Die Wiedergewinnung des Heilens. Volker Fintelmann
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Название: Die Wiedergewinnung des Heilens

Автор: Volker Fintelmann

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная психология

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isbn: 9783957791382

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СКАЧАТЬ Polarität. Letztere bewirkt alle Schwere, auch die Schwerkraft der Physik ist Ausdruck der Finsterniskraft. Das Licht dagegen bewirkt „Leichte“, es führt in die Weite, während die Finsternis alles verdichtet und auf einen Mittelpunkt zuführt.

      Da es sich um Kraftwirkungen handelt, können wir auch von peripherisierenden und zentralisierenden Kräften sprechen. Beide wirken auch in uns, die Schwere mehr im Körper, die Leichte mehr in der Seele. Wir brauchen beides. Diese geistigen Wirkkräfte innerlich zu erfahren und zur Anschauung zu bringen, braucht meditative Schulung und fördert die Befähigung zur Intuition. Steiner hat einen berufsspezifischen Meditationstext vermittelt, in welchem die Schweremacht des Körpers und die Leichtekraft der Seele in ihren harmonischgöttlichen Zusammenhang gestellt werden. Sie müssen sich im Menschen begegnen, dürfen sich aber nicht verbinden oder durchmischen („ergreifen und durchdringen“ heißt es im Text). Tun sie es, entsteht Krankheit.13 Überwältigt die Finsternis das Licht, bildet sich das Milieu für die Tuberkulose oder auch die Depression.14 Das Bild des Arztes kann auch sein, dass die Gesetzmäßigkeit des Körpers die der Seele überwältigt. Der Leser kann erahnen, welche therapeutische Intuitionen durch diese Bilder in uns entstehen können, das Licht zu intensivieren, die Seele zu befreien, ein ganz anderes inneres Erlebnis jedenfalls als die leitliniengerechte Verordnung von Tuberkulostatika oder Antidepressiva. Was wiederum erfordert, auch die Besonderheiten der Erdenstoffe zu studieren und zur inneren Anschauung zu bringen, z.B. Phosphorus als Lichtträger, Magnesium als metallgebundenes, hellstes Licht. Hier verstehen wir Paracelsus in seinem Anruf, der Arzt müsse „durch der Natur Examen gehen“.

      Auch die Erde wurde durch das Geschehen von Golgatha und Ostern mit der Christuskraft durchdrungen, sowohl mit Leib und Blut als auch durch das Eindringen bis zum Erdmittelpunkt in der sogenannten Höllenfahrt am Karsamstag. Darüber werde ich später in einem eigenen Kapitel schreiben, denn das Verständnis der Arznei aus Natursubstanzen braucht ebenso die Durchchristung wie das Verständnis vom Menschen und seiner vielgegliederten Ganzheit in Leib, Seele und Geist.

      Menschenverständnis, wie es hier als Anteil einer christlichen oder eben durchchristeten Medizin gemeint ist, braucht die geschulte Wahrnehmung durch alle Sinne, deren Zwölfheit Rudolf Steiner ausarbeitete, braucht Exaktheit im Beobachten, Vorurteilslosigkeit im Begriffebilden, geduldiges Wiederholen immer gleicher Erkenntnisbemühungen und Selbstlosigkeit gegenüber dem anderen Menschen bzw. der Natur. Diese soll sich ihm aussprechen, nicht ich soll sie aus dem Eigenen beurteilen oder gar interpretieren. So kann man Steiner verstehen, der die Medizin eine großartige Erziehung zur Selbstlosigkeit nannte, was doch mit Blick auf unsere Gegen wart geradezu als paradox oder sogar widerlegt erscheint. Doch ist die von Steiner gemeinte Selbstlosigkeit unverzichtbare Voraussetzung einer christlichen Medizin, oder wie Paulus es aussprach „Nicht Ich, der Christus in mir“ (Galater 2,20) oder – wie ich es sehe, statt „in mir“ – „in meinem Ich“, das ja auch mein Selbst beschreibt. Sehen mit Christi Augen, hören mit Christi Herz bzw. Ohren setzt Selbstlosigkeit voraus (siehe Kapitel 10).

      Selbstlosigkeit ist auch die Voraussetzung um lieben zu können. Dabei verstehe ich hier Selbstlosigkeit so, dass ich ein Selbst als Ich ausgebildet haben muss, welches ich zurückstelle, um bei dem anderen zu sein, ja vielleicht in seinen Dienst stelle, damit er durch mich werden kann, z.B. gesund. Dazu wieder ein Christuswort: „Liebe deinen Nächsten so wie dich selbst“ (Luk.10,25–28). Wer sich nicht selbst zu lieben lernte, wird auch nicht andere/anderes lieben können. Deshalb ist die Kindheit und Jugend auch eine so wichtige Zeit, das Selbst auszubilden und zu lernen, Ja zu sich zu sagen. Von außen angeschaut eine Zeit starker Egoität. Ich habe meine fünf Kinder in deren Kindheit oft liebevoll „meine kleinen Egoistentierchen“ genannt, denn dieser Egoismus ist noch nicht seelengebunden oder Ich-geprägt, sondern leibbildend. Der von Eltern und Vorfahren gebildete und vererbte – ich könnte auch sagen geschenkte – Leib (den Steiner auch so anschaulich Modell-Leib nennt), muss ja über zwei Jahrzehnte zu einem Individual-Leib werden, einem Leib, in dem jeder Ort, jede Flüssigkeit, alle Bewegung vom Ich ergriffen und einzigartig, unverwechselbar wird. Ein Geschehen, das wir dann abstrakt Immunsystem oder erworbene Immunität nennen. In den allerersten Anfängen meiner Lehrzeit zum Arzt, noch als Medizinalassistent vor der eigentlichen Approbation, durchfuhr mich beim Zuschauen einer äußerst ruppigen Blutentnahme aus einer Armbeugenvene, die der Chefarzt selbst durchführte (es war eine Privatpatientin), der fragende Gedanke: „Liebst du eigentlich den Menschen“? Womit mir schlagartig bewusst wurde, dass ich Arzt nur sein kann, wenn ich den Menschen liebe. Nicht den Einzelnen, sondern den einzelnen Menschen als göttliche Schöpfung. Da hatte ich Steiners Aussage noch nicht gelesen. Später las ich bei Carl Gustav Carus: „Jeder Mensch, ja jede Kreatur ist eine Idee Gottes. Und alle sind gleich wert“.15 Und damit sind wir bei der ethisch-moralischen Seite der Medizin, die heute nicht mehr vermittelt wird, die jedem selbst überlassen bleibt, die aber eine der beiden Hauptwurzeln einer christlichen Medizin ist.

      Es war kein Ritual, wenn man den Arzt vor der Erlaubnis, den Beruf ausüben zu dürfen, den Hippokratischen Eid sprechen ließ. Es war ein Gelöbnis und zugleich Handlungsanweisung. Und es war das alle Ärzte verbindende ethisch-moralische Element. Mit Auslöschen der Hippokratischen Medizin, die zur Humoralpathologie verkommen war, wurde auch dieser Eid nicht mehr gesprochen. Heute kennt ihn wohl kaum noch jemand. Und nichts anderes, gemeinsam Verbindliches ist an seine Stelle getreten. Es ist erschütternd auszusprechen, dass sich die Medizin seit dem 20. Jahrhundert zunehmend in einem ethikfreien Raum bewegt. Tauchen ethische Fragen auf, wie z.B. die Definition des Hirntodes als endgültiger Tod des Menschen auch beim Fehlen „sicherer“ Todeszeichen (wie sie jeder Arzt im Studium lernte), werden für eine solche Einzelfrage Ethik-Kommissionen gebildet, in der keineswegs nur Ärzte, sondern auch andere Berufe, vor allem Juristen, mitwirken.

      Eine Medizin ohne verbindende Ethik ist unchristlich. Denn das ganze Christentum ist getragen von einer Ethik, welche die zehn Gebote, die Moses vermittelte, zusammenfasst und übergreift in dem einen Gebot, das Christus uns gibt: „Liebet einander“ (Joh.15,12–13). So einfach das klingt, so unerfüllbar scheint dieses Gebot seit 2000 Jahren, heute mehr denn je, wo die apokalyptische Zeit des „Krieges Jeder gegen Jeden“ angebrochen scheint. Und dennoch: gerade weil es so aussichtslos scheint, muss an besonderen Stellen mit der Umsetzung dieses Gebots begonnen werden. Und wo wäre das naheliegender als in der Medizin? Vielleicht noch in der Pädagogik, viel unvorstellbarer dagegen in der Wirtschaft. Weil es so grundsätzlich ist, möchte ich einige Zeitphänomene erwähnen, um zu verdeutlichen, wo der Medizin eine verbindende Ethik fehlt bzw. welche Handlungsweisen sich in einem ethikfreien Raum einstellen.

      Jeder gesund empfindende Mensch wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass ein maximales Gewinnstreben auf Kosten der kranken Menschen unethisch ist. Doch finden wir in allen Bereichen der Medizin ein Denken der Marktgesetze der Wirtschaft. Der Arzt Professor Giovanni Maio, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinethik an der Universität Freiburg, spricht von der Ökonomisierung der Medizin.16 Der Arzt will gut, lieber sehr gut leben durch seine Arbeit. Jahrzehntelang zählte tatsächlich der Arztberuf zu denen mit den besten Aussichten, viel Geld zu verdienen. Als das gesetzgeberisch immer mehr eingeschränkt wurde, erfanden die Ärzte die sogenannten IGEL-Leistungen, die nicht von Krankenkassen erstattet wurden und die der Patient selber zu zahlen hat. Dass die meisten von ihnen von zweifelhaftem Nutzen sind, zeigt ihren Hintergrund. Auch verbanden sich Ärzte mehr und mehr zu Betrügereien, indem Leistungen abgerechnet wurden, die gar nicht erbracht worden waren. Was dadurch leicht möglich ist, dass die meisten Patienten die Arztrechnungen gar nicht kennen. Sie gehen direkt an die Krankenversicherung. Erst kürzlich erlebte ich selber, dass von einem Orthopäden eine große neurologische Untersuchung abgerechnet wurde, die von ihm gar nicht durchgeführt worden war. Als ich den Arzt daraufhin ansprach, erklärte er, er käme nicht auf seine notwendigen Einnahmen, wenn er sich streng an die Gebührenordnung hielte. Was oft auch zutrifft, jedoch ein Systemfehler ist und nicht durch Betrügen korrigiert werden dürfte. Viele Leistungen СКАЧАТЬ