Название: Rotzverdammi!
Автор: Reiner Hänsch
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783862870523
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Und dann bellt Schutzmann noch einmal und Onkel Willi gibt mir die Hand. Scheißegal. Ich sehe die Hühner- oder Hundekacke an seinen Fingern, aber ich greife trotzdem beherzt zu. Ist ja schließlich Onkel Willi. Und dann umarme ich ihn auch noch mal. Wenn schon, denn schon. Er bleibt etwas steif dabei und grinst verlegen. Schutzmann kommt vorsichtig näher, beschnüffelt mich und wedelt mit dem Schwanz.
„Heißt der wirklich Schutzmann?“, frage ich Onkel Willi.
„Jou. Sskhutzmann.“
Der Hund spitzt die Ohren.
Dann traue ich mich noch, den braunen Riesen anzufassen, allerdings möglichst ohne seinen Sabber an die Hose zu bekommen, und er erhöht sofort seine Schwanzwedelfrequenz. Guter Hund.
So. Jetzt aber. Scheibe hoch, Gang rein, wohin mit der Kacke …? Fußmatte! Und los. Der Porsche faucht geschmeidig und legt sich schwer ins Zeug. Die Hühner sitzen inzwischen alle auf einer Stange in so einer Art Hühnertreff-Gemeinschaftsbaracke auf dem Hof, die wahrscheinlich Onkel Willi höchstpersönlich gezimmert hat.
Kopfschüttelnd und breit grinsend versuche ich, mich auf die Straße zu konzentrieren, um endlich, endlich anzukommen. Weit kann es jetzt nicht mehr sein.
Onkel Willi. Phh. Das gibt’s doch nicht. Na, der hat sich aber gefreut über mich. Mmh. Und schon fällt mir ein alter, netter Reim ein.
Ein Bauer stand im Sauerland
und dachte drüber nach,
dass Hühner auffe Stange sitzen,
Tauben auf’m Dach.
Inzwischen in sein’ Hühnerstall,
da tobt der Fuchs ganz munter
und holt de Hühner nach und nach
von ihrer Stange runter.
2
Bütterkes mit Sskhinken
„In mümpfundert Mepern mechts abmiegen“, verkündet die freundliche Frauenstimme meines Navigationsgerätes, die ich aber leider kaum verstehen kann. Denn weil so ein Gerät ja eigentlich nicht in so ein altes Auto gehört, habe ich es tief ins Handschuhfach verbannt, damit es auch ja keiner sieht. Bloß nichts Modernes in meinem Klassiker! Alles stilecht. Das muss schon sein. Leider hört man das nützliche Gerät dann aber auch nicht so gut und die schöne Stimme ist viel zu dumpf, so, als würde man der guten Frau beim Sprechen den Mund zuhalten oder vielleicht hat man sie auch enführt und geknebelt.
Da bin ich also wahrscheinlich die ganzen letzten zwei Stunden irgendwie in einer Art Autofahrertrance gewesen, immer den Blick an den sich ständig windenden, hypnotisierenden Mittel-streifen geklebt, bis diese Hühnerscheiße hier mich wieder ins Leben zurückgeholt hat. Aber trotzdem bin ich in diesem Zustand über endlose Sträßchen und Kurven, Hügel, Berge und Täler wohl doch ganz in die Nähe meines gewünschten Zieles gekommen. Jedenfalls sieht es ganz danach aus. Und ich hab sogar jemanden aus meinem früheren Leben getroffen.
Der Himmel sieht nicht so ganz echt aus. Die Sonne scheint zwar noch, aber am Horizont nähern sich bedrohlich dicke, schwarze Wolken und ein kühler, leichter Wind kommt auf. Ich glaube, dass es bald ganz furchtbar zu regnen, zu gewittern, zu unwettern, nein, zu plästern oder schütten, wie man hier sagt, anfangen wird.
„Schütten“ übrigens immer ohne die Ts aussprechen. Sauerländisch. Da müssen Sie unbedingt drauf achten. „Schü’en“, sagt man hier. Und statt „Kotelett“ sagt man zum Beispiel „Ko’le’“. „Scho’land“, „Ko’en“ (Kotten) und so weiter.
So ist das eben im Sauerland. Normal. Machen Sie sich nix draus.
Meine Güte, wie lange war ich eigentlich wirklich nicht mehr hier?, denke ich, als der Porsche wieder alleiniger, zufriedener Chef einer Straße ohne Hühner ist und jetzt ordentlich Tempo macht – ich hab’s ja echt eilig. In zwanzig Minuten soll es schon losgehen mit der Trauerfeier.
Zehn, zwölf Jahre ist es bestimmt her. Ja, zu Vaters Beerdigung, wahrscheinlich. Und Onkel Willi habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen. Ich hatte ihn, ehrlich gesagt, eigentlich total vergessen. Den lustigen Onkel Willi, immer die Taschen voller Klümpkes für uns Kinder.
Und war ich sonst mal wieder hier, seitdem ich nicht mehr hier bin? Also, seitdem ich damals quasi Hals über Kopf hier abgehauen bin? Naja, ist lange her. Und es gibt da ein paar Leute, die sicher immer noch hier wohnen und möglicherweise nicht besonders scharf drauf sind, mich noch mal zu treffen. Es sei denn, um mir vielleicht eine reinzuhauen. Hoffentlich ist es lange genug her … und vielleicht hauen sie ja nicht so feste. Aber dann hätte ich es wenigstens endlich hinter mir. Ich erzähle Ihnen gleich noch mehr davon.
Eigentlich hat mich auch nichts wieder hierhingezogen. Ich war immer ziemlich froh, aus dem ganzen Misthaufen-Milieu endlich rausgekommen zu sein. Düsseldorf. Ja. Das war schon was ganz Anderes. Die feine, große Welt ohne Misthaufen, Gülle und ewige Kirchenglocken. Doch Mutter wollte ich natürlich schon mal ab und zu besuchen und hatte es ihr auch immer wieder versprochen. Und ich hatte es auch wirklich vor. Ja. Bestimmt. Und so weit war es ja nun auch nicht vom feinen Dorf an der Düssel bis hierhin in dieses sauerländische Outback. Aber irgendwie hat es doch nie geklappt. Hat nich’ sollen sein!
„Dat is mir doch ’n chanz dummen Spruch, Heinz-Nobbät“, sagt das Sauerland da zu mir und ich glaube, es hat recht. „Du hast doch in dein’ Düsseldorfer Luxusleben char nich an mich chedacht.“
Ja, kann sein, liebes Sauerland. Wahrscheinlich hast du sogar recht.
Zwei- oder dreimal hatte mein Bruder Bernd und sein wuchtiges und überaus patentes, liebenswürdiges Vollweib Sabine, die beide zusammen mit Mutter in ihrem, also, unserem alten Haus in Schwattmecke leben, sie zu mir nach Düsseldorf geschleift, „damit we uns nich so chanz ausse Augen verlier’n”.
Aber gerne hat Mutter das nicht mitgemacht.
„Da kannze ein’ drauf lassen! Düsseldorf, dat is nix für mich“, hatte Mutter sich immer beklagt und war immer heilfroh, schnell wieder wegzukommen. Und wenn ich ehrlich bin, dann war ich das eigentlich auch. Denn Mutter brachte immer eine gewisse Instabilität in mein schönes, feines Düsseldorfer Überholspur-Leben.
Wie Mutter einmal im „Bugatti’s“, dem angesagtesten Ess- und Trefftempel der Düsseldorfer Werbeszene, der meinem guten Freund Hugo gehört, die Scampis in hohem Bogen wieder ausgespuckt und dem Ober hinterhergerufen hat, solche „eckeligen Würmer würd’ man in Schwattmecke noch nich ma an de Schweine verfüttern“, das war in dieser Umgebung unterhaltsam, befremdlich und schockierend zugleich. Und als sie dann noch lauthals „Bütterkes mit Ssckinken“ bestellt hatte, „aber zack, zack, Herr Oberst!“, sind wir dann auch nicht mehr so lange geblieben. Naja, ich hatte den Laden ja selbst vorgeschlagen. Und die Scampis auch. Blöd von mir. Das musste ja schiefgehen.
Mutter Hilde war eben durch und durch Sauerländerin und da gehörte sie auch hin – nach Schwattmecke.
Schwattmecke, Schwattmecke,
dat is’ nich umme Ecke,
dat is’ im schönen Sauerland,
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