Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider
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Название: Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald

Автор: Margarete Schneider

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783775172103

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СКАЧАТЬ denkenden Christen gemeinsam war der Wille – der ja auch P. S. stark bewegt hat –, als evangelische Kirche bei der sittlichen Erneuerung des Volkes mitzuwirken.

      Immer zahlreicher wurden die Anhänger der Glaubensbewegung »Deutsche Christen« (DC). Hatte P. S. genügend Gelegenheit, ihre »Theologie« wirklich wahrzunehmen? Oder ließ er sich zunächst nur von ihrem volksmissionarischen Eifer beeindrucken? Es gab im Frühjahr viele Anhänger dieser Bewegung, die relativ wenig durchschauten, was die Wortführer der DC bewegte: der Eifer für ein den NS-Staat nachahmendes »Führerprinzip in der Kirche«; für ein »artgemäßes« Christentum; für die »Schöpfungsordnungen« Volk, Rasse, Blut und Boden; für eine »natürliche«, d. h. aus der Natur herkommende Gotteserkenntnis. Nicht alle, die zu dieser Bewegung stießen, verklärten wie ihre »Führer« »die Stunde« der Machtergreifung Hitlers, durch die Gott zum deutschen Volk spreche. Nicht alle propagierten jenen »heldischen Jesus«, der germanische Art gegen »jüdische Hinterlist« verkörpere. Die wenigsten erkannten, wie sich hier uralter theologischer Antijudaismus mit dem rassistischen Antisemitismus der Nationalsozialisten verband. Nicht alle wollten das Alte Testament als ein »Judenbuch« durch die germanischen Heldensagen ersetzen und das Neue Testament in einer Säuberungsaktion »entjuden«149. Nicht alle stimmten ein in die selbstgerechte Ethik der »Söhne des Lichtes«, die gegen die »Söhne der Finsternis«, Juden und Bolschewisten, kämpften. Viele, die damals zu den DC stießen, durchschauten deren unbiblische Irrlehren zunächst wenig. Sie wollten schlicht dazu beitragen, dass die Kirche Jesu Christi im Volk ihren großen Auftrag wahrnehme und dass das Evangelium von Jesus Christus den Menschen des deutschen Volkes auch im Dritten Reich nahegebracht werde. Einig waren sich die DC lediglich im Wunsch, eine deutsche, »germanische« Nationalkirche zu schaffen mit einem starken Reichsbischof an der Spitze. Und darin, dass der Königsberger Wehrkreispfarrer Ludwig Müller150, der als der »Vertrauensmann des Führers« galt, dieses Amt erhalten müsse.

      Um einen deutsch-christlichen Reichsbischof Müller zu verhindern, wählten die deutschen Landeskirchen am 23. Mai 1933 mit großer Mehrheit den im deutschen Volk hoch angesehenen Friedrich von Bodelschwingh151 zum Reichsbischof. Gegen ihn setzte freilich sehr bald eine immer stärkere Kampagne der DC und der NSDAP ein.

      In dieser Situation griff – alle Rechte der Kirche missachtend – der Staat ein. Der preußische Ministerpräsident Hermann Göring ernannte den Landgerichtsrat August Jäger152 zum Staatskommissar »für den Bereich sämtlicher Landeskirchen Preußens«. Dieser löste sofort alle gewählten kirchlichen Gremien auf und ernannte für die sieben Landeskirchen in Preußen Bevollmächtigte, für das Rheinland den DC-Führer Landrat Dr. Krummacher 153. Reichsbischof von Bodelschwingh trat nach diesen Gewaltmaßnahen von seinem Amt zurück.

      Krummacher übernahm, mit der braunen SA-Uniform bekleidet, mit einem »Sieg Heil« auf den Führer und Absingen des Horst-Wessel-Liedes154 die Führung des Konsistoriums der Rheinischen Kirche in Koblenz. Nun seien die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen beendet, der Staat würde jetzt die Deutsche Evangelische Kirche neu aufbauen.155 Der rheinische Generalsuperintendent Stoltenhoff 156 meinte, den Eingriff des Staates rechtfertigen zu müssen. Viele Pfarrer folgten seinem Kurs der Anpassung, Widerstand sei zwecklos. In Massenveranstaltungen der DC erklärte Krummacher, der Eingriff des Staates sei aus Liebe zu Kirche und Volk geschehen. Er rief auf zum »Kampf für Kirche, Volk und Vaterland« und kündigte eine Säuberung der theologischen Lehrstühle der Universität Bonn an. Wer den Deutschen das Evangelium verkünden wolle, müsse »von ganzem Herzen Nationalsozialist sein«.157 Protest von Pfarrern gegen den staatlichen Eingriff sei »Verrat an der Kirche« und werde mit Dienstentlassung und Streichung der Pensionsbezüge geahndet.158 Tatsächlich ließ er einzelne Pfarrer, die aufbegehrten, verhaften und beurlauben.

      Lang dauerte das Regime des Staatskommissars und seiner Helfer nicht. Der Protest verschiedener Landeskirchen war zu stark. Am 14. Juli wurde das Staatskommissariat Jägers und damit auch die Herrschaft Dr. Krummachers im Rheinland beendet. Aber es wurden – wieder gegen alles geltende Recht – vom Staat für den 23. Juli Kirchenwahlen angesetzt. Diese kurze Frist war »eine abenteuerliche Zumutung«159. Sie ließ den DC-kritischen Kräften keine Zeit, sich gegen die gut organisierte Glaubensbewegung DC zu formieren. In aller Eile versuchten ihre Gegner Wahllisten unter der Bezeichnung »Evangelium und Kirche« aufzustellen. In den allermeisten ländlichen Gemeinden – auch in Hochelheim – wurden freilich »Einheitslisten« aufgestellt, in denen die Kandidaten sich nicht kirchenpolitisch offenbaren mussten.

      Dr. Joachim Beckmann160 lud für den 17. Juli zur Gründung einer »Rheinischen Pfarrbruderschaft« ein, die sich verpflichte, »Angriffe auf den Bekenntnisstand der Kirche durch entschlossenes Bekennen abzuwehren und für die einzutreten, die um solchen Bekenntnisses willen bedrängt werden«. Dieser 17. Juli 1933 war sozusagen der Geburtstag der »Bekennenden Kirche« im Rheinland.

      Den Wahlkampf konnte diese Gründung nicht mehr wirklich beeinflussen. Die NSDAP, die Reichspropagandaleitung, die Gauleiter unterstützten die DC mit allen Mitteln. Gemeindeglieder wagten nicht mehr, gegen die DC zu kandidieren, weil sie sonst als »Verräter am nationalsozialistischen Staat« bedroht worden wären. An vielen Orten wurde gegen opponierende Gemeindeglieder Terror ausgeübt. Die Presse, auch die kirchliche, hetzte gegen sie. Hitler selbst griff noch am Vorabend der Wahl in den Wahlkampf ein und gab mit bedrängenden Worten seiner Hoffnung Ausdruck, dass die DC und damit jene neuen Kräfte gewählt würden, »die unsere neue Volks- und Staatspolitik unterstützen«. Ergebnis der Wahl: Etwa achtzig Prozent der Sitze in den Presbyterien fielen an die DC.

      Wie stand nun in diesen folgenreichen Wochen P. S. zur Glaubensbewegung DC? M. S. berichtet:

      Mitte Juli 1933 ist eine Kundgebung der DC in Wetzlar mit einer Rede des Frankfurter Pfarrers Probst. Aus seiner Unruhe heraus, ob es nicht doch eine Stelle gäbe, bei der er guten Gewissens beim Aufbau mithelfen könnte, geht Paul hin. Er hört dort etwa das, was ihn über Gemeindeaufbau und -arbeit lange beschäftigt, und glaubt nun guten Willens, sich auch einreihen zu können.161 Es ist ihm aber »nicht so recht wohl dabei«, und er fürchtet, »der wirklich positive Flügel der DC (Deutsche Christen) könne sich doch nicht durchsetzen« (August 1933).

      Zum »wirklich positiven Flügel« der DC zählte P. S. offenbar Christen, denen die Volksmission besonders am Herzen lag, die sich für eine sittliche Erneuerung des deutschen Volkes einsetzen wollten und die Kräfte dafür im Evangelium sahen; denen auch der diakonische Einsatz für die Armen im Volk wesentlich war. So verstand er z. B. den Frankfurter Pfarrer Georg Probst, der ein gemäßigter »Deutscher Christ« war, zugleich ein mitreißender Redner. Probst sah 1933 im Dritten Reich eine besondere »volksmissionarische Gelegenheit«.162

      Auf einer Singwoche Ende August 1933 findet Paul bei Freunden Klärung und Befreiung. Und da er von Grund seines Herzens ein bußfertiger Christ war, so konnte es nicht fehlen, dass er alsbald vor seine Gemeinde trat und sagte, er wolle ein schlichter evangelischer Christ bleiben und sich hierbei das Vorzeichen »Deutsch« schenken, das verstünde sich von selbst. Von da an war seine Haltung eindeutig, sodass ein Freund bezeugen kann: »Niemand, den ich kenne oder dessen Geschichte mir zu Ohren gekommen ist, hat diesen Kampf unserer Kirche schlichter und einfältiger, zugleich lauterer und unerbittlicher geführt als mein Freund und Bruder Paul Schneider.«163

      Friedrich Langensiepen164 beschreibt in seinen Erinnerungen165 diese Wende P. S.s so: »Auch im Jahre 1933 erschien Paul Schneider auf der Gödenrother Singwoche – als Deutscher Christ! Nicht kluge Politik der Gleichschaltung, sondern gutgläubiges Vertrauen auf die Phrase von der großen volksmissionarischen Stunde der Kirche hatte ihn zum Anschluss bewogen. Es war ihm aber schon selbst nicht mehr geheuer bei seinem Entschluss, denn er merkte, dass die Dinge einen weit anderen Kurs zu nehmen begannen und auf die Auflösung jeder kirchlichen Substanz hinzielten. Er hoffte, im Gespräch mit uns Klarheit und Wegweisung zu finden.« Ein Gespräch mit Langensiepens Frau СКАЧАТЬ