DERMALEINST, ANDERSWO UND ÜBERHAUPT. Klaus Hübner
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СКАЧАТЬ bezeichnet dieses Zusammentreffen, dessen in der Italienischen Reise geschilderte Umstände nebenher ein wenig korrigierend, ohne Umschweife als »Glücksfall« und »Lebenswende«, und er hat damit vollkommen recht. Denn: »Das 1787 hier beginnende innige Verhältnis – seltener Fall in Goethes Leben – sollte über vierzig Jahre lang harmonisch und ungetrübt bleiben«. Zunächst freilich hofft Meyer auf Goethes gute Beziehungen, und er hofft nicht vergebens. Der Dreißigjährige erhält ein zwar bescheidenes, aber sicheres herzoglich-weimarisches Stipendium, das ihm den weiteren Italienaufenthalt und seine Kunststudien ermöglicht und eine solide Zukunft in Thüringen eröffnet.

      Im November 1791 trifft Johann Heinrich Meyer in Weimar ein. Er wird sogleich in die Goethesche Familie aufgenommen und damit in die bessere Gesellschaft des Städtchens. Er erwirbt sich beim Umgestalten des Hauses am Frauenplan große Verdienste und ist auch später als kompetenter Bauleiter tätig. »Keine der bedeutenden klassizistischen Baumaßnahmen in Weimar wurde ohne ihn, ohne seine aktive Mitarbeit durchgeführt.« Der Hausfreund fungiert als beständiger und verlässlicher Beschützer Christianes und des kleinen August, wenn das Familienoberhaupt auf Reisen ist – und er zeichnet und malt, unter anderem das bekannte Aquarell Christiane und August. Er malt Goethe derart objektiv und naturgetreu, dass der Freund zusammenzuckt – so dick ist er und so grämlich schaut er drein? Außerdem betätigt sich Meyer als Kunstschriftsteller und wird Lehrer an der »Freien Zeichen-Akademie«, später gar ihr Direktor. Goethe schreibt am 14. September 1795 an Schiller: »Es ist ein herrlicher Mensch.« Ende 1795 geht es ein weiteres Mal nach Italien – ohne Meyer hätte Goethe seine Lebensbeschreibung Benvenuto Cellinis nicht verfertigen können. Aber Meyer wird schwer krank in Florenz und rettet sich im Sommer 1797 nach Stäfa, wo bald auch Goethe eintrifft. Was die beiden im Zürcher Gasthof »Zum Schwert«, auf Johannes Eschers Landgut bei Herrliberg, in der »Krone« zu Stäfa, am Gotthard und anderswo treiben, ist gut belegt, und Klauss erzählt es sehr anschaulich. Ende 1797 sind die beiden wieder in Weimar, und bald machen sie sich an die Vorbereitung der Kunstzeitschrift Propyläen, in der sie das umfangreiche Material ihrer italienischen Kunststudien publizistisch ausschlachten wollen – und sich dabei bald in jahrelange Querelen mit den Romantikern verstricken, deren heftigste anti-klassizistische Zornesausbrüche sich gegen Meyer richten werden. Doch Meyer bleibt, auch in den späteren Essays und Polemiken in der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung oder, nach 1816, in Ueber Kunst und Alterthum, fest bei seinen Grundüberzeugungen. Herzog Carl August betraut ihn mit der Aufsicht über die künstlerische Ausgestaltung des Residenzschlosses, und Meyer hat, wie Klauss hervorhebt, einen wesentlichen und meist unterschätzten Anteil am Zustandekommen dieser architektonischen Perle. 1803 heiratet er eine Adelige, Amalie Caroline Friederike von Koppenfels. Ihre zweiundzwanzig Ehejahre müssen sehr glücklich gewesen sein, auch ohne Kinder, und wenn es Meyer weniger gut geht, hilft stets die Heimatluft Stäfas. Er ist bis zu seinem Tod ein anerkanntes Mitglied der so ehrbaren wie klatsch- und intrigenreichen Weimarer Gesellschaft, die er mit lakonischen Äußerungen, trockenen Kommentaren und treffenden Aperçus zu unterhalten und bisweilen durch Kostproben seines Heimatdialekts zu entzücken weiß – Johanna Schopenhauer und andere Zeugen berichten oft Köstliches über den drolligen Humor des »Kunschtmeyer«, den Klauss auch als Vertrauten der jungen russischen Großfürstin Maria Pawlowna porträtiert, der Enkelin der Zarin Katharina II., die seit 1804 in Weimar residiert und sich mit Meyers Hilfe den humanistischen Geist des klassischen Weimar anzueignen sucht. Für ihre drei Mädchen entsteht unter Meyers Leitung der »Prinzessinnengarten« in Jena, und auch in Weimar tut Meyer viel Gutes, in künstlerischer wie auch in sozialer Hinsicht. Nach dem Tod der geliebten Frau gönnt er sich noch eine Reise in die Heimat und eine nach Karlsbad – nach dem Hinschied Goethes aber mag er nicht mehr so recht auf dieser Welt sein, und im Prinzessinnenschlösschen zu Jena tut er, dreiundsiebzigjährig, kurz danach seinen letzten Atemzug.

      Ein erfülltes Leben, zweifellos. Und doch erinnert man sich, auch nach der Lektüre dieses verdienstvollen, eine grandiose Lebensleistung zu Recht ausführlich würdigenden Buches, an Johann Heinrich Meyer weiterhin nur in Bezug auf Goethe. »Er war die Inkarnation jener Goetheschen Idee vom Lehrer, Diener und Freund in einer Person«, meint sein Biograf, der seine in der Einleitung gemachten Versprechen fast alle einlösen kann – nur das mit dem Schweizer Kulturbotschafter wird, über das Reden im Dialekt hinaus, nicht recht deutlich. Dennoch scheint der Autor dem behaupteten Eigenwert seines Meyers nicht ganz zu trauen. Klauss endet sein detailreiches und auch sehr liebevolles Buch mit einem Satz, der seinen Protagonisten wiederum in den Schatten eines Größeren stellt, aus welchem er ihn doch eigentlich zu befreien gedachte: »Wahrscheinlich war Johann Heinrich Meyer in seiner Standhaftigkeit und Stetigkeit genau der Mensch, den der sich alle zehn Jahre wie eine Schlange häutende Dichter brauchte.«

      Jochen Klauss: Der »Kunschtmeyer«. Johann Heinrich Meyer: Freund und Orakel Goethes. Weimar 2001: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger. 358 S.

      Weltliteratur?

      Dieter Lamping rückt einiges zurecht

      Der in Mainz lehrende Komparatist Dieter Lamping ist einer der nicht eben zahlreichen Literaturwissenschaftler, die den unübersehbaren Prozess der Internationalisierung der deutschsprachigen Literatur ernst nehmen und ihn in den Kontext der europäischen Literaturgeschichte zu stellen versuchen. Kein Wunder, dass er dabei bald auf Goethe und dessen bis heute so wirkungsmächtigen Begriff der »Weltliteratur« stieß. Denn diesem Konzept ist es im Grunde zu verdanken, dass wir die Literatur nicht für wesentlich monokulturell oder gar national halten. »Weltliteratur ist eine der großen Ideen des 19. Jahrhunderts – und eine der wenigen, die die Epoche ihrer Entstehung überlebt haben«, lautet der erste Satz des Buches. Was aber meint man heute damit, wenn man, wie es in der Literaturwissenschaft ebenso wie in der Literaturkritik allenthalben geschieht, von »Weltliteratur« spricht? Welchen Nutzen, welchen Erklärungswert hat der Rekurs auf Goethes Konzept? Und ist es überhaupt ein Rekurs, oder hat die gängige Verwendung des Begriffs nur noch wenig mit dem zu tun, was der Dichterfürst am 31. Januar 1827 im Gespräch mit Eckermann äußerte? Oft genug sind Goethes Worte zitiert worden: »National-Literatur will jetzt nicht viel sagen, die Epoche der Welt-Literatur ist an der Zeit und jeder muss jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.« Diesen Worten, diesem Begriff und mehr noch dessen Karriere im 19., 20. und auch 21. Jahrhundert widmet sich Lampings im besten Sinne philologische, weil weit über die Philologie hinausweisende Untersuchung: »Die Idee der Weltliteratur in ihren wichtigsten, literarhistorischen wie literaturtheoretischen, aber auch ideengeschichtlichen Aspekten mit der gebotenen Knappheit darzustellen ist das Ziel dieses Buches. Dabei versucht es, nicht nur zu fragen, wie sie verstanden wurde, von ihrem Urheber und von seinen Lesern, sondern auch, wie sie noch immer sinnvoll zu verstehen sei.«

      Naturgemäß geht es zuerst um Goethe, dessen Plädoyer für »Weltliteratur« den alten Dichter als einen weltoffenen, scharfsinnigen und der Zukunft zugewandten Beobachter seiner Epoche ausweist. Doch schon bei ihm bleibt der Begriff unscharf, und an keiner Stelle hat er systematisch entwickelt, was er eigentlich unter »Weltliteratur« verstanden wissen wollte. Als »formelhafte Aperçus« implizieren Goethes diesbezügliche Bemerkungen mehr als sie explizieren. In den drei der Einleitung folgenden Abschnitten seiner Studie stellt Lamping den Weimarer Altmeister in den Kontext der europäischen Literatur seiner Zeit und diskutiert die weitreichenden Implikationen der keineswegs nur angelesenen Internationalität des Divan-Dichters, der zwar nach heutigen Maßstäben kein weltkundiger Mann war, aber noch viel weniger ein »eingezogen lebender Mensch wie etwa Kant oder Lichtenberg«. In Goethes Werk und Wirken lässt sich, wie der höchst belesene, quellenkundige Verfasser detailliert nachweist, in vielerlei Hinsicht ein durchaus interkulturelles Interesse feststellen, auch wenn das bei Zeitgenossen wie Georg Forster, Adelbert von Chamisso oder Alexander von Humboldt ungleich stärker ausgeprägt gewesen sein mag. Unvermeidlicherweise geht es im ersten Teil des Buches auch um das von Herder, Schleiermacher und anderen entwickelte, von Lamping nicht als kontrastiv, sondern als komplementär zur »Weltliteratur« betrachtete Konzept einer »Nationalliteratur«. Abgesehen von diesem allerdings folgenreichen Scheinkonflikt zwischen Welt und Nation wurde die Idee der »Weltliteratur« niemals ausschließlich als poetische begriffen. СКАЧАТЬ