Название: Die Bibel - ein menschliches Buch
Автор: Angela Madaus
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783962298494
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In Bertold Brechts wohl bekanntestem Antikriegsstück Mutter Courage und ihre Kinder, geschrieben 1939 im dänischen Exil, uraufgeführt 1941 in Zürich, beschreibt die gleichnamige Protagonistin scheinbar ungerührt, ja sarkastisch den merkantilen Aspekt des Krieges: Der Krieg ist nichts als die Geschäfte / Und statt mit Käse ists mit Blei. Weil das so ist, zieht die Marketenderin Courage mit ihrem Planwagen durch die vom dreißigjährigen Krieg zerstörte Welt und hofft, sich aus dem Krieg, der ihre Einkommensquelle darstellt, heraushalten zu können. Sie denkt ökonomisch und handelt couragiert, allerdings im Sinn von skrupellos opportunistisch zu verstehen, wird dabei aber realitätsblind, und so verliert sie alle ihre drei Kinder an diesen Krieg, den sie schließlich verflucht, ohne eine Lehre daraus zu ziehen. Auf sich allein gestellt, folgt sie mit ihrem Planwagen weiterhin dem Zug der Soldaten:
Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhn.
Und was noch nicht gestorben ist,
Das macht sich auf die Socken nun.
4. Bibelrhetorik
Zugang zum Christentum fanden in der Spätantike zunächst eher einfachere Leute und Frauen. So nennt die Apostelgeschichte neben Barnabas und Timotheus einige Frauen, wie Priscilla, Aquila und Lydia, als Mitarbeiterinnen von Paulus. Vor allem Gebildete taten sich jedoch oft schwerer. Die Ablehnung hatte mehrere Gründe. Ein nicht unbedeutender Grund war literarischer Art. Man kann sich vorstellen, dass die Psalmen aufgrund ihrer sprachlich gebundenen Form noch am ehesten auf Wohlwollen stießen. Anders stand es jedoch mit den Evangelien. Deren Sprache wurde als simpel und kunstlos empfunden, ihr Sujet war zudem abstoßend, handelten sie doch ausschließlich von gewöhnlichen Menschen, ja sogar von Minderwertigen und Geächteten, wie Fischern, Zöllnern und Huren, die – gesellschaftlich provokant – auch noch erhöht und als Maßstab vorgestellt wurden.
Die Verbreitung der christlichen Lehre konnte deshalb nur über die Aneignung und Nutzung bekannter Regeln der Textbehandlung und der Stilistik, die dann eben auch für die Vermittlung biblischer Inhalte genutzt wurden, geschehen, also über die Nutzbarmachung der antiken Rhetorik für die christliche Verkündigung. Dafür setzten im 4. Jahrhundert die hochgebildeten Theologen und Rhetoriker Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo (Letzterer in: De doctrina christiana) Maßstäbe. In einer Doppelstrategie mussten zum einen die Verkünder der göttlichen Wahrheit, also die Kleriker, rhetorisch geschult werden (so Ambrosius in: De officiis ministrorum), zum andern musste sich die christliche Rhetorik von der paganen Rhetorik abgrenzen und ihre Überlegenheit beweisen. Predigt und Rhetorik gingen so eine Verbindung ein, die sich durch gegenseitige Abhängigkeit auszeichnete, ja geradezu zu einer Symbiose von Homiletik/ Predigtkunst und Rhetorik/Redekunst führte, wobei die Rhetorik rein funktional verstanden wird. Sie ist Instrument der Verkündigung, allerdings nach Auffassung der beiden Kirchenväter ein unverzichtbares.
Rhetorik ist … ein basales Verfahren, um das Wort Gottes…zu erklären, zu verbreiten und zu schützen.
(Sophia Vallbracht, S.182)
5. Befreiung und Gerechtigkeit
5.1 Der Exodusgott
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
(Ex 20,2)
5.1.1 Moses
Die Moses-Statue von Michelangelo (1475-1564) in San Pietro in Vincoli ist neben seiner Pietà die vielleicht größte Attraktion Roms. Sie verweist in ihrer dramatischen Strenge auf den unerbittlichen, ja gewalttätigen Moses. Nach links gewandt, stützt Moses seine rechte Hand auf die Gesetzestafeln, mit seiner Linken fasst er sich in den langen Bart. Michelangelo stellt ihn unmittelbar nach seinem Abstieg vom Berg Sinai dar, als er die Israeliten beim Tanz um das Goldene Kalb vorfindet (Ex 32,1-4), worauf er erzürnt die Ermordung der Abtrünnigen befiehlt (32,27).
Aber wie kommt Moses zu seinen Hörnern? Wohl auf Grund eines Übersetzungsfehlers. In der Vulgata des Hieronymus hieß es, Moses sei, als er vom Berg herabstieg, cornutus, also gehörnt, gewesen. Das entsprechende hebräische Wort, das dieser Übersetzung zugrunde liegt, wurde auf Grund der im Hebräischen fehlenden Vokale wohl falsch ausgesprochen, sein Inhalt – auf Moses bezogen – dadurch verfälscht wiedergegeben. Aus dem strahlenbekränzten Moses (lat. coronatus) wurde der mit Hörnern versehene. Trotz diverser Richtigstellungen durch kirchliche Autoritäten, u.a. durch Thomas von Aquin, hielt sich die falsche Darstellung in der Kunst weiterhin. Plastische Irrtümer haben wohl generell die Tendenz, sich zu verfestigen!
Die Entstehung von Michelangelos Moses hat eine lange Geschichte. 1505 bekam der gerade mal dreißigjährige Künstler vom 1503 gewählten Papst Julius II. den Auftrag, für ihn ein Grabmal zu konzipieren, zunächst vorgesehen für die Aufstellung in der Peterskirche, die gerade im Entstehen war. Realisiert wurde das Projekt schließlich 40 Jahre später, lange nach Julius´ Tod im Jahr 1513, als abgespecktes Programm in der Kirche S. Pietro in Vincoli, an der Julius als Kardinal Giuliano della Rovere gewirkt hatte. Aufgrund der langen Entstehungszeit, der Reduktion des Projekts und der Mitwirkung vieler Künstler weist das Grabmal kein kohärentes ikonographisches Programm auf. Es entsprach in seiner Realisierung auch nicht mehr Michelangelos Intention. Nach seiner Konzeption hätte Moses, da auf Untersicht gearbeitet, seinen Platz freistehend und auf einer oberen Plattform in einer Figurennische finden sollen. Michelangelo beschrieb daher das endgültige Figurenensemble enttäuscht als opera risecata, als abgeschnittenes Werk.
Die Marmoranlage ist zweigeschossig. Im oberen Geschoss befindet sich Maria mit dem Kind in der Mitte, darunter der Sarkophag mit der Liegefigur Julius´ II., rechts und links je eine Figur, eine Sybille und ein Prophet.
Nur die drei Statuen im Untergeschoss sind Michelangelos Werk, Rahel zur Linken von Moses stellt allegorisch die vita contemplativa dar, Lea zu seiner Rechten die vita activa. Die zentrale Figur jedoch ist und bleibt Moses in der Mitte. Michelangelo hat sie wahrscheinlich schon 1515 fertiggestellt. Sie unterscheidet sich deshalb in ihrer Ausführung deutlich von den beiden Frauengestalten. Neben der Pietà in der Peterskirche, von Michelangelo zwanzigjährig geschaffen, stellt sie sein zweites Meisterwerk im Stil der Hochrenaissance dar. In ihrer heroischen Monumentalität und Expressivität zieht die Mosesgestalt jeden Betrachter in den Bann, und sie hat im Laufe der Jahrhunderte zu vielfältigen Deutungen den Anlass gegeben und Künstler immer wieder zur Auseinandersetzung mit dem Sujet und seiner Darstellung herausgefordert.
Abb. 1: Hans Joachim Madaus, Hommage à Michelangelo
Das Antlitz von hoher Schönheit ist das eines wahrhaft СКАЧАТЬ