Almas Baby. Christina Füssmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Almas Baby - Christina Füssmann страница 2

Название: Almas Baby

Автор: Christina Füssmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783942672382

isbn:

СКАЧАТЬ half ihr, den Ekel vor dem zu überwinden, was sie zu tun hatte, um Freier und Zuhälter zufriedenzustellen. Alles lief gut – dachte sie wenigstens. Bis zu jener Nacht, in der Mirko sie an den inzwischen wieder lang gewachsenen Haaren auf den Parkplatz hinter den Baumarkt schleifte.

      Dort warteten drei seiner Kumpel, die er aufgefordert hatte, das Pferdchen mal richtig zuzureiten, „damit die taube Nuss endlich begreift, wie der Laden hier zu laufen hat. Ein Huhn, das keine goldenen Eier legt, kann ich nicht brauchen.“

      Die Jungs sahen das ein und ließen sich nicht lumpen. Als sie fertig waren, urinierten sie noch auf ihr blutendes Opfer, das zusammengekrümmt vor ihnen auf dem Boden lag. In jener Nacht hatte sie sich geschworen, ihr Leben zu ändern – koste es, was es wolle.

      Sie hatte es versucht und sich verdammt viel Mühe gegeben. Zuviel Mühe, als dass alles hier in der muffigen Laube einer Nordstadt-Kleingartenanlage enden sollte. Es musste einfach irgendwie weiter gehen.

      Das Baby war endlich eingeschlafen. Sie nahm es vorsichtig hoch, ging auf die Tür zu und dann plötzlich wie im Kino: Spot an!!! Das Innere der Laube präsentierte sich in seiner ganzen Schäbigkeit im gleißenden Scheinwerferlicht. Und eine Megafon-Stimme versuchte ihr von draußen Anweisungen zu geben. So, wie jeder bisher versucht hatte ihr zu sagen, was sie zu tun und zu lassen habe. Selbst Berthold. Aber damit musste nun endgültig Schluss sein. Sie nahm das Messer vom Tisch, das sie aus Mirkos Wohnung heimlich mitgenommen hatte und tat, was sie tun musste. Dann stolperte sie mit letzter Kraft vor die Tür ins gleißende Licht und streckte dem auf sie zu stürzenden Polizisten die Arme mit dem blutbesudelten Bündel entgegen – Sekunden, bevor ihre Knie unter ihr einknickten.

      Kapitel 1

      Die alte Judith sitzt abends gern vor dem Fernseher. Raucht Kette und trinkt Rotwein. Sobald ihr Kater sich zu ihr herab lässt, streichelt sie selbstvergessen sein schwarzes Fell und freut sich über sein Schnurren. Manchmal, wenn ihr das Fernsehprogramm nicht zusagt, schiebt sie eine Kassette in den Videorekorder – mit irgendeinem alten Schinken. Aufgenommen in Nächten, in denen ihre Augen zu müde waren, um noch in die Glotze zu schauen. Oder wenn sie Angst hatte, dass die Nachbarn hätten mithören müssen, was sie nicht mithören wollten. Denn meistens war er wohl zu laut in der sonst so erschreckend stillen Wohnung – der Fernseher. Damals, als sie noch jung war, hatte die Judith Ohren wie ein Luchs. Das meinten jedenfalls die Leute. Aber im Alter nimmt eben alles ab. Sogar das Gefühl, am Leben zu sein.

      Aber seit gestern spürt sie es wieder. Seit die junge Frau von oben mit dem Baby nach Hause gekommen ist. Sie hat das Kleine weinen gehört. Ganz zart, aber deutlich. Noch auf der Treppe. Dann ging oben die Tür zu, und alles war ruhig. Ein Baby im Haus ist etwas Besonderes. Vielleicht braucht die junge Frau ja mal jemanden, der ab und zu aufpassen kann auf ihr Kind. Nur für einen Moment – wenn sie in die Bäckerei schräg gegenüber geht, um Brötchen zu holen. Dann könnte die Judith doch … Ja, das kann sie bestimmt. Nur ganz kurz, für ein paar Minuten.

      Was es wohl ist? Ein Mädchen oder ein Junge? Ein Mädchen wäre schön. Jungs sind so krabätzig, wenn sie groß werden. Aber so eine hübsche kleine Prinzessin würde bestimmt auch mal mit der Judith reden. Falls die noch am Leben ist, wenn das kleine Fräulein sprechen gelernt hat.

      In der Nacht hört sie es wieder, das leise Wimmern von oben. Schlafen kann sie nicht. Sie liegt starr auf dem Rücken in ihrem Bett und lauscht. Den Fernseher mag sie nicht einschalten. Er könnte ja stören. Was kann dem Baby nur fehlen? Vielleicht hat es Bauchweh. Das haben so kleine Würmchen schon mal. Fencheltee ist gut dagegen. Eine so junge Mutter weiß das bestimmt nicht. Morgen würde die Judith ihr ein paar Tipps geben.

      Der nächste Tag schleicht sich zunächst lichtgrau und dann hellblau ins Bewusstsein. Über Judiths Balkon ein paar Wolkenfetzen. Wie abgerissene Stücke von einem Schleier. Die frühen Sonnenstrahlen fahren mit rosigen Fingern die Hauswände entlang. Als wollten sie den Sommer an die Mauern heften. Judith gibt den Geranien vorsichtshalber etwas Wasser. In der Mittagssonne kann man nicht mehr gießen.

      Ein Marmeladenbrot, eine Tasse Tee. Kaffee tut ihrem Magen nicht mehr gut. Dabei hat sie ihn früher so gern getrunken. Früher. Das war die Zeit, in der sie auch noch am Morgen schwer aus den Federn kam. Langschläferin. Alles vorbei. Heute ist sie schon beim ersten Hahnenschrei mobil. Bei diesem Gedanken muss Judith lachen: Wo soll es denn wohl noch Hähne geben im Kreuzviertel? Mitten in der Großstadt?

      Egal. Früh ist früh, auch wenn es alten Leuten nicht so vorkommt, weil die Schmerzen in den Knochen sich zeitiger melden als die Morgensonne. Die Judith muss noch warten bis die junge Frau von oben aufgestanden ist. Es könnte vielleicht auch besser sein, erst zu ihr hinauf zu gehen, wenn ihr Mann schon bei der Arbeit wäre. Er geht stets pünktlich um 7.30 Uhr ins Stadthaus. Es sind ja nur ein paar Schritte bis zum Südwall. Gerade einmal einen halben Kilometer vielleicht.

      Vorher muss die junge Frau ihn bestimmt noch versorgen. Frühstück machen. Brote schmieren zum Mitnehmen. Das macht man doch auch heute noch, oder? Immer in der Kantine essen – das reißt ins Geld. Aber egal. Solange er im Haus ist, hat seine Frau sicher keine Zeit, sich mit alten Weibern zu unterhalten. Und das ist die Judith schließlich – ein altes Weib. Zu nicht viel mehr nütze.

      Oben schreit das Baby wieder. Judith hört den Mann die Treppe hinunter laufen – und sie bekommt mit, wie er von unten seiner Frau zuruft: „Geh mit dem Kind zum Arzt, hörst du? Das geht doch nicht so weiter.“ Und dann fällt die Haustür ins Schloss.

      Judith wartet noch eine Weile, bevor sie ihre Wohnung verlässt, um der jungen Frau von oben zu Hilfe zu eilen. Zu eilen? Lächerlich. Mühsam hält sie sich am Treppengeländer fest. Ihre alten Knochen wollen nicht mehr so recht. Arthrose. Oder Arthritis? Egal. Jedenfalls kann sie manchmal vor Schmerzen kein Auge zukriegen. Aber nicht jetzt. Nicht bei so schönem Sommerwetter.

      Unten, direkt an der Wand mit den Briefkästen ein Kinderwagen. Die Judith lächelt: Eine sympathische neue Errungenschaft, die zeigt, dass sich im Haus etwas verändert hat. Wie hoch so eine Treppe sein kann! Von unten betrachtet fast unüberwindlich. Aber was man will, das schafft man auch. Nach dieser Devise hat die Judith stets gelebt. Und es ging immer gut. Aber jetzt! Mühsam hangelt sie sich hoch. Stufe um Stufe. Wenn ihr die Luft ausgeht, bleibt sie stehen und verschnauft. Die Kacheln an den Wänden des alten Treppenhauses haben feine Risse. Im schwarzen Abschlussfries auf halber Höhe zur Decke gibt es sogar regelrechte Kerben. Darüber die kahle Wand – schmutziges Weiß. Könnte einen neuen Anstrich gebrauchen, der Flur. Der Judith kommt es vor, als sei sie schon fast eine halbe Stunde unterwegs. Aber das ist natürlich Unsinn. Es dauert schon etwas, wenn man sich mühsam am Treppengeländer hochziehen muss. Stufe für Stufe.

      Endlich oben. Noch ein paar Mal tief Luft holen und dann klingeln. Aber das muss die Judith erst gar nicht. Kaum hat sie die Tür erreicht hat, wird die auch schon aufgerissen. Die junge Frau stürmt heraus. Das Baby im linken Arm fest an sich gedrückt.

      „Bitte, ich möchte …“, sagt die Judith. Streckt die Hand aus – und dann spürt sie nur noch einen harten Stoß vor die Brust. Sie stürzt nach hinten. Die Treppe hinunter. Hilflos greifen ihre Hände in die Luft. Ins Leere. Da ist nichts, um sich daran festzuhalten. Ihr Kopf schlägt gegen die Stufen – bumm, bumm und noch einmal bumm. Ein hässliches Geräusch. Aber das hört die Judith nicht mehr. Auch nicht den kleinen, erschrockenen Schrei, der von der jungen Frau kommt. Judiths schlaffer Körper kugelt nach unten. Haltlos. Mit verrenkten Gliedern bleibt er am Fuß der Treppe auf den schwarz-weißen Steinfliesen vor ihrer Parterre-Wohnung liegen.

      Dort findet Berthold Behrend am späten Nachmittag nach Dienstschluss die leblose Gestalt. Äußerlich scheint sie nicht verletzt, aber ein Griff an die Halsschlagader sagt ihm: Er hat einen Leichnam vor sich – kalt und starr. Er stürmt nach oben. Dort steht seine Korridortür sperrangelweit auf. Keine Spur von Frau und СКАЧАТЬ