Название: Weihnachtswundernacht 5
Автор: Группа авторов
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865069269
isbn:
Schweigen!
Herodes, so heißt der amtierende Regent, starrte uns nur erschrocken an. Er wusste nichts von einem Kind. Oder von einem Stern. Und schon gar nichts von einem neuen König der Juden. Selten habe ich im Antlitz eines Menschen so viel Angst und Verwirrung gesehen. Was für eine verstörende Situation. Wir standen da, noch immer staubig, und fragten den König nach der Geburt seines Nachfolgers. Was ihm erkennbar nicht gefiel.
Kurz darauf hatte Herodes all seine Weisen und Schriftgelehrten um sich versammelt. Die Priester und Berater. Den ganzen Hofstaat. Würdige Männer in kostbaren Gewändern. Und die vermeldeten nach stundenlangem Studium ihrer heiligen Schriften: Ja, ein solcher König sei tatsächlich angekündigt. Doch wenn, dann käme er gewisslich in dem kleinen Ort Bethlehem zur Welt. Der Stadt des verehrten Vorfahrens David.
Da blitzte es in den Augen des Herodes, und er sagte mit weicher Stimme: „Ihr Sterndeuter aus dem Morgenland. Zieht ihr zuerst zu diesem Kind. Und wenn ihr es gefunden habt, dann sendet mir einen treuen Boten, damit ich ebenfalls dorthin reisen kann, um ihm zu huldigen.“
Kaum hatten wir den Palast verlassen, da wurde mir klar, dass es unsere eigensinnigen Vorstellungen gewesen waren, die uns an diesen falschen Platz geführt hatten. Der Stern wies unmissverständlich den Weg aus Jerusalem hinaus. Aber wir hatten unsere Erwartungen über die Botschaft des Himmels gestellt. Wie so oft. Wenn wir nur nicht zu spät kamen.
Ein Stall, Tiamat. Am Ende standen wir vor einem Stall. In Bethlehem. Kannst Du Dir das vorstellen? Ein König, der in einem Stall zur Welt kommt. Doch ich wusste sofort, dass wir diesmal richtig waren. Der Stern leuchtete direkt über dem hölzernen Verschlag – und der Säugling, der in einer Futterkrippe lag, war nicht von dieser Welt. Ohne jeden Zweifel. Obwohl er genau so aussah wie alle Babys. Dieses Kind war ein Geschenk des Himmels.
Wir fielen alle drei auf die Knie. Kaspar mit einem leichten Stöhnen, weil er ja schon länger Schmerzen in der Hüfte hat. Dann beteten wir das Kind an. Den wahren König der Juden. Und mit jedem Wort, das wir sprachen, löste sich etwas in uns – eine Sorge, ein Zweifel, ein Schrecken – bis wir einander am Ende gänzlich befreit in die Arme fielen. Alle mit Tränen in den Augen. Noch nie habe ich mich so reich gefühlt wie in diesem ärmlichen Stall. Darum erkannte ich auch, dass ich unser Gold, meine geliebte Tiamat, leichten Herzens weggeben konnte. Ich hatte etwas viel Besseres bekommen: Vertrauen.
So überreichten wir den Eltern, einfachen Handwerkern aus einem Dorf namens Nazareth, unsere Geschenke und baten sie, damit dem Kind zu helfen, sein Reich in dieser Welt zu errichten. Leider sprachen die beiden nicht unsere Sprache – und anders als im Jerusalemer Palast war in dem Ort Bethlehem kein Übersetzer aufzutreiben.
Darum wusste ich anfangs auch nicht, was der Vater von mir wollte, als er mich zur Seite zog. Mit Händen und Füßen redete er auf mich ein. Und nach und nach begriff ich: Sein Name war Joseph, und er wollte sich bei uns für das Gold, den Weihrauch und die Myrrhe bedanken, die wir mitgebracht hatten.
Ja, mehr noch, er war untröstlich, dass er uns als seine Gäste nicht, wie es im Orient Sitte ist, freundlich bewirten konnte. Nicht einmal einen Schluck Wasser hatte er zu bieten. Geschweige denn etwas zu essen. Und das schien ihn ernsthaft zu beschämen.
Ich versuchte deshalb vergeblich, ihn davon zu überzeugen, dass wir keineswegs geringschätzig von ihm dachten. Aber erkläre das mal einem Mann, der dich überhaupt nicht versteht. Tatsache ist: Er blieb untröstlich.
Plötzlich aber glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Er beugte sich nach unten, hob etwas vom Boden auf und drückte es mir in die Hand. Ein Geschenk. Eine symbolische Geste der Gastfreundschaft. Als Ausgleich für die fehlenden Speisen.
Es war … die Feder, die ich Dir mitgebracht habe. Eine Feder aus dem Stall, in dem der Friedensbote Gottes zur Welt gekommen ist.
Mit breitem Grinsen und eifrigem Nicken raunte dieser Joseph immer nur ein Wort: „Malach … malach … malach.“
Ich zuckte mit den Achseln. Was wollte er bloß von mir? Was war das für ein Ausdruck?
Da seufzte er auf und murmelte verlegen einen lateinischen Begriff, denn ich tatsächlich kannte: „Angelus … angelus.“
Und da verstand ich: Diese Feder … meine Geliebte … diese Feder ist aus dem Flügel eines Engels.
Wenn ich die Gesten dieses Mannes richtig verstanden habe, dann waren bei der Geburt des Kindes mehrere Engel im Stall zugegen. Singende Engel. Frohlockende Engel. Und einer von ihnen hat diese Feder verloren.
Achte sie also bitte nicht gering. Sie gehört vermutlich zum Edelsten, das ein Mann seiner Ehefrau von einer Reise mitbringen kann. Eine echte Feder aus dem Gefieder eines Engels!
Übrigens ist mir in dieser heiligen Nacht der Gott Israels noch persönlich erschienen. Darum habe ich auch überhaupt keinen Zweifel daran, dass das alles wahrhaft so geschehen ist. Ja, im Traum hat mir seine Stimme gesagt, dass Kaspar, Balthasar und ich auf keinen Fall erneut zu Herodes reiten dürfen, um ihm von dem Kind zu erzählen.
Daran haben wir uns gehalten.
Und sind, so schnell es uns möglich war, zurück in unsere Heimat gezogen.
In mir ist jetzt alles ganz leicht. Federleicht. So leicht wie diese Engelsfeder. Wenn auch Du mir vergeben kannst, dann wird alles gut. Heute Abend, kurz vor Sonnenuntergang, werde ich an unsere Tür klopfen. Sachte. Und hoffen, dass Du sie für mich öffnest. Dein Melchior
FABIAN VOGT
Das Christkind im Porsche
„Ich hoffe, der Betrag auf dem Scheck entspricht Ihren Vorstellungen, Roger. Sie haben in diesem Krisenjahr wirklich Erstaunliches geleistet. Meine Hochachtung!“ Dr. Müller-Schäring drückt ihm fest die Hand. „Sie sind auf dem Weg zum Kronprinzen unseres Unternehmens. Denken Sie noch mal darüber nach, ob Sie nächstes Jahr nicht doch mein Angebot in Anspruch nehmen und für unsere Zentrale in New York arbeiten wollen. Die Staaten machen sich immer gut im Lebenslauf.“
„Ich werde die Zeit zwischen den Jahren nutzen, um über Ihr Angebot in Ruhe nachzudenken. Herzlichen Dank für den Scheck und vor allem für das Vertrauen, das Sie in meine Arbeit gesetzt haben, Herr Direktor.“
„Feiern Sie Weihnachten bei Ihrer Familie, Roger?“
„Vielleicht den zweiten Weihnachtstag. Ich mache mir nichts aus dem Fest. Es hat für mich keine Bedeutung. Meine Freundin kommt heute aus Los Angeles, und wir machen es uns gemütlich.“
„Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein erfolgreiches neues Jahr.“
„Danke gleichfalls!“
Roger greift nach seiner Aktentasche und seinem Mantel. Vom Weihnachtsmarkt tönt das Lied „Alle Jahre wieder“ zu ihm herüber.
Alle Jahre wieder? Für mich ist immer nur ein Jahr entscheidend: nämlich das Geschäftsjahr. Alles andere interessiert mich nicht. Hauptsache, mein Bonus stimmt. Christkind, Krippe, Gott und Jesus. Wenn ein Kind СКАЧАТЬ