Flucht durch Schwaben. Rafael Wagner
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Название: Flucht durch Schwaben

Автор: Rafael Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783839268889

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СКАЧАТЬ ein Boot vor. Bei der ersten Dämmerung brecht ihr auf über den See nach Wazzarburg. Obwohl unsere Feinde jenen Ort vor uns erreicht haben, konnten wir bisher weder Rauch noch Flüchtlinge ausmachen. Der Abt des Gallusklosters scheint seine Leute dort gut ausgestattet zu haben. Findet heraus, was im nördlichen Teil Alemanniens vor sich geht und ob schon bald Hilfe naht. Und bringt ja Vorräte mit.«

      Der Tribun möchte sich gerade umdrehen, da beginnt einer meiner Kameraden: »Wird uns denn nicht unser Herzog zu Hilfe eilen?«

      Der Tribun spuckt verächtlich aus und fügt hinzu: »Unser selbst ernannter Landesherr führt noch immer seinen nutzlosen Krieg in Italia. Selbst wenn ihn Kunde von unserem Schicksal ereilt, wird er es unmöglich rechtzeitig hierher schaffen. Viel Glück euch allen.« Er dreht sich um und stapft davon.

      Natürlich hatte er recht. Das Gros der kampffähigen Männer aus allen Teilen der Alemannia hatte vor vielen Tagen und Wochen dem Herzog Heeresfolge geleistet. Im Bestreben, seinen Einflussbereich weiter nach Süden zu vergrößern, war dieser zusammen mit seinem burgundischen Schwiegersohn nach Italia gezogen. Kaum waren die meisten Verbände in Richtung Alpes abgezogen, ereilten uns die ersten unheimlichen Nachrichten von Sichtungen fremdartiger Reiter. Ausgerechnet in der größten Not bleibt die lokale Bevölkerung ihrem eigenen Schicksal überlassen. Ohne Krieger und ohne Festungen. Einzige Ausnahmen bleiben jene Befestigungen, die noch aus alter Zeit stammen, wie eben unser Arbona.

      »Was, wenn wir stattdessen nach Constantia segeln?«

      »Viel zu weit weg.«

      Ich erwache aus meinen Gedanken und lausche der neu entbrannten Diskussion unter meinen Gefährten.

      »Außerdem ist es ein direkter Befehl des Tribuns. Und der Bischof wird uns ohnehin nicht helfen. Seit er die noch verbliebenen Krieger zu sich gerufen hat, soll er sich hinter seinen Mauern verstecken.«

      »Also wie ihr?«, höre ich aus der anderen Ecke eine sanfte, jedoch zugleich beherzte Stimme antworten. Das Mädchen hatte uns offenbar die ganze Zeit belauscht.

      »Was weißt du schon? Wegen dir und deinen Freunden sind wir doch erst in dieser Situation! Wir öffnen gnädig unsere Tore, und ihr fresst uns die letzten Vorräte weg«, gibt Strello, einer der Gefährten unserer Mission, wutentbrannt zurück.

      »Was ist aus unserer christlichen Nächstenliebe geworden«, schalte ich mich dazwischen, »wenn wir nicht einmal mehr unseren Nachbarn helfen? Diesem Feind müssen wir alle geschlossen entgegentreten. Und wir alle leisten unseren Teil auf eine andere Art und Weise.«

      Statt Dankbarkeit erhalte ich seitens des Mädchens jedoch nur ein schnippisches Schnauben: »Ach, du meinst, ich könne also glücklich sein, in der Küche untergekommen zu sein?« Nun lachen die anderen und machen sich auf etwas Unterhaltung gefasst. »Ich weiß durchaus, ein Schwert zu führen«, setzt sie zum zweiten Stoß an, »und wenn ihr’s wissen wollt, Wazzarburg ist bei Weitem nicht so gut ausgestattet, wie ihr alle zu wissen glaubt. Ich wollte erst dort Schutz suchen, doch wurde ich von den Mönchen abgewiesen. Entweder, sie leiden bereits seit Tagen Hunger, oder sie zeigen ebenso wenig Nächstenliebe wie ihr.« Das Mädchen wirft nun Strello einen strengen Blick zu und fährt fort: »Der Abt des Gallusklosters hat in seiner unendlichen Weisheit alle wehrlosen Greise und Knaben nach Wazzarburg geschickt, während er seine wertlosen Bücher bei den Mönchen in Augia in Sicherheit gebracht hat. Auf jener großen Insel hätten sowohl mehr Menschen als auch mehr Vorräte Platz gefunden.«

      »Woher weißt du das alles?«, möchte ich von ihr wissen.

      Sie zieht ihre Augenbrauen hoch und will gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie von meinem Nebenmann Sindolt unterbrochen wird: »Wie eine Spionin sieht sie jedenfalls nicht aus.«

      Verärgert will sie sich von unserer Gruppe wegdrehen, wird jedoch sogleich von Strello am Arm zurückgezogen: »Nein, im Ernst, warum sollten wir dir vertrauen? Woher weißt du das alles? Wir kennen nicht einmal deinen Namen.«

      Widerwillig beginnt sie zu sprechen: »Man nennt mich Anna. Bis vor wenigen Tagen war ich noch als Magd des Praeses Wolfbert in Puachhorn tätig. Da konnte ich so manche Unterhaltung der Dienstboten des Gallusklosters belauschen. Vor Wochen ist mein Herr jedoch dem Ruf unseres Herzogs Burchard gefolgt. So musste ich auf eigene Faust fliehen, als sich die Schreckensnachrichten von fremden Reiterhorden verdichteten und aus der Ferne bereits die ersten Rauchsäulen zu sehen waren.«

      »Sie sollte uns bei Sonnenaufgang begleiten«, meldet sich nun erstmals Milo, der älteste von uns vieren zu Wort. »Das Mädchen kennt sich am nördlichen Ufer besser aus als wir, und als ehemalige Magd des Wolfbert dürfte sie dem einen oder anderen Wortführer bekannt sein.«

      »Ist das nicht zu riskant für sie?«, werfe ich ein.

      »Gefährlicher als hier?«, entgegnet Anna.

      Innerlich muss ich ihr recht geben. Zudem möchte ich ihre Nähe nicht mehr missen.

      »Also ist es beschlossen«, folgert Milo. »Wir fünf brechen beim ersten Anzeichen der Dämmerung auf. Sindolt, Strello, bringt einige Vorräte hinunter zum Boot. Ich melde dem Centenar unsere neue Ausgangslage und folge euch nach.« Er wendet sich an uns: »Wir sehen uns gleich außerhalb der Mauern, seid bloß leise.«

      Während die drei sich entfernen, bleiben Anna und ich zurück und schweigen noch kurze Zeit das Feuer an. »Hat dich dein Weg schon früher einmal nach Arbona geführt?«, setze ich schließlich zum Gespräch an.

      »Ich glaube nicht«, flüstert Anna sehr knapp und in Gedanken versunken vor sich hin.

      Um die peinliche Stille zu durchbrechen, nicke ich ihr zu und tue so, als müsste ich mir noch meine Sachen aus den Stallungen holen. Trotz meines kleinen Umwegs laufen wir uns jedoch kurze Zeit später wieder über den Weg. Mit einem kurzen Seitenblick auf meine bescheidene Ausrüstung, der ich offensichtlich nichts hinzugefügt habe, machen wir uns schweigend auf zur Mauer. Wir erreichen das plätschernde Ufer über eine kleine verbarrikadierte Öffnung in einem zusammengefallenen Halbrundturm an der nördlichen Festungsmauer. Dort warten bereits unsere Gefährten ungeduldig auf die Morgendämmerung. Wir hatten schon seit Längerem nichts mehr von den anderen Siedlungen am Bodamansee gehört. So waren viele der hiesigen Wachmannschaft über den Verbleib von Freunden und Verwandten im Unklaren. Und viele schlossen aus den täglich näherkommenden Rauchsäulen am Horizont schon länger auf das eigene Schicksal. Doch wir werden uns nicht kampflos ergeben. Wir nehmen es selbst in die Hand.

      »Marcus und Strello, ihr übernehmt die Ruder. Machen wir uns bereit zum Aufbruch.« Milo verstaut die Vorräte im hinteren Teil des Bootes und heißt uns, über die Bordwand zu steigen.

      Am Horizont erscheint ein dünner Streifen Licht. Milo stößt uns vom Ufer ab, und unser Boot gleitet in den endlos wirkenden See hinaus, während Strello und ich unsere Ruder im Einklang durchs schwarze Wasser ziehen. Wir entdecken am Ufer jenseits des Wassergrabens zahlreiche Lagerfeuer und können davor die Schatten vereinzelter Krieger wahrnehmen. Die Fackeln von Arbona werden hinter uns immer kleiner. Milo steht am Bug und versucht angestrengt, in der Dunkelheit potenzielle Gefahren auszumachen. Sindolt summt leise ein Lied in die kühle Morgenluft hinaus; so als wollte er den See günstig stimmen. Und das Gewässer ist uns diesen Morgen tatsächlich geneigt. Eine leichte Brise kommt auf, und wenige Momente später befiehlt Milo schon das Aufziehen des kleinen Segels. Wir legen die Ruder zu unseren Füssen nieder und überlassen dem Wind die Arbeit.

      Das Morgenlicht reicht nun aus, um die Hügelkette am gegenüberliegenden Ufer zu erkennen, als Milo zu erzählen beginnt: »Ich war in deinem Alter, Marcus, als ich das erste Mal im Auftrag meines Herrn den See überquert habe. Wir fanden uns damals СКАЧАТЬ