Название: Otto mit dem Pfeil im Kopf
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783955522148
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In Cöpenick gab es überwiegend sogenannte Flechtwandhäuser, deren Dächer mit Reisig gedeckt waren. Oben hatte man Öffnungen für den Dunstabzug gelassen, Fenster konnte Ulric keine entdecken. Daneben hatte man Blockbauten errichtet, deren Grundriss erheblich größer angelegt war und die jeweils Platz für zwei Zimmer boten. Einige wiesen auch Fenster auf. Ein paar Handwerker saßen im Freien und brachten Beile, Scheren und Schlüssel in Ordnung.
Vor einem Lehmofen sah er Miluša stehen, wie sie ein hölzernes Brett mit dampfenden Brotlaiben aus der Öffnung zog und ihm dabei ihr Gesäß entgegenstreckte.
»Herr«, murmelte Ulric von Huysburg, »ich will ein Jahr meines Lebens drangeben, wenn ich der auch nur einmal beiwohnen darf.«
Sich ihr zu nähern, wagte er nicht, denn sofort wäre dieser Armleuchter von Radogost zur Stelle gewesen. Zwar hätte er den mit einem einzigen Fausthieb für mindestens zehn Minuten ins Land der Träume schicken können, doch dann wäre es mit seiner Mission zu Ende gewesen. Also entfernte er sich und tat, als interessierten ihn Miluša wie auch Radogost nicht im Allergeringsten. Am besten, er sah sich ein wenig in der Gegend um, teils aus Interesse, teils um im Falle eines Falles schnell den besten Fluchtweg zu finden.
Die Posten nahmen keine Notiz von ihm. Von der Brücke ging eine Leiter zu einem kleinen Steg hinunter, an dem ein klobig gebautes Ruderboot festgebunden war, kein Einbaum mehr, wie ihn die Slawen früher gebaut hatten, sondern ein geklinkerter Kahn. Ulric fragte die Sprewanen, ob er ihn für eine kleine Fahrt benutzen könne. Man hatte nichts dagegen. So stieg er ein und ruderte ein Stückchen die Dahme hinab, um dann in die Spree einzubiegen. Das war ziemlich anstrengend, denn sein Boot hatte keinen Kiel, sondern unten eine mächtige Sohle aus Eichenholz. Ein paar Fischer hockten in ihren Kähnen und waren zu träge, den Kopf zu heben und ihm hinterherzublicken. Ulric fehlte jemand, mit dem er sich unterhalten konnte. Er wünschte sich an den Hof der Staufer. Barbarossa war ja nicht nur deutscher König, sondern seit 1155 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und plante große Feldzüge. In Rom, Mailand und Besançon hatte er sich aufgehalten, und das waren schon Orte von anderem Format als Cöpenick.
Langsam brach die Dämmerung herein, Ulric beendete seinen Ausflug mit dem Ruderboot und warf sich wieder auf seine Felle, noch missmutiger als zuvor. Es drängte ihn, endlich etwas zu unternehmen. Die Sache war klar: Wenn Jaxa ihm nicht verraten würde, ob er gegen Albrecht Front machen wollte oder nicht, dann blieb ihm nur, ihn zu belauschen, wenn er mit seinem Gefolge alles besprach.
Ulric erhob sich, warf sich das sackartige graubraune Gewand über die Schultern, wie es die Slawen für modisch hielten, steckte sich einen kurzen Dolch in den Gürtel und öffnete vorsichtig die Tür seiner … nun ja, seiner Hütte. Draußen war es mehr als finster. Wer sich nach Sonnenuntergang im Innern der Burg bewegte, tat dies nicht ohne Fackel. Ulric schloss die Augen, damit sie sich an die Dunkelheit gewöhnten und er die Umrisse der einzelnen Gebäude erkennen konnte. Nachdem dies geschehen war, schlich er sich zu Jaxas »Palast«, dem mächtigsten der Blockbauten. Laute Stimmen drangen nach draußen, man war bei dem, was landläufig als Palaver bezeichnet wurde. Ulric konnte es recht sein. Das Fenster stand offen, ein Vorhang verhinderte aber, dass er erkennen konnte, wer was sagte. Nur ab und an sah er einen Schatten auf dem Vorhangstoff, aber eine Gestalt oder ein Profil war nicht zu erkennen, dazu war das Licht, das die brennenden Öllampen und Kienspäne spendeten, viel zu schwach. Ulric lauschte. Jetzt hatte ganz offenbar Jaxa das Wort ergriffen, dessen Stimme und Tonfall kannte er ja.
»Die Brandenburg muss wieder unser werden! Das Hevellerland ist altes Slawenland. Zurück mit Albrecht hinter die Elbe!«
Es kam ein Einwand. »So recht du hast, so müssen wir doch anerkennen, dass wir die Askanier in der Burg niemals mit unseren geringen Kräften in die Knie zwingen können.«
»Das wohl nicht«, entgegnete Jaxa. »Aber wir haben Geld aus Polen zur Verfügung, viel Geld, und damit werden sich etliche von Albrechts Gefolgsleuten sicherlich umstimmen lassen. Außerdem haben wir, sind wir erst Herren des Landes, das Pribislaw gehörte, viele Lehen zu vergeben, Pfründe, und auch damit wird sich mancher locken lassen.«
»Wen willst du also zur Brandenburg schicken?«, fragte jemand.
»Einen gut getarnten Mann, vielleicht kommt er als Mönch, vielleicht als Händler. Da müssen wir sehen, wer sich findet.«
Jetzt wurden Rufe laut, man solle aufhören zu debattieren, denn es sei schon längst Zeit für das Abendessen.
Ulric von Huysburg hatte genug gehört, und er machte, dass er schnell wieder zu seinem Lager kam, denn es war fest damit zu rechnen, dass man ihn zur Tafel bat. Auf halbem Weg zu seiner Hütte glaubte er, Schritte hinter sich zu hören. Er blieb stehen, zog seinen Dolch aus dem Gürtel und lauschte. Nichts. Er musste sich getäuscht haben. Sekunden später lag er wieder auf seinen Fellen und dachte nach. Eigentlich hätte er jetzt aufbrechen und zur Brandenburg reiten können, denn er hatte ja herausgebracht, was er hatte herausbringen wollen, doch mit seinem Verschwinden hätte er Jaxa nur gewarnt und dazu gebracht, seine Pläne zu ändern. Nein, er musste sich ganz offiziell von ihm verabschieden. Außerdem wäre es selbstmörderisch gewesen, in dieser sumpfigen Gegend ohne Weg und Steg durch die Nacht zu reiten. Also streckte er sich aus und suchte sich zu entspannen. Bald war er in leichten Schlummer gefallen.
Eine knappe Stunde mochte vergangen sein, als ein Knappe ihn weckte. Fürst Jaxa habe den Wunsch geäußert, er, Wertislaw, möge neben ihm sitzen und speisen.
Ulric richtete sich auf, sagte, dies sei eine hohe Ehre für ihn, und folgte dem jungen Slawen. An Jaxas Tafel hatte sich dessen gesamter Hofstaat versammelt. Ulric schätzte, dass es fast zwei Dutzend Männer waren. Er begrüßte den Sprewanenfürsten höflich und mit allem nötigen Respekt, doch als er dann neben ihm saß und in die Runde schaute, hätte er vor Schrecken fast aufgeschrien, denn der ältere Mann schräg gegenüber war kein anderer als Nebojša, der Händler, dem er an der Nuthe das Leben geschenkt hatte. Wenn der jetzt aufsprang, zu ihm lief, ihn umarmte und rief, dass er diesem großmütigen Manne hier so viel verdanke, dann …
»Ein Hoch auf Ulric von Huysburg!«
Ulric wusste nicht, ob Nebojša es wirklich schon ausgerufen hatte oder ob er sich nur einbildete, es gehört zu haben, er straffte sich jedoch, um im Ernstfall in den nächsten Sekunden gegen alle Gefolgsleute Jaxas kämpfen zu können. Blitzschnell hatte er einen Plan gefasst: Ich reiße mein Messer vom Tisch, halte es Jaxa an die Kehle und fordere ein Pferd und freien Abzug. Das mochte gelingen, aber …
Doch Nebojša schwieg, als sich ihre Blicke getroffen hatten. Entweder der Händler hatte ihn nicht als Ulric von Huysburg erkannt – oder aber er war klug genug zu schweigen.
Ulric fiel es schwer, jetzt leichthin mit Jaxa zu plaudern, zumal ihm Radogost Blicke sandte, die mit feindselig viel zu schwach beschrieben waren. Sie waren wie Pfeile.
Jaxa kam auf die Wettiner zu sprechen, von denen Ulric nur wenig wusste. »Gegen die vor allem will ich mich in Zukunft wenden, nicht gegen die Askanier, die erscheinen mir harmloser zu sein, zumal Heinrich der Löwe diesem Albrecht dem Bären in allem überlegen ist.«
»Ja«, sprang Radogost ihm bei, »wenn ich mir vorstelle, dass in einem Zwinger ein Bär und ein Löwe miteinander kämpfen, dann würde ich meinen Kopf auf den Sieg des Löwen verwetten.«
»Was haben denn die Wettiner für ein Tier in ihrem Wappen?«, fragte einer.
»Kein Tier, nur grüne Blätter!«, lachte ein СКАЧАТЬ