Noch mehr Fußball!. Jürgen Roth
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Название: Noch mehr Fußball!

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783941895461

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СКАЧАТЬ Meyer behauptet, Übungen mit Gummibändern et cetera seien bei Carl Zeiss Jena schon 1969 gemacht worden. Und im gleichen Atemzug hat er gesagt: »Ich habe mal ein Lehrbuch von Reichstrainer Otto Nerz gelesen, Jahrgang 1936. Fast alles, was da drin stand, stimmt heute noch.« Was sagt ihr jetzt?

      Greser: Vielleicht ist Hans Meyer auch überschätzt.

      Lenz: Zumindest hat er zur Attraktivität der Pressekonferenzen beigetragen. Er ist einigen Reportern intellektuell und verbal weit überlegen. Es macht einfach Spaß, dem Mann zuzuhören.

      Greser: Es ist Teil seines Images, daß er sich als Fundamentaloppositionist gegen irgendwelche Zeitgeistreden stellt.

      Lenz: Er bestätigt nicht gern, was ihm die Reporter in den Mund legen wollen.

      Greser: Er ist ein Grunddialektiker, der sich sträubt, Vorgaben zu erfüllen, und erst mal die Antithese formuliert.

      Ein Hegelianer des Fußballs?

      Greser: Das macht ihn so sympathisch.

      Er hat des öfteren geäußert, daß er die grauenhafte Fußballphraseologie verabscheut und deshalb Sprüche klopft, die, wie er selber sagt, mitunter noch dämlicher sind als die Fragen, die ihm gestellt werden.

      Lenz: Das stimmt.

      Greser: Das Gerede ist ja oft unerträglich. Es wird sich aber nicht ändern.

      Es wird immer schlimmer. In dem Maße, in dem der Fußball verwissenschaftlicht wird, wird die Fußballsprache immer dusseliger.

      Lenz: Es gibt wirklich dumme Leut’ mit unglaublich dummen Fragen, auch bei Premiere. »Wie fühlen Sie sich?« – direkt nach dem Sieg im Pokalfinale!

      Miserabel.

      Greser: Obwohl ich zu Premiere anmerken muß, daß da einige jüngere Leute agieren, die mit Sachverstand brillieren, die bei der Sache bleiben und nicht das, was sie sich in Homestorys an nichtigen Boulevardinformationen angelesen haben, loswerden wollen. Die sind fix genug, eine Spielentwicklung zu erkennen und zu beschreiben. Da besteht also doch Anlaß zur Hoffnung. Und vor fünfundzwanzig Jahren, muß man sagen, war es auch nicht viel besser. Einen Eberhard Stanjek würde man heute auch nicht mehr ertragen.

      Ich erlaube mir einen Schwenk zum Weltfußball. Bernd Schuster, der neue Trainer von Real Madrid, verbietet den Spielern jetzt auf Reisen das Tragen von Kopfhörern und das Hantieren mit Chipstüten.

      Lenz: Aus welchem Grund?

      Er will die Disziplin verbessern. Ist das der richtige Weg, um Real Madrid wieder an die europäische Spitze zu führen – keine Chips und keine Kopfhörer?

      Greser: Tja. Wenn sie nach der Saison zwei, drei Pokale in Händen halten …

      Lenz: So erfolglos waren die doch gar nicht. Real ist Meister geworden.

      Greser: Es ist wahrscheinlich in jedem mittelständischen Betrieb so. Wenn ein neuer Produktionsleiter kommt, dann …

      Lenz: … wechselt der erst mal die Biermarke aus.

      Greser: Dann werden die Eisenspäne ordentlich weggefegt. So macht’s auch der Schuster, um sich als zurechnungsfähiger neuer Mann zu präsentieren. Er muß ja hochselbstbewußte Menschen führen, die alle mehr verdienen als er. Das größte Problem ist wohl, den Sauhaufen beieinanderzuhalten. Hat sich nicht sein Vorgänger, der Capello, zum Grundsatz gemacht, einen Euro mehr verdienen zu müssen als der teuerste Spieler? Fand ich gut.

      Dann wird Bernd Schuster ordentlich verdienen, denn Real will Kaká für hundertvier Millionen Euro vom AC Mailand holen und ihm ein Jahresgehalt von dreizehn Millionen zahlen. Über solche Summen muß man nicht den Kopf schütteln, oder?

      Greser: Wer weigert sich, ins Kino zu gehen, wenn er erfährt, daß …

      Lenz: … Tom Cruise …

      Greser: … genau, daß mittelmäßige Kameraden wie Tom Cruise für einen Film zwanzig Millionen kriegen? Was soll denn das?! Der Gladiator, der den Löwen erwürgt hat, hat auch mehr gekriegt als derjenige, der einen nicht satisfaktionsfähigen Gegner, einen halbverhungerten Christen niedergerungen hat. Das ist doch eigentlich gerecht – in gewisser Weise.

      In gewisser Weise gewiß. Warum aber ist Sepp Blatter für euch nicht satisfaktionsfähig? Er taucht auf keinem eurer vielen Fußballblätter auf.

      Greser: Weil es bloß so ein Geraune um ihn herum gibt, er leite eine hochkorrupte Organisation, die sich zum Geldscheffelbetrieb umfunktioniert hat und öffentlich nur in Erscheinung tritt bei karitativen Angelegenheiten, mit deren Hilfe auch jeder Altölstinkebetrieb sein Image zu retten versucht. Inwieweit bei der FIFA wirklich der Wurm drin ist, weiß man aber eigentlich nicht. Hier beim TuS Leider, einem Bezirksligisten, hat der Schiri mal eine fragwürdige Entscheidung getroffen, und da ist einer der Vorstandskollegen auf den Platz gerannt und hat den Schiedsrichter von hinten so gestumpt, daß er umgefallen ist. Da mußte ich so lachen! Das hat mich so gefreut, daß da einer jede mittlerweile auf dem Fußballplatz geforderte Korrektheit hat fahrenlassen und sich im Dienste und Sinne des Vereins sehr weit aus dem Fenster gelehnt hat. Das Spiel wurde abgebrochen und für den Gegner gewertet, samt saftiger Geldstrafe, aber der Mann ist vom Verein geschützt worden, und das fand ich eine gute Art von Verhalten für einen Fußballverwaltungsverantwortlichen.

      Fußball wird dann komisch, wenn sich die Leute inkorrekt verhalten?

      Greser: Ja. Aber es wird den Leuten sukzessive ausgetrieben. In England ist das schon sehr weit vorangeschritten. Die Geldsummen, die in England für Spieler eingesetzt werden, haben zur Folge, daß die Ticketpreise zwecks Refinanzierung bizarr hoch sind, mit dem Nebeneffekt, daß ein einfacher Kuttenträger, der sein Leben über Jahrzehnte dem Verein geopfert hat, sich das nicht mehr leisten kann. Und tendenziell merkt man das auch in den neuen Super-WM-Arenen. Im Eintracht-Stadion saß vor mir ein Pärchen, das eher den unteren gesellschaftlichen Schichten anzugehören schien. Die haben so verloren gewirkt in diesem Rund. Solche Fans sind beim Bau der neuen Stadien nicht mehr berücksichtigt worden. Wie sollen die sich wehren gegen diese Entwicklung?

      Lenz: Die dienen noch als Geräuschkulisse. Dafür braucht man sie noch. Sonst wären die längst rausgekickt und weitere VIP-Lounges gebaut worden. Übrigens fällt mir auf, daß sich der Fußball unheimlich ernst nimmt. Wir haben mal ein lustiges Fernsehinterview gegeben, nach dem hat sich Uli Hoeneß wahnsinnig aufgeregt. Die haben regelrecht Angst, daß ihr riesiger Wirtschaftsbetrieb nicht richtig ernst genommen wird. Das ist alles ein unglaublicher Quatsch. Diese furchtbar ernsten sonntäglichen Fernsehdiskussionsrunden zum Beispiel – was für ein Blödsinn!

      Greser: Aber es ist auch ein Abbild der Gesellschaft, insofern alles unter so einer Korrektheitsdunstglocke gehalten wird. Die Geschäfte müssen halt laufen. Die Menschen sind ja mittlerweile auch bereit, dieses Argument zu fressen und sich hochflexibel zu zeigen, wenn es darum geht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und so weiter. Die nehmen ja jede Last auf sich, um an dem Betrieb des großen Geldflusses teilzuhaben. Witz und Ironie – Hoeneß ist diesbezüglich uns gegenüber mehrfach aufgefallen – stören die Ruhe, das Image muß sauber und rein bleiben.

      Der Verlust der Ironiefähigkeit auf allen Ebenen – bei den Spielern, den Funktionären und so fort – ist ein Zeichen dafür, wie weit die Ökonomisierung des Fußballs fortgeschritten ist?

      Lenz: Ganz sicher.

      Greser: Jede Form СКАЧАТЬ