Название: Verbrannte Erde
Автор: Marie Kastner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783967525267
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Wieder schlug Henry an. Dieses Mal hatte er einen verendeten Luchs gefunden. Schade um das scheue, edle Tier, das in dieser Region bereits ausgestorben gewesen war, bis man erste Exemplare nachgezüchtet und gezielt im Nationalpark Harz ausgewildert hatte. Obwohl er tagtäglich im Forst unterwegs war, hatte er bislang erst einen einzigen zu Gesicht bekommen – von diesem gegrillten Exemplar abgesehen. Die Existenz der neu entstandenen Luchspopulation war meistens nur durch kleine GPSSender nachweisbar, die engagierte Tierschützer einigen Exemplaren eingepflanzt hatten, damit sie ihre Wanderungen nachzuvollziehen vermochten.
Die Anzahl an toten Tieren ist erheblich höher als beim letzten Brand. Wahrscheinlich hat die Feuerwehr Recht. Mehrere Brände müssen ringförmig gelegt worden sein, um im Inneren einen wahren Hexenkessel zu erzeugen. Kein Wunder also, dass sie nicht flüchten konnten, weil sie sehr zügig von den Flammen eingekreist waren. Wer weiß, wie das ausgegangen wäre, wenn es in der Nacht zum Samstag nicht wie aus Eimern geschüttet hätte, sinnierte Strunz angewidert.
Wenn er sich nicht sehr täuschte, näherte er sich jetzt endlich dem Knaupsholz. Das Waldstück lag unterhalb einer charakteristischen Geröllhalde, welche zu einem alten Steinbruch gehörte. Auf dieser relativ kahlen Fläche fristeten sogar noch einige intakte Bäumchen ihr trauriges Dasein. Die hatten die Flammen anscheinend schlecht erreichen können, weil jeglicher brennbare Bodenbewuchs fehlte, der das Feuer hätte nähren können. Die Blätter der Bäumchen und Büsche waren wegen der immensen Hitzeeinwirkung allerdings trotzdem versengt, sie hingen schlaff von den Ästen.
Und wieder nervte Henry! Allmählich bedauerte der Förster, dass er den Hund heute mitgenommen hatte, ließ ihn während der Rast kurz von der Leine. Diesmal verbellte er etwas Größeres, genau am Waldessaum des abgebrannten Knaupholzes. Das Tier wollte sich gar nicht mehr beruhigen.
Seufzend machte sich Hubert Strunz auf den Weg, um Henrys Fund in Augenschein zu nehmen. Worum mochte es sich handeln? Um einen kapitalen Hirschbock vielleicht? Ein merkwürdig süßlicher, ekelerregender Geruch stieg ihm in die Nase.
Oh mein Gott … das ist kein Kadaver, sondern die Leiche eines Menschen! Mein schlimmster Albtraum ist wahrgeworden, es hat doch ein Opfer gegeben. Könnte sich um einen Mann handeln, Größe und Brustkorb nach zu schließen.
Es half alles nichts, er musste seinen Ekel überwinden, näher hingehen und den Toten von allen Seiten fotografieren, bevor er die Behörden informierte. Im Anschluss markierte er die GPSDaten des Fundorts und schickte eine Nachricht an die Polizei sowie die Forstverwaltung. Bis hierher reichte zum Glück noch die Netzabdeckung, denn die Schierker Mobilfunkmasten standen nicht allzu weit entfernt.
Abschließend informierte er seine drei Helfer über Funk von seinem grausigen Fund und erfuhr, dass sie ihrerseits, außer den unüblich zahlreichen Tierkadavern, nichts dergleichen entdeckt hatten. Er atmete auf, wenigstens fürs Erste, aber bislang war ja nur ein klitzekleiner Teil der abgebrannten Fläche begangen.
Wer konnte schon wissen, was sie andernorts noch erwartete.
»Komm, Henry, wir gehen weiter. Für diese arme Sau können wir leider nichts mehr tun. Hoffentlich hat der bedauernswerte Kerl nicht allzu lange leiden müssen«, murmelte der Förster und setzte sich in Bewegung. Er wollte sich lieber nicht bildlich vorstellen, wie es sich anfühlen mochte, einen Flammentod zu sterben. Die aufkommende Panik, das Erkennen der Aussichtslosigkeit einer Flucht, das Herannahen des sengend heißen Feuers, dann die ersten Flammen, die gierig nach der Kleidung züngeln … nein danke!
Er versuchte, diese beängstigenden Gedankenfragmente abzuschütteln und sich wieder voll auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Doch das wollte ihm nicht recht gelingen.
Am Nachmittag entdeckte er nahe Schierke, dass die Gleisanlagen der HSB-Brockenbahn ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Die Hitze hatte sogar Schienen und Signalanlagen massiv verformt. Hier wurden wohl aufwändige Reparaturen notwendig, bevor die wunderbaren historischen Dampfzüge wieder das Brockenplateau ansteuern könnten. Einige Mitarbeiter der Bahngesellschaft waren bereits vor Ort damit beschäftigt, sämtliche Schäden aufzunehmen, ergo durfte er sich wenigstens hier das detaillierte Fotografieren ersparen.
Am Abend dieses Tages fühlte er sich körperlich und psychisch erschöpft, so sehr, dass er sich in seiner Stammkneipe die Kante gab. Manches im Leben war zu furchtbar, um es einfach wegzustecken und zur Tagesordnung überzugehen.
Strunz war Förster mit Leib und Seele, folgte seiner Berufung. Es steckte ein mitfühlender Mensch unter dieser rauen, vom Wetter gegerbten Schale, ein feiner Kerl, der den Anblick einer schwarzroten Brandleiche beim besten Willen nicht zusammen mit Lederboots und Allwetterjacke abzustreifen vermochte, nur weil für heute Dienstschluss angesagt war.
Falls es sich tatsächlich um vorsätzliche Brandstiftung handelte, so nahm er sich vor, würde er der Polizei einen Hinweis auf den möglichen Täter geben müssen. Jenem verschrobenen Kerl, welchem er sowas zutraute, musste langsam mal das Handwerk gelegt werden. Er terrorisierte ihn und die Verwaltung des Naturparks schon seit Jahren mit fragwürdigen Aktionen, war bislang aber stets mit einer empfindlichen Geldbuße oder richterlich angeordneter Sozialarbeit davongekommen. Meist hatte er zur Strafe den Wald von weggeworfenem Müll befreien müssen, so als wäre er nur ein dämlicher Halbstarker, der zu einem verantwortungsbewussteren Staatsbürger erzogen werden müsste.
Den Wald räumte dieser Gestörte sowieso regelmäßig auf, aus freien Stücken. Dies war eine Art Hobby von ihm.
Was für eine Farce. Manche Leute konnten ihren Hals wirklich aus jeder Schlinge ziehen, indem sie posthum Einsicht heuchelten und taktisch Reparaturen an von ihnen ruinierten Dingen vornahmen. Mit den gelegentlichen Sachschäden an diversen parkeigenen Einrichtungen hatte man ja noch einigermaßen leben können. Aber wenn jetzt womöglich sogar ein Toter auf das Konto dieses selbstherrlichen Marodeurs ging, wäre endgültig Schluss mit lustig.
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