Bevor die Fertigung mit der Umsetzung der Planung beginnt, kann der Disponent eine Kapazitätsplanung durchführen. Dabei vergleicht er die von den Bedarfsdeckern verursachten Kapazitätsbedarfe mit den zur Verfügung stehenden Kapazitätsangeboten. Wenn sich hierbei Überlastungssituationen abzeichnen, kann er mithilfe einer Plantafel eine gezielte Reihenfolgeplanung gegen das begrenzte Kapazitätsangebot durchführen und so die Überlastung auflösen. Es kann passieren, dass Zugangstermine für Komponenten hinter den Bedarfstermin rutschen. Dies kann eine Iteration der Mengenplanung erfordern.
Die Fertigungssteuerung überwacht und korrigiert die Durchführung der Produktion. Dazu gehören die Anlage und Freigabe von Fertigungsaufträgen, das Drucken der Fertigungspapiere sowie die Rückmeldung des Fertigungsfortschritts. Insbesondere Letzteres ist für die Disponenten von besonderer Relevanz, da sie anhand der Rückmeldungen erfahren, ob der Plan ordnungsgemäß abgearbeitet wird oder einer Anpassung bedarf.
Wie Sie sehen, ist das MRP-II-Konzept in Phasen unterteilt, die zwar interne Prüfschleifen aufweisen, untereinander aber lediglich durch eine gerichtete Weitergabe von Werten verknüpft sind. Dieser Aufbau hatte in den Anfängen der IT-Systeme, als Prozessorleistung und Arbeitsspeicher ernst zu nehmende Restriktionen darstellten, den ungemeinen Vorteil, dass jede Phase für sich betrachtet und modelliert werden konnte. Die entsprechend begrenzte Komplexität ermöglichte es, Systeme zu programmieren, die in endlicher Zeit Lösungen berechnen konnten. Infolgedessen etablierte sich der MRP-II-Ansatz in den meisten Unternehmensprogrammen.
Heutzutage wird versucht, eine Verknüpfung von Mengen- und Kapazitätsplanung zu erreichen. Hierbei kommen unterschiedliche Ansätze zum Einsatz:
Heuristiken,
lineare Optimierung,
komplexe Plantafeln.
Doch auch in den vorgelagerten Prozessen der Absatz- und Produktionsgrobplanung gibt es Weiterentwicklungen zur Vereinfachung der Planungsaktivitäten:
weniger Aggregationsebenen,
Berücksichtigung von logistischen Kapazitäten,
detailliertere Bedarfsprofile.
1.2 Planungsstrategien
Ein für die Planung entscheidendes Kriterium ist der Kundenentkopplungspunkt. Dieser beschreibt einerseits, ab welchem Schritt in der Wertschöpfungskette der Kundenauftrag die Beschaffung »zieht«, ab wann also klar ist, für welchen Kunden etwas produziert wird. Andererseits definiert er, bis zu welchem Schritt die Beschaffung aus einer Vorplanung oder einer Prognose heraus »geschoben«, d. h. nur anonym produziert wird (siehe Abbildung 1.2).
Abbildung 1.2: Planungsstrategien und Kundenentkopplungspunkt
Make-to-Stock beschreibt die einfachste Planungsstrategie. Bei dieser wird ein Produkt, bis es im Versandlager eintrifft, nur aufgrund einer Vorplanung inklusive aller Komponenten beschafft und gefertigt. Diese Strategie ermöglicht eine gut aufeinander abgestimmte Produktion aller Komponenten sowie eine hohe Auslastung der Produktionsmittel und gewährleistet von allen Strategien die kürzesten Lieferzeiten. Diesen Vorteilen steht allerdings das Risiko einer Überproduktion und der daraus resultierenden zu hohen Bestände gegenüber. Aber auch eine knappe Planung kann problematisch sein, da sie die Flexibilität der Fertigung (häufig) einschränkt. Dann können eine drohende Unterdeckung kaum verhindert und damit die erwartete Lieferzeit nicht oder nur schwerlich realisiert werden.
Mithilfe der Strategie Assemble-to-Order wird versucht, das Bestandsrisiko etwas abzumildern. Dazu werden lediglich die Komponenten planungsgetrieben beschafft bzw. gefertigt. Die Montage hingegen erfolgt erst nach Eingang eines Kundenauftrags. Wie stark der erhoffte Effekt der geringeren Bestände ist, hängt maßgeblich davon ab, wie hoch der Wertschöpfungsanteil der Montage ist. Auch gilt: Je variantenreicher ein Produkt, desto größer ist der Nutzen dieser Strategie, da kein so hoher Wert in den weniger benötigten Varianten gebunden ist. Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung dieser Strategie ist eine flexible Montage, mit deren Hilfe die Kundenanforderungen an die Lieferzeit umgesetzt werden können.
Als Make-to-Order bezeichnet man den Ansatz, bei dem fertig konstruierte und für die Produktion aufbereitete Produkte erst auf Kundenwunsch hin gefertigt werden. Da in der Regel nicht mehr als der Rohstoff im Unternehmen gelagert wird, ist die Lieferzeit bei dieser Strategie deutlich länger als bei den vorhergehenden Ansätzen. Um dennoch eine vom Kunden geforderte kurze Lieferzeit zu ermöglichen, müssen die Maschinen – und insbesondere die Mitarbeiter – flexibel, also bei Bedarf einsetzbar sein. Ein Vorteil besteht darin, dass das Bestandsrisiko bei diesem Ansatz minimiert ist.
Engineer-to-Order schließlich beschreibt ein Konzept für vom Kunden beauftragte Produkte, die bei Auftragseingang noch nicht konstruiert sind und einzeln gefertigt werden müssen. Diese Strategie impliziert die längste Lieferzeit der vorgestellten Ansätze, und für die Planung wird noch ein anderes Problem sichtbar: Da ein geordertes Produkt bislang noch nicht genau definiert wurde, fällt die genaue Planung des Liefertermins besonders schwer.
Normalerweise wird man sich mit Erfahrungswerten ähnlicher Produkte behelfen, um die Lieferzeit zu ermitteln. Doch was ist mit den Komponenten? Ihre Beschaffung kann erst gestartet werden, wenn die Konstruktion abgeschlossen ist. Zu hoch ist die Gefahr, dass dieses eine Mal beispielsweise nicht der Standardstahl, sondern ein besonderer verwendet wird. Dieses spezielle Material bzw. das außergewöhnliche Kaufteil stellen das größte Risiko für die Termineinhaltung dar. Wenn erst nach der Konstruktion klar ist, was benötigt wird, ist es manchmal für eine pünktliche Bestellung schon zu spät.
Tabelle 1.1 zeigt eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile dieser vier Produktionsstrategien.
Wiederbeschaffungs-zeit | Bestandsrisiko | Produktions-flexibilität | |
---|---|---|---|
Make-to-Stock | nicht vorhanden | hoch | gering |
Assemble-to-Order | gering | gering | mittel |
Make-to-Order | hoch | nicht vorhanden | hoch |
Engineer-to-Order | sehr hoch | nicht vorhanden | hoch |
Tabelle 1.1: Vor- und Nachteile der Produktionsstrategien
1.3 Definition des Beispiels
Im weiteren Verlauf des Buches werden wir Ihnen anhand eines Beispiels die einzelnen Prozesse zur Produktionsplanung im SAP-System aufzeigen. Damit Sie die Abbildungen aus den einzelnen Transaktionen bzw. Apps besser nachvollziehen und einordnen können, stellen wir Ihnen zunächst kurz das verwendete Beispielprodukt vor.
In diesem Buch soll es um ein Fahrrad gehen. Wir betrachten also ein Unternehmen, das Fahrräder herstellt. Die Produktion erfolgt nach der Make-to-Stock-Strategie (siehe СКАЧАТЬ