In seinem mörderischen Element. Gerwalt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу In seinem mörderischen Element - Gerwalt страница 3

Название: In seinem mörderischen Element

Автор: Gerwalt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783944145518

isbn:

СКАЧАТЬ dachte sie, habe ich das hier wirklich gewollt?

      Gerd Wolter von der Sportredaktion saß ihr schräg gegenüber und nickte ihr zu. Gerd war ein Fossil, er hatte allerhöchstens noch fünf Jahre, bevor er in den Ruhestand gehen würde. An seinem dicken Fell prallte alles ab, was sich in der Redaktion täglich entlud.

      Michael Hammerbacher, der das Wirtschaftsressort betreute, war ebenfalls bereits da, sah aber – farblos wie immer – konzentriert auf seinen Schirm und schien seine Umgebung nicht wahrzunehmen. Naomi hatte in den ganzen drei Jahren, in denen sie schon bei der Zeitung arbeitete, kaum mehr als ein paar Sätze mit ihm gesprochen.

      Karl Marquard vom Politikressort war krank gemeldet, eine Magen- und Darmgeschichte. Vielleicht war Michael auch so wortkarg, weil er Karl nun vertreten musste.

      Timo Hesselbach, der »Star-Reporter«, wie ihn Naomi insgeheim nannte, glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Timo war schon der Kronprinz gewesen, als Naomi ihre Stelle angetreten hatte, und im Lauf der Jahre hatte er diese Stellung noch weiter ausgebaut. Etwas jünger als sie, war Timo immer in lässigem Chic gekleidet, und er entsprach dem Bild des eifrigen, tüchtigen Enthüllungsjournalisten so sehr, dass Naomi sich wunderte, wie der zynische, erfahrene Chefredakteur Gunnar Kempf ihm diese Rolle so offensichtlich kritiklos abnehmen konnte. Timo würde erst kurz vor Beginn der Redaktionskonferenz erscheinen, wieder ganz offensichtlich gefesselt von irgendwelchen unglaublich spannenden Enthüllungen, welche wie immer pulitzerpreisverdächtig sein würden, zumindest nach Darstellung des hoffnungsvollen Nachwuchsjournalisten. Gunnar Kempf, der die Redaktion mit eiserner Faust regierte und die frühmorgendliche Anwesenheit seiner Mitarbeiter normalerweise einforderte, würde bei seinem Günstling wieder einmal ein Auge zudrücken.

      Naomi schnaubte leise. Sie selbst war in die Kultur-und-Feuilleton-Ecke gerutscht. Möglicherweise, weil sie neben Louisa Tremalzo die einzige Frau in der Redaktion war. Louisa war eine junge, pummelige Italienerin und betreute die Anzeigensparte, fröhlich, nett und hilfsbereit, und sie wurde von den männlichen Kollegen natürlich in keiner Weise als gleichwertig betrachtet. Naomi hätte Louisa gerne mehr unterstützt, anfänglich hatte sie das auch getan, doch dann hatte sie erkannt, dass sie selbst unmerklich ebenfalls aus dem Kollegenkreis ausgegrenzt wurde. So hatte sie aus reinem Selbstschutz auf eine weibliche Allianz verzichtet und beschränkte sich nur noch darauf, zu grobe Übergriffe auf Louisa zu unterbinden. Zumal die junge Italienerin längst nicht in dem Maß wie sie selbst unter der herablassenden Behandlung der Kollegen zu leiden schien, im Gegenteil, sie nahm das alles mit fröhlicher Gelassenheit hin.

      Naomi seufzte. Als sie nach Stuttgart gekommen war, schien doch alles so positiv zu sein, eine kleine, aber aufstrebende und niveauvolle Tageszeitung, in die sie sich einbringen könnte, dazu ein erfahrener Chefredakteur mit einem in der Branche durchaus klingenden Namen. Nach wie vor hielt Naomi sich für eine fähige Reporterin, doch es war nicht abzuleugnen, dass sie inzwischen selbst bei dieser kleinen Redaktion ins zweite Glied gerutscht war – warum, das wusste sie eigentlich nicht so genau. Und auch »Stuttgart aktuell« hatte sich bei näherem Hinsehen nicht als das entpuppt, was Naomi sich vorgestellt hatte.

      Früher oder später würde sie sich entscheiden müssen, ob sie sich eine andere Arbeitsstelle suchen sollte oder ob sie sich damit abfand, irgendwie hier zu leben und einen gleichförmigen Job ohne große Höhepunkte oder Perspektiven zu machen. Die Bezahlung bei »Stuttgart aktuell« war eigentlich nicht schlecht, auch wenn viel von dem eigentlich guten Gehalt durch die hohen Lebenshaltungskosten in Stuttgart wieder aufgefressen wurde.

      Naomi schüttelte die im Augenblick müßigen Grundsatzgedanken ab und vertiefte sich in die Post. Um zehn Uhr war die Redaktionskonferenz; bis dahin musste sie das Material gesichtet haben.

      »Was haben wir heute?« Gunnar sah sie reihum an. Er hatte eine Stirnglatze, halblange und ungepflegt wirkende Haare und eine Lesebrille, die er auf der Nasenspitze trug, um bedeutungsvoll über sie hinwegsehen zu können.

      In gewisser Weise ist er genauso ein lebendig gewordenes Klischee wie sein Jünger Timo, dachte Naomi. Bestärkt wurde dieser Eindruck durch Gunnars unsägliche schwarze Weste, die er täglich trug, ebenso durch die Tatsache, dass er bei ihren Sitzungen permanent rauchte, was sie durchaus störte. Da Gunnar aber ohne weiteres sehr unangenehm zu seinen Mitarbeitern werden konnte, hütete sich Naomi, ihren Unwillen allzu deutlich zu zeigen. Heute kam noch hinzu, dass Timo nicht einmal zur Redaktionssitzung erschienen war, ein Fakt, der Gunnar sichtlich reizte, den er aber auf gar keinen Fall mit seinen Untergebenen diskutieren würde. In angespannter Stimmung gingen sie die Themen des Tages durch; es war alles in allem nichts wirklich Spektakuläres dabei.

      »Was ist eigentlich mit diesem badisch-elsässischen Frauenmörder?«, fragte Gunnar schließlich. »Ist der immer noch auf freiem Fuß?«

      Timo hatte nach dem ersten Mord und auch nach den weiteren jeweils einen Artikel geschrieben, aber die Suche nach dem Mörder schien sich schwierig zu gestalten, und nun waren auch schon mehrere Monate ohne weitere Morde verstrichen.

      »Der Pamina-Mörder? Der wurde tatsächlich noch nicht gefasst.«

      Da weder Gerd noch Michael reagierten, übernahm es Naomi, die eher rhetorisch gemeinte Frage zu beantworten. Es war wohl ausgeschlossen, dass Gunnar nicht wusste, dass der Mörder noch sein Unwesen trieb.

      »Ach, heißt der jetzt so?«, sagte Gunnar mürrisch.

      »Pamina ist die Bezeichnung des Grenzgebietes zwischen Pfalz, Baden und dem Elsass«, antwortete Naomi so beiläufig als möglich, denn Gunnar mochte es nicht, wenn seine Angestellten ihr Wissen zu deutlich zur Schau stellten.

      »Palatinat, Mittlerer Oberrhein und Nord-›Alsace‹, also Nordelsass. Steht so im Internet«, fügte sie hinzu.

      »Was könnten wir denn als Aufhänger nehmen, um jetzt noch mal einen Artikel über den Frauenmörder zu schreiben?«, fuhr Gunnar fort, ohne auf ihren letzten Satz einzugehen. »… solange er nicht gefasst ist oder einen weiteren Mord begeht?«

      »Ich könnte einen Hintergrundbericht schreiben. Die bisherigen Schauplätze aufsuchen, Systematiken darstellen.«

      Naomi hatte eigentlich nicht vorgehabt, diesen Vorschlag zu machen.

      »Du? Seit wann fällt Frauenmord in das Kulturressort?«

      Gunnars Erstaunen wirkte eine Spur zu geheuchelt, als dass es glaubwürdig gewesen wäre.

      »Ich muss ja nicht im Kulturressort alt werden, nur weil ich eine Frau bin«, sagte Naomi bissiger, als sie eigentlich gewollt hatte.

      »Ich weiß nicht … Ob sich der ganze Aufwand lohnt? Du müsstest ja jeden Tag hin- und herfahren. Oder sogar ein Zimmer dort nehmen.«

      Gunnar wiegte den Kopf bedenklich hin und her.

      Naomi hatte mit einem Mal die Nase voll von dieser Redaktion.

      Gunnar war dick geworden in der letzten Zeit, dick und überheblich. Der anfängliche Respekt, den sie vor ihm empfunden hatte, war verloren gegangen, inzwischen fürchtete sie nur noch seine Tadel und seine oft nörgelnden Angriffe – und seine gerade in ihrem Fall an den Tag gelegte Sparsamkeit provozierte sie. Bei Timo war er immer wesentlich großzügiger, was Spesen und Ausgaben anging.

      »Ich habe noch den ganzen Jahresurlaub. Ich nehme jetzt einfach zwei Wochen frei. Und die 50 Euro pro Tag für ein Zimmer kann ich mir gerade noch selbst leisten. Du kannst mir den Artikel dann ja abkaufen, wenn er fertig ist.«

      Sie war jetzt ernsthaft böse. Gunnar hingegen schien eher СКАЧАТЬ