Die zwölf Sinne des Menschen. Karl König
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Название: Die zwölf Sinne des Menschen

Автор: Karl König

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия: Karl König Werkausgabe

isbn: 9783772545085

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СКАЧАТЬ ihnen werden Geruchssinn, Geschmackssinn, Sehsinn und Wärmesinn gerechnet. Hier weist König darauf hin, dass es sich bei den in-Welt-bezogenen «unteren» Sinnen um bloße Empfindungen handelt, während die Umwelt in unterschiedlichen Modalitäten als Erfahrungen vermittelt werden. Es wird, mit den Worten Karl Königs, «ein anderer ‹Leib›, der Leib der uns umgebenden Welt» wahrgenommen, was bedeutet, «dass unser eigener Leib in einem größeren, weiteren und schöneren Leib lebt, der ihn umgibt». Worauf König ebenfalls hinweist ist, dass die Wahrnehmung dieser Umwelt-bezogenen Sinne in dem Sinne «individuelle Erfahrungen» sind, dass wir sie mit keinem anderen Menschen teilen, wir sie ganz für uns haben. Zugleich wird aber verdeutlicht, dass wir «die Wahrnehmungen, die ein jeder macht, miteinander vergleichen, sie benennen, und uns über sie austauschen […] Moderne Physiologen irren sich, wenn sie annehmen, es handele sich bei den Erfahrungen des Geruchs, des Geschmacks, der Farbe und der Wärme um Urteile. Ein Geruch oder ein Geschmack hat mehr Realität als eine chemische Formel, die in Bezug auf diesen Geruch oder Geschmack erarbeitet werden kann. Geschmack, Geruch, Gesehenes und Wärme sind Wirklichkeiten des Weltleibes, in den wir eingebettet sind. Weil das für alle Menschen so ist, können wir uns auf sie beziehen und über sie sprechen, auch wenn es sich um individuelle Erfahrungen handelt».

      «Wir können nur sagen, wonach etwas riecht, denn Gerüche sind individuell, und es gibt so viele Gerüche, wie es Worte gibt, sie zu benennen und zu beschreiben», so Karl König im Hinblick auf die schier unbegrenzte Mannigfaltigkeit an Gerüchen. Abgesehen davon, dass man beim Versuch, dieser unübersehbaren Mannigfaltigkeit an Geruchsqualitäten auf die besonders dem Geruchssinn eigene Schwierigkeit stößt, dass keine spezifischen Wortbezeichnungen für Geruchsklassen oder Geruchskategorien existieren, weil Gerüche in besonderem Maße der Sphäre des Emotionalen, Affektiven und Vitalen angehören, ist die Charakterisierung der einzelnen Gerüche als «individuell» zutreffend. Das zeigt sich auch daran, dass die Versuche, das vielfältige Gesamt der Geruchsqualitäten in eine Phänomenale oder an anderen Kriterien orientierte Ordnung zu bringen, allesamt vorläufig sind, unbefriedigend erscheinen und letztendlich als gescheitert angesehen werden müssen.22

      Der Geruchssinn, darauf verweist König eindrücklich, bringt uns auf sehr intime Weise in eine Vereinigung mit den Dingen, insofern diese, gleichsam «verduftend», sich der Luft mitteilen, dass wir dort, wo wir mit unserer Sprache darauf zu verweisen suchen, auf das jeweilige Substantiv Bezug nehmen: es riecht wie eine Rose, wie Lindenblüten, wie ein Kadaver. In früherer Zeit ist von den Ärzten beispielsweise eine Masernerkrankung nicht nur am Hautausschlag, sondern auch an einem spezifischen Geruch diagnostiziert worden, nämlich: Es riecht wie im Keller der Berliner Viktualienhändler (Scharlach), oder, bei Masern: Es riecht wie frisch gerupfte Gänsekiele.23 Ähnliches findet sich in der Medizin hinsichtlich spezifischer, unverwechselbarer Mundgerüche, nämlich einem Foetor hepaticus, diabeticus, psychoticus u. a. m.24 Zudem macht König darauf aufmerksam, dass Gerüche dann entstehen, wenn Verwesungsprozesse sich abspielen, Absterbeprozesse, wenn also im aristotelischen Ursachenmodell sich eine Steresis abspielt, im Rahmen von Entstehen und Vergehen der einjährigen Pflanze eine «Beraubung» (vom gestaltenden «eidos» bzw. der «causa formalis») vonstattengeht. Oder in der Begrifflichkeit der modernen Naturwissenschaften: Dass das Phänomen Geruch im Zuge eines Prozesses auftritt, der nach dem Zweiten Thermodynamischen Hauptsatz nach Entropiezunahme im Sinne maximaler molekularer Unordnung strebt. Eine aufschlussreiche phänomenologische Zuordnung bestimmter Geruchsqualitäten zu den jeweiligen Relationen zwischen Aufbau- und Abbauprozessen ist von Thomas Göbel durchgeführt worden.25 Worauf König uns des Weiteren bei der Besprechung des Riechsinns verweist, ist der Umstand, dass wir beim Riechen die Substanzen in extremen Verdünnungen noch riechen, die den Verdünnungen potenzierter Arzneimitteln entsprechen, und auch darauf, dass sich das Riechhirn im Zuge einer evolutiven Höherentwicklung in das Limbische System unseres Gehirns metamorphosiert hat, das neben dem Gedächtnis im Dienste der emotionalen Tönung unserer Sinneserfahrungen steht.

      Eindrucksvoll gelingt König eine Kontrastierung zwischen Riechsinn und Geschmackssinn, hier die unbegrenzt individualisierte Erlebnismannigfaltigkeit, dort eine klare Konturierung auf die Grundqualitäten bitter, salzig, süß und sauer, die erst im Verbund mit dem Riechen eine qualitative Vervielfältigung erfahren, wobei gerade durch das Schmecken Vorlieben und Abneigungen in Erscheinung treten, die uns darauf hinweisen, wie weitreichend die Sinneserlebnisse im engeren Sinn auch auf andere Erlebnisstufen übertragbar sind, ohne dabei ihre spezifische Sinnesqualität einzubüßen.

      Der Darstellung des Sehens stellt König eine Behandlung seines Organs, also des Auges voraus. Dabei streift er den Gedanken, dass das Auge als Organ nicht allein die Funktion erfüllt, dem Menschen das Sehen der Welt, also eine Bewusstwerdung des (visuellen) Weltganzen zu ermöglichen, sondern es zugleich dem Weltganzen ermöglicht, sich seiner Selbst bewusst zu werden. Insofern gehört das Sinnesorgan als Werkzeug der Wahrnehmung stets dem Menschen als Mikrokosmos und dem Weltganzen als Makrokosmos an.

      Die Natur ist es, die (nach Goethe) durch uns – und zwar zuallererst durch unsere Sinne – sich offenbaren will: Das Auge hat sein Dasein dem Licht zu danken. «Aus gleichgiltigen thierischen Hilfsorganen ruft sich das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werde, und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, damit das innere Licht dem äußeren entgegentrete.»26 Wenn das stimmt – der in die Breite geführte Erweis, vor allem des «Wie», steht noch aus! –, könnte man gemäß diesem Modell ganz allgemein die These aussprechen: Der Mensch bildet sich (aus dem Sinn) am Sein für das Sein; die Welt-Wirklichkeit tendiert dahin, sich ständig neue Organe im Menschen heranzuziehen, um sich mit ihrer Hilfe in immer weiteren und tieferen Bereichen erschließen zu können. Hebt man das Gegenüber von Selbst und Welt auf und betrachtet das Selbst als Moment (Movens) innerhalb der Welt, dann stellt sich nicht nur der Leib, sondern der ganze Mensch – genauer: die ganze Menschheit – als ein Organ dar, durch das die Welt ihre Evolution bewerkstelligt. Nicht nur Goethes Weltbild, sondern auch die Anthroposophie Rudolf Steiners baut in sehr weitem Umfang auf solchen Voraussetzungen auf. Immer wieder finden sich bei Steiner lapidare Sätze wie dieser: «Was in die Erkenntnis des Menschen hineinfällt, ist davon abhängig, dass der Mensch Organe dafür hat.»27 Diese Aussage enthält eine Binsenwahrheit, die so selbstverständlich ist, dass es schwer ist, ihre ungeheure Tragweite für das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zur Welt zu ermessen. Sie begründet eine der Einsichten, die eine vorurteilslose Beschäftigung mit dem Weg zur Erlangung von Erkenntnissen der «höheren Welten» ermöglichen. Nicht zufällig beginnt das Werk Theosophie28 mit jenem bekannten Fichte-Zitat, das auf die Möglichkeit einer Erschließung neuer Sinne hinweist. Das Buch endet damit,29 dass Steiner diejenigen Regionen aufzeigt – es sind vor allem die der Gefühle –, wo der Mensch unmittelbar aus seinem alltäglichen Dasein heraus an der Bildung neuer Organe zu arbeiten vermag. Diese Arbeit der Umwandlung der Gefühle hat ihre Bedeutung nicht nur durch die Erfolge, die ihr beschieden sind oder nicht. Unabhängig davon ist bedeutsam, was der Mensch an einer solchen Arbeit erfährt. Dafür kommt es nicht so sehr darauf an, wie weit – sondern dass überhaupt eine solche Umwandlung möglich ist. Diese Erfahrung gehört zu den wichtigsten, die der Mensch machen kann. Denn er hält damit (d. h. mit einer bewussten Mikroevolution) einen Zipfel der Weltevolution in seinen Händen. Das Bilden neuer Organe wird dadurch auf eine ganz neue Stufe gehoben, ja im eigentlichen Sinne des Wortes potenziert, dass der Mensch nicht nur durch seine (ihm mitgegebenen) Sinne «belehrt» wird, sondern diese seinerseits zu belehren vermag.30 Diese Spontaneität bereitet eine neue Form der Rezeptivität vor. Für die Anthroposophie bedeutet der «organologische» Ansatz aber nicht nur den Angelhaken, mit dem der Mensch geistig in die Ausgangsposition «gelupft» wird, von der aus er sich auf den Weg machen kann. Konsequent verfolgt, führte dieser Ansatz zugleich zu tiefen Einsichten in den konkreten Aufbau der menschlichen Wesenheit. Rudolf Steiner selbst hat diesen Weg am weitesten in seinem Fragment gebliebenen Buch Anthroposophie. Ein Fragment (GA 45) ausgeführt.

      Karl König weist zudem auf den Umstand, dass das Auge während der Embryonalzeit vom Zwischenhirn aus entsteht und zusammen mit dem Ektoderm, der Hautanlage, das Auge bildet, wobei der bildentwerfende Apparat СКАЧАТЬ