Dann mal ab nach Paris. Hubert Becker
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Название: Dann mal ab nach Paris

Автор: Hubert Becker

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lindemanns

isbn: 9783963081224

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СКАЧАТЬ selbst in der eigenen Wohnung und ich krieg Schnappatmung. Ich ersticke und wundere mich, dass ich noch lebe, wenn die Tür wieder auf ist.

      Hildegard ist bei ihrer Freundin und das kann dauern. Vorsichtig, mich immer wieder umschauend, schleiche ich mich nach Hause. Aus einer Schublade im Flur nehme ich meine Brieftasche mit Geld, Kredit- und Scheckkarte. Hastig schreibe ich einen Zettel und lege ihn auf den Wohnzimmertisch:

      „Liebe Hildegard,

      wir lieben uns und Du weißt, dass ich nichts getan habe. Bitte halte zu mir. Ich kann es nicht ertragen, eingesperrt zu werden, was bestimmt passieren würde, weil alles auf mich schließen lässt. Ich vermisse Dich schon jetzt, aber ich muss weg. Es tut weh, aber es geht nicht anders. Versuche nicht, mich anzurufen, ich lasse mein Handy ausgeschaltet, damit man mich nicht orten kann. Vertraue mir, ich melde mich, irgendwie!

      In Liebe, Dein Manni.“

      Hose, zwei Hemden, Unterwäsche, T-Shirt und Zahnputzzeug.

      Das muss fürs Erste reichen! Ich packe alles in meinen feuerro-ten Rucksack und schleiche mich aus dem Haus. Feuerrot, der Rucksack, auffälliger geht’s wohl nicht. Aber was anderes finde ich auf die Schnelle nicht. Meine braune Jacke, die an der Garderobe im Flur hängt, werfe ich darüber, um das Rot etwas zu bedecken. Wer kam wohl auf die Schnapsidee, für mich einen roten Rucksack zu kaufen? Ja, ich weiß, ich war’s ... Rot ist halt meine Lieblingsfarbe. Vielleicht kommt das daher, dass ich als Jungspund eine Vorliebe fürs Rotlichtmilieu hatte, rein informatorisch, wohlgemerkt!

      Flucht

      Weg jetzt, ich weiß nicht wohin, nur weg von hier und möglichst viele Kilometer zwischen mir und diesem schrecklichen Ort.

      Laufen, so schnell wie’s geht? Keine gute Idee, damit falle ich erst recht auf. Ich zwinge mich, langsam zu gehen, ich bin ja auf einem gemütlichen Spaziergang, nicht wahr?

      Der Nachbar, der mich vorhin gesehen hat, glotzt mit stierem Blick aus dem Fenster und scheint mich gar nicht zu sehen. Aber der hat mich garantiert registriert! Weiß der schon was und ruft jetzt die Polizei an?

      „Hey Manfred, wohin des Wegs?“ Kurt, ein Schulfreund, kommt mir entgegen und grinst mich mit dreckigem Gesichtsausdruck an. Ich kann ihn schon lange nicht mehr ausstehen, seitdem er mir mal eine Freundin ausgespannt hat. Mir, der ich mich immer für den größten Frauenversteher gehalten habe!

      „Immer der Nase lang, Kurt, wohin die Sehnsucht mich treibt.“ Und nichts wie weg, bloß nicht zu schnell!

      Missglückter Versuch, cool zu wirken. Der wird sich seinen Teil denken, besonders wenn er erfährt, was los ist.

      „Blödmann!“ höre ich ihn noch hinterherrufen. Seit Ewigkeiten nicht gesehen, aber ausgerechnet jetzt um diese Zeit.

      Ja, wohin treibt mich eigentlich die Sehnsucht oder besser gesagt die Verzweiflung? In mir reift ein Gedanke, ein Gedanke, der sicherlich bald Hildegard auch umtreiben wird. Wohin werde ich wohl gehen, wenn ich glaube, untertauchen zu müssen? Tausendmal im Scherz mit ihr besprochen. Dorthin, wo alles so groß und anonym ist, dass niemand von mir Notiz nimmt. Nach Paris. In eine Stadt, die tatsächlich für mich ein Sehnsuchtsort ist und wo ich mich noch dazu auskenne.

      Geld am Automat meiner Bank abzuheben, traue ich mich nicht. Alles zu nahe am Geschehen. Ich entschließe mich, die sechs Kilometer nach Lampertheim zu Fuß zu gehen. Also los und „immer an der Wand lang“, wie es in einem alten Lied heißt.

      Es ist inzwischen stockdunkel; das kommt mir sehr entgegen.

      Die Luft wird mir eng, mein linkes Auge zuckt, wie immer, wenn ich aufgeregt bin, und ich spüre, wie mir Schweißperlen über’s Gesicht rinnen.

      Nein, das alles strengt mich eigentlich nicht an, ich bin gut durchtrainiert, schaue mir sämtliche Sportsendungen im Fern-sehen an. Das ist Angstschweiß. Auf Feldwegen gibt es gewöhnlich keine Beleuchtung. Plötzlich höre ich in absoluter Dunkelheit aufgeregtes Grunzen unmittelbar vor mir. Ich weiß, dass es hier Wildschweine gibt, und die Viecher sind alles andere als handzahme Kuscheltiere.

      Cool bleiben, raune ich mir zu. Ich versuche ein langsames Schlendern. Jetzt bloß nicht rennen, die Biester sind bestimmt schneller als ich. Der schwarze Schatten vor mir wird größer und da steht er vor mir: ein kapitaler Keiler. Ich glaube ein mordlüsternes Funkeln in seinen Augen zu sehen.

      „Glaub mir“, versuche ich das Tier zu beruhigen, „ich hab noch nie Wildschweinbraten gegesse und ich werd’s auch nie tun.“

      Versteht der mich überhaupt? Ich rede Mannemer Dialekt!

      Ein verhaltenes Grunzen, das ich nur als zufrieden bezeichnen kann, dann macht sich das Untier aus dem Staub. Aha, doch ver-standen! Beruhigt setzte ich meinen Nachtspaziergang fort.

      Mehrmals hinzufallen, weil ich über irgendeine Wurzel oder sonst was stolpere, geschenkt! Vor mir sehe ich jetzt ein Licht auf mich zukommen. Heiliger Strohsack, was ist das jetzt? Die Polizei? Haben die mich geortet? Ich hab doch mein Handy ausgeschaltet!

      Das Licht kommt näher und rauscht auch schon mit einem freundlichen „Guten Abend“ vorbei. Ein Jogger. Muss der ein Rad abhaben: Ich sehe einen nackten Hintern in der Nacht verschwinden. Mannomann, das ist nicht nur ein Nacht-, sondern ein Nacktjogger. Der ist doch sicher aus irgendeiner Psychiatrie entlaufen. Gut, dass ich den Kerl von vorne nicht richtig gesehen habe; der Anblick eins baumelnden Gemächts nachts auf dem Feld hätte mich sicher aus der Fassung gebracht.

      Fassung? Hab ich überhaupt noch eine angesichts der Umstände, in denen ich mich befinde?

      Da tauchen die ersten Lichter von Lampertheim auf.

      Bin ich außer Atem nach dieser langen Nachtwanderung? Nö, bin ich komischerweise nicht. Hab wohl einen gewaltigen Adrenalinüberschuss im Blut. Kein Wunder, ich bin abgehauen, weil ich vermutlich unter Mordverdacht stehe, obwohl ich so unschuldig bin wie die Jungfrau Maria. Ich habe deshalb meine Frau verlassen, ohne mich zu verabschieden und bin auf der Flucht nach Paris, obwohl ich nicht weiß, ob ich dort jemals ankommen werde.

      War wohl eine Scheißidee das Ganze. Aber ich war noch nie einer, der auf halbem Weg stehen bleibt. Wenn ich aufgeben wollte, hab ich mich selbst in den Arsch getreten. Symbolisch natürlich, so gelenkig bin ich nicht mehr. Hat mir ja schon meine Frau vorgeworfen, beim Sex!

      Ja, jetzt bin ich also in Lampertheim. Da werden Erinnerungen wach. Ich setze mich auf die Treppe vor einem Hotel und hänge wehmütig meinen Gedanken nach.

      Alte Zeiten – Ingrid

      Die „Stadt meiner Väter“, so habe ich die „Spargelstadt Lampertheim“ als Fünfzehnjähriger genannt. Ein Blödsinn eigentlich. Ich habe nur einen Vater und der stammt aus Sandhofen. Gott, oder wer auch immer, hab ihn selig! Aber dieses Städtchen habe ich damals geliebt, ich war mehrmals in der Woche dort. Warum wohl? Na, ich habe nicht nur diesen Ort geliebt, sondern auch ein Mädchen, Ingrid, hübsch, ein wenig pummelig, mit allem versehen, was man als junger, pubertierender Kerl, kaum trocken hinter den Ohren, braucht. Wehmütig denke ich an unsere ersten zaghaften Küsse und dann das ausgiebige Petting in der letzten Reihe des Kinos zurück.

      Und plötzlich fühle ich wieder diesen Schmerz um mein linkes Auge. Mir fällt dieser stadtbekannte Schläger ein, der mir damals auf eben dieses Auge gehauen hat. Ich sehe die Situation, die seit 45 Jahren in meinem Hinterkopf schlummert, glasklar vor mir: Zu dritt sind diese Arschlöcher, zwei halten mich fest und der Obermotz haut mir mit СКАЧАТЬ