine Freunde in Anspielung auf The Mighty Quinn, das 1967 von Bob Dylan geschrieben wurde und in Quinns Geburtsjahr ’68 ein Hit der Manfred Mann’s Earth Band war. Ich drückte auf Senden und hoffte auf eine rasche Antwort, um einen Termin mit Stefan vereinbaren zu können.

      Nachdem die Hausaufgaben gemacht waren, spielten die Kinder und ich mehrere Runden Triominos. Das war seit Jahren unser Lieblingsspiel, und kurioserweise war Daniel, der Jüngste, der Beste darin. Er wusste stets genau, ob sich die Zahlen auf einem noch fehlenden Stein an den passenden Ecken befanden, um eine Brücke oder einen Kreis zu komplettieren und satte Extrapunkte einzuheimsen. Seine älteren Geschwister und ich brauchten schon großes Glück, um gegen den kleinen Graf Zahl zu gewinnen. Wir spielten bis zum Abendbrot.

      Als alle Kinder dann schliefen, schaute ich in mein E-Mail-Postfach. Tatsächlich – da war eine neue Mail von [email protected]!

       Ciao Catia!

       Mensch, das ist ja so eine schöne Überraschung!

      Wie geht es Dir? Wie lange ist es jetzt her? Eine halbe Ewigkeit! Es tut mir leid zu hören, dass Du Probleme hast.

      Stefan erreichst du unter 818 18 18 oder per Mail an [email protected].

      Gehst Du mit mir essen? Morgen Abend in der Phoenix Lounge? Um acht? Du würdest mir eine große Freude machen!

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