Название: Über den Umgang mit Menschen (Enhanced, +Theaterstück)
Автор: Adolph Freiherr von Knigge
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783940621764
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Man vermeide aber, in alle Zirkel große Forderungen mitzunehmen, allen Menschen alles allein sein, mit aller Gewalt glänzen, hervorgezogen werden zu wollen, zu verlangen, dass aller Menschen Augen nur auf uns gerichtet, ihre Ohren nur für uns gespitzt seien; denn sonst werden wir freilich uns aller Orten zurückgesetzt glauben, eine traurige Rolle spielen, uns und andern Langeweile machen, menschenscheu und bitter die Gesellschaft fliehn und von ihr geflohn werden. Ich kenne viele Leute von der Art, die durchaus, wenn sie sich in vorteilhaftem Lichte zeigen sollen, der Mittelpunkt sein müssen, um welchen sich alles dreht, sowie überhaupt manche Menschen im gemeinen Leben niemand neben sich vertragen, der mit ihnen verglichen werden könnte. Sie handeln vortrefflich, groß, edel, nützlich, wohltätig, geistreich, sobald sie es allein sind, an die man sich wendet, von denen man bittet, erwartet, hofft; aber klein, niedrig, rachsüchtig und schwach, sobald sie in Reihe und Gliedern stehn sollen, und zerstören jedes Gebäude, wozu sie nicht den Plan gemacht oder wenigstens die Kranzrede gehalten haben, ja ihr eigenes Gebäude, sobald nur ein andrer eine kleine Verzierung daran angebracht hat. Dies ist eine unglückliche, ungesellige Gemütsart. Überhaupt rate ich, um glücklich zu leben und andre glücklich zu machen, in dieser Welt so wenig als möglich zu erwarten und zu fordern.
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Mache einigen Unterschied in Deinem äußern Betragen gegen die Menschen, mit denen Du umgehst, in den Zeichen von Achtung, die Du ihnen beweisest. Reiche nicht jedem Deine rechte Hand dar. Umarme nicht jeden. Drücke nicht jeden an Dein Herz. Was bewahrst Du den Bessern und Geliebten auf, und wer wird Deinen Freundschaftsbezeigungen trauen, ihnen Wert beilegen, wenn Du so verschwenderisch in Austeilung derselben bist?
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Sei, was Du bist, immer ganz und immer derselbe. Nicht heute warm, morgen kalt; heute grob, morgen höflich und zuckersüß; heute der lustigste Gesellschafter, morgen trocken und stumm wie eine Bildsäule. Mit solchen Leuten ist übel umzugehn; sie überhäufen uns, wenn sie gerade in guter Laune sind oder niemand um sich haben, der vornehmer als wir oder spaßhafter oder ein größerer Schmeichler ist, mit allen Zeichen der herzlichsten, vertraulichsten Freundschaft. Wir bauen darauf und wollen wenig Tage nachher den Mann wieder besuchen, der uns so gern bei sich sieht, der uns so freundlich eingeladen hat, recht oft zu kommen. Wir gehen hin und werden nun so frostig und verdrießlich empfangen, oder man lässt uns ohne Unterhaltung in einer Ecke sitzen, antwortet uns nur mit abgebrochenen Silben, weil man gerade von Kreaturen umgeben ist, die mehr Weihrauch spenden als wir. Von solchen Menschen muss man sich unmerklich zurückziehn, und wenn sie nachher in einem Augenblicke von Langerweile uns wieder aufsuchen, gleichfalls gegen sie den Spröden machen und ihnen unter den Händen fortschlüpfen.
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Suche weniger selbst zu glänzen als andern Gelegenheit zu geben, sich von vorteilhaften Seiten zu zeigen, wenn Du gelobt werden und gefallen willst. Ich habe den Ruf eines vernünftigen und witzigen Mannes aus mancher Gesellschaft mitgenommen, in welcher wahrlich kein kluges Wort aus meinem Munde gegangen war und in welcher ich nichts getan hatte, als mit exemplarischer Geduld vornehmen und halbgelehrten Unsinn anzuhören, oder hie und da einen Mann auf ein Fach zu bringen, wovon er gern redete. Wie mancher besucht mich mit der demütigen Ankündigung: (wobei ich mich oft nicht des Lachens erwehren kann) er komme, um mir als einem gewaltigen Gelehrten und Schriftsteller seine Ehrerbietung zu bezeugen; der Mann setzt sich dann hin und fängt an zu reden, lässt mich, den er bewundern will, gar nicht zu Worte kommen, und geht, entzückt über meine lehrreiche und angenehme Unterhaltung, zu welcher ich nicht zwanzig Worte geliefert habe, von mir, höchst vergnügt, dass ich Verstand genug gehabt habe – ihm zuzuhören. Habe Geduld mit allen Schwächen dieser Art! Wenn daher auch jemand ein Geschichtchen oder sonst etwas vorbringt, das er gern erzählt, und Du hättest es auch schon mehr gehört und es wäre vielleicht ein Märchen, das Du selbst ihm einst mitgeteilt hättest, so lass es ihn doch nicht auf unangenehme Weise merken, dass die Sache Dir alt und langweilig ist, wenn die Person anders Schonung verdient. Was kann unschuldiger sein, als solche Ausleerungen zu befördern, wenn man dadurch andern Erleichterung und sich einen guten Ruf verschafft? Und wenn die Leute unschuldige Liebhabereien haben, z. B. gern von Pferden reden, es gern sehen, dass man eine Pfeife Tabak mit ihnen raucht, ein Glas Wein mit ihnen trinkt, so erzeige man ihnen diese kleine Gefälligkeit, wenn es ohne große Ungemächlichkeit und ohne Falschheit geschehn kann. Desfalls habe ich nie die Gewohnheit der Hofleute von gemeinerm Schlage gut finden können, die jedermann nur mit halbem Ohre und zerstreuter Miene anhören, ja gar mitten in einer Rede, die sie veranlasst haben, einfallen, ohne das Ende abzuwarten.
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Übrigens aber rate ich auch an, um seiner selbst und um andrer willen ja nicht zu glauben, es sei irgendeine Gesellschaft so ganz schlecht, das Gespräch irgendeines Mannes so ganz unbedeutend, dass man nicht daraus irgend etwas lernen, irgendeine neue Erfahrung, irgendeinen Stoff zum Nachdenken sammeln könnte. Aber man soll nicht aller Orten Gelehrsamkeit, feine Kultur fordern, sondern gesunden Hausverstand und geraden Sinn begünstigen, vorziehn und reden und wirken lassen, sich auch unter Menschen von allerlei Ständen mischen; so lernt man zugleich nach und nach den Ton und die Stimmung annehmen, die nach Zeit und Umständen erfordert werden.
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Mit wem aber soll man am mehrsten umgehn? Natürlicherweise lässt sich auch diese Frage nur nach eines jeden besondern Lage beantworten. Hat man die Wahl (und wirklich hat man diese doch öfter, als man glaubt), so wähle man sich die Weisern zu seinem Umgange, Leute, von denen man lernen kann, die uns nicht schmeicheln, die uns übersehen; allein gewöhnlich gefällt es uns besser, einen Zirkel untergeordneter Geister um uns her zu versammeln, die in Kreisen tanzen, so oft unser hoher Genius seine Zauberrute schwingt. Wir bleiben indessen dadurch immer, wie wir waren, kommen nie weiter in Weisheit und Tugend. Es gibt zwar Lagen, in welchen es nützlich und lehrreich, sich unter Menschen von allerlei Fähigkeiten zu mischen, ja wo es auch Pflicht ist, nicht bloß mit Leuten umzugehn, von denen wir, sondern auch mit solchen, die von uns lernen können, und die ein Recht haben, dies zu fordern; diese Gefälligkeit aber darf nie so weit gehn, dass die Rechenschaft, die wir einstens von unsrer goldenen Zeit und von der Obliegenheit, uns zu vervollkommnen, geben sollen, dabei Gefahr laufe.
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Es ist oft eine höchst sonderbare Sache um den Ton, der in Gesellschaften herrscht. Vorurteil, Eitelkeit, Schlendrian, Autorität, Nachahmungssucht und wer weiß, was sonst noch stimmen diesen Ton so, dass zuweilen Menschen, die an einem Orte zusammen leben, jahraus, jahrein, sich auf eine Weise versammeln, unterhalten, Dinge miteinander treiben und über Gegenstände reden, die allen zusammen und jedem einzelnen unendliche Langeweile machen. Dennoch glauben sie, sich den Zwang antun zu müssen, diese Lebensart also fortzuführen. Gewährt wohl die Unterhaltung in den mehrsten großen Zirkeln einem einzigen von den da Versammelten wahres Vergnügen? Spielen unter fünfzig Personen, die jeden Abend die Karten in die Hand nehmen, wohl zehn aus wahrer Neigung? Um desto erbärmlicher ist es, wenn freie Menschen in kleinern Orten oder gar auf Dörfern, die zwanglos leben könnten, um den Ton der Residenzen nachzuahmen, sich ebenso peinlich unter das Joch dieser Langenweile krümmen. Hat man Gewicht bei seinen Mitbürgern und Nachbarn, so ist es Pflicht, alles dazu beizutragen, den Ton vernünftiger zu stimmen. Ist das aber nicht der Fall, und man gerät einzeln in einen solchen Zirkel, so vermehre man nicht durch ein schiefes oder stummes mürrisches Betragen der Anwesenden und des Hauswirts Verlegenheit, es voreinander zu verbergen, dass sie sich sämtlich weit von da weg wünschten, sondern man zeige sich vielmehr als einen Meister in der Kunst, viel zu reden, ohne etwas zu sagen, und mache sich wenigstens das Verdienst, den Raum auszufüllen, wovon außerdem gewöhnlich СКАЧАТЬ