Название: Otto mit dem Pfeil im Kopf
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783955522148
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»Ihre Wirkung ist ganz unzweifelhaft«, sagte Ulric. »Wenn ich schwermütig bin, weil ich kein Geld habe und mir der Schuldturm droht, dann bekomme ich sofort ein sonniges Gemüt, sobald mir jemand einen Haufen Diamanten schenkt.«
»Darin erkennt man den Mann des Nordens!«, rief Jaxa. »Ich hebe meinen Becher auf das Wohl des Sohnes Niklots!«
Doch auf Ulric von Huysburgs Platz stand gar kein Becher, den er seinerseits ergreifen konnte.
»Los, schafft einen köstlichen Trunk herbei!«, rief Jaxa.
Ein Knappe brachte ihn.
»Auf das Wohl des Herrschers über alle Sprewanen! Auf dass er eines Tages alle Slawenstämme einigen werde und Albrecht, Heinrich und die Wettiner allesamt zum Teufel jage!«
Dies wurde mit großem Beifall aufgenommen, und Ulric von Huysburg leerte seinen Becher in einem einzigen Zug, so wie es Sitte war.
Ein paar Atemzüge später wurde ihm schwindlig und schwarz vor Augen. Er konnte gerade noch die Tischkante fassen, um Halt zu finden. Doch es nutzte nichts, er verlor das Bewusstsein und schlug lang hin.
Irgendwann in dieser Nacht kam er wieder zu sich und nahm wahr, dass er an Händen und Füßen gefesselt in einem Kellerloch lag.
Drei
Die Heveller hatten auf der Brandenburger Dominsel ihre zentrale Burg angelegt. 928/29 war sie von König Heinrich I. erobert worden, und Otto I. hatte 948 das Bistum Brandenburg errichtet. Im Slawenaufstand 983 war die Burg von den Hevellern zurückerobert worden, und Anfang des 12. Jahrhunderts war sie in den Fokus des Römischen Reiches geraten, des sacrum Romanum imperium, das darauf aus war, das Gebiet zwischen Elbe und Oder seinem imperialen Machtbereich einzugliedern. Wie bei allen Großreichen gab es an den Außengrenzen abgestufte politische Beziehungen zu den fremden Völkern und Stämmen sowie »Durchmischungen« der Ethnien und Kulturen. Im Bereich der Nordmark hatte man es mit drei slawischen Größen zu tun: mit Wirikind von Havelberg, Pribislaw-Heinrich von Brandenburg und Jaxa von Cöpenick – alle drei Christen. Wirikind konnte seine Erbfolge nicht regeln und spielte in den Jahren ab 1150 keine Rolle mehr, und Jaxa hatte sich auf die Seite der Polen geschlagen.
Anders Pribislaw-Heinrich, der um 1075 auf die Welt gekommen war und sich den Deutschen verbunden fühlte. Schon Meinfried, sein Vater, war Christ gewesen, und Pribislaw-Heinrich hatte als Kind die christliche Taufe empfangen. Seinem Volk aber passte das alles nicht so recht, es hielt mehrheitlich lieber an seinen »heidnischen Bräuchen« fest und sah es gar nicht gern, dass ihr Fürst Unterkönig und Vasall des Heiligen Römischen Reiches geworden war. Er war kinderlos geblieben, und um sicherzugehen, dass nach seinem Tode nicht wieder ein heidnischer Fürst das Land regierte, setzte er Markgraf Albrecht als seinen Erben ein und wurde Taufpate Ottos, dem er bei dieser Gelegenheit den Landstrich schenkte, den man die Zauche nannte. Als er 1150 an Altersschwäche gestorben war, hielt Petrissa, seine Gattin, die Nachricht seines Todes so lange zurück, bis Albrecht auf die Brandenburg geeilt war, um sie gleichsam in erblicher Thronfolge in Besitz zu nehmen.
In der Stadt und auf der Burg Brandenburg lebten Deutsche – in der Hauptsache Anhaltiner und Sachsen – und Slawen vergleichsweise friedlich zusammen. Die Besatzung der Burg war auf einen Angriff der Sprewanen gut vorbereitet, denn Lynhardt von Schleibnitz herrschte hier mit harter Hand und ließ seine Leute nahezu täglich üben, so auch die Bogenschützen auf den Mauern und Wällen.
»Die Sehne spannen! Zielen! Und Schuss!«
Auf dem Vorfeld waren Strohballen zu Rittern und Lanzenträgern geformt worden, und in diese Zielscheiben bohrten sich nun die Pfeile – zum Teil jedenfalls.
Der Ritter Ottin von Strenznau hatte in einiger Entfernung Posten bezogen und kam nun herangeritten, um die Trefferzahl nach oben zu melden. »Nur knapp die Hälfte aller Pfeile hat ihr Ziel gefunden.«
»Zu wenig!«, befand Lynhardt von Schleibnitz. »Auf ein Neues!«
»Ruhe!«, schrie Mertin von Freckleben, einer der Kämmerer Albrechts. »Aua!« Er war gerade dabei, sich von einem Bedienten die Läuse aus dem Haar kämmen zu lassen. »Wenn ich so viele Brakteaten im Säckel hätte wie Läuse auf dem Kopf, dann könnte ich jubeln.« Brakteaten waren neumodische, aus dünnem Blech einseitig geprägte Münzen, die unter dem Bild des Fürsten oder Königs das Jahr zeigten, in dem sie in Umlauf gebracht worden waren. Mertin von Freckleben galt als geldgieriger Mann, wurde aber von Albrecht geschätzt, weil er das askanische Vermögen nicht verschwendete.
Während Lynhardt von Schleibnitz sich mühte, die Kampfkraft der Burgbesatzung zu erhöhen, hatte sich seine holde Gattin einen gewissen Mickel ins Bett geholt, einen Jäger aus der Umgebung, der die Küche mit Hase, Wildschwein, Hirsch und Reh belieferte. Alle, bis auf ihren Mann, wussten von ihren nymphomanen Anwandlungen, und man nannte sie überall nur »Adelhayt von Leibschlitz«.
Einmal schon hatte Mickel sein Bestes gegeben, doch Adelhayt war immer noch heiß und knetete sein Glied, um es wiederauferstehen zu lassen.
Diese Bemühungen beobachtete heimlich Zlata. Sie war als Beiköchin auf der Burg beschäftigt und hatte gesehen, wie Mickel ein am Morgen erlegtes Reh angeschleppt hatte. Bei jedem seiner Besuche machte sie ihm schöne Augen, und er hatte ihr auch schon zu verstehen gegeben, dass sie sich Hoffnungen machen könne. Und nun das! Tief verletzt schlich sich Zlata weg vom Fenster und überlegte, wie sie sich für Mickels Untreue rächen konnte. Was sie ihm gönnte, war eine gehörige Tracht Prügel, und die bekam er bestimmt verabreicht, wenn Lynhardt von Schleibnitz ihn bei seinem Tun erwischte. Also schlich sie sich zum Burgverwalter und flüsterte ihm ins Ohr, dass er doch schnell mal ins Schlafgemach seiner Gattin schauen möge.
Lynhardt von Schleibnitz lief sofort los, um sein Weib in flagranti zu erwischen, und stürzte genau in dem Augenblick in ihr Schlafgemach, als Mickel stöhnend und keuchend auf den nächsten Höhepunkt seiner Geliebten hinarbeitete und mit seinen Gedanken bei der Bärenjagd war, um seinen Erguss hinauszuzögern. So hörte er den Ritter nicht kommen und fiel aus allen Wolken, als der furchtbar schrie und ihn grob an der Schulter packte, um ihn von seiner Frau zu reißen.
»Was machst du da?«
Mickel sprang auf und hatte keine Zeit für eine Antwort – er musste zugleich seine Blöße bedecken und seine Hände nach oben reißen, um seinen Kopf zu schützen, denn Lynhardt von Schleibnitz war drauf und dran, ihn mit einem schnell gegriffenen hölzernen Hocker zu erschlagen.
»Tu es nicht!«, schrie seine Frau. »Du machst uns alle unglücklich.«
Mickel konnte den ersten Schlag abwehren und verschaffte sich etwas Luft, indem er Schleibnitz in die Hoden trat. Der war auf diese wenig ritterliche Art des Zweikampfes nicht vorbereitet und sank jammernd zu Boden. Der Jäger nutzte die Gelegenheit, sprang über den Gehörnten hinweg und rannte in Richtung Tor.
Überraschend schnell hatte sich Lynhardt von Schleibnitz wieder aufgerafft. Er stürzte zum Fenster und schrie, man möge Mickel festhalten, er sei ein Dieb und Mörder. Das tat seine Wirkung, und Mickel war schnell eingekreist. Er war sich sicher, dass sie ihn hängen würden, wenn sie ihn zu fassen bekamen. In seiner Not schlüpfte er in die offene Tür zum Weinkeller und schaffte es gerade noch, von innen den Riegel vorzuschieben und die Treppe hinunterzulaufen.
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