Wachtmeister Studer. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Wachtmeister Studer - Friedrich Glauser страница 8

Название: Wachtmeister Studer

Автор: Friedrich Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783843800075

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СКАЧАТЬ er sich wieder auf. Im Grund ist es schad’ um den Burschen … ja, es ist schad’ um ihn …«

      »Ihre Menschlichkeit in Ehren, Herr Studer, aber … Wir haben eine Untersuchung zu führen, oder?«

      »Ja, ja … übrigens ist die Leiche noch in Gerzenstein?«

      Wieder blätterte der Untersuchungsrichter in den Akten.

      »Sie ist am Mittwochabend ins Gerichtsmedizinische Institut überführt worden. Der Regierungsstatthalter von Roggwil hat das angeordnet …«

      Studer zählte an den Fingern ab:

      »Am Mittwoch, dem dritten Mai um halb acht Uhr morgens wird die Leiche gefunden. Gegen Mittag die erste Obduktion von Doktor … Doktor … Wie heißt er schon?«

      »Dr. Neuenschwander«

      »Neuenschwander. Gut. Mittwochabend wechselt Schlumpf die Hunderternote im ›Bären‹. Donnerstag Flucht. Heute, Freitag, verhafte ich ihn bei seiner Mutter. Wann ist die Leiche ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht worden?«

      »Mittwochabend …«

      »Wann glauben Sie, können wir den Rapport vom Institut haben?«

      »Ich habe gedacht, wir könnten den Angeklagten mit der Leiche konfrontieren. Was meinen Sie dazu?« Die Frage war höflich, aber der Untersuchungsrichter dachte dabei: Wenn der Kerl nur bald abschieben würde, die Brissago stinkt, er ist aufdringlich, ich werde mich bei der Behörde beschweren, aber was nützt mir das? Deswegen werd’ ich ihn doch nicht so bald los. Also seien wir freundlich …

      »Konfrontieren?« wiederholte Studer. »Damit er wieder einen Fluchtversuch macht?«

      »Was? Er hat Ihnen durchbrennen wollen? Und Sie haben mir nichts davon gesagt?«

      Studer sah den Untersuchungsrichter mit seinen ruhigen Augen an. Er zuckte die Achseln. Was sollte man auf solche Fragen antworten?

      »Ich will ganz offen mit Ihnen sein, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer plötzlich, und seine Stimme klang merkwürdig dumpf und erregt. »Wir haben lange genug herumgeredet. Sie denken bei sich: Dieser alte, abgesägte Fahnder, der knapp vor der Pensionierung steht, will sich wichtig machen. Er drängt sich auf. Ich werd ihm aber schon aufs Dach geben lassen. Heut am Abend noch, sobald er fort ist, telefoniere ich an die Polizeidirektion und beschwere mich …«

      Schweigen. Der Untersuchungsrichter hatte einen Bleistift in der Hand und zeichnete Kreise aufs Löschblatt. Studer stand auf, packte die Lehne des Stuhles, schwang den Stuhl herum, bis er vor ihm stand, stützte sich auf die Lehne – und die Brissago qualmte, die zwischen zwei Fingern stak – und dann sagte er:

      »Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Untersuchungsrichter. Ich reiche gern meine Demission ein, wenn der Fall nicht so untersucht wird, wie ich es wünsche. Aber wenn ich dann demissioniert habe, dann kann ich machen, was ich will. Es wird lustig werden. Ich hab’ dem Schlumpf versprochen, seine Sache in die Hand zu nehmen …«

      »Sind Sie Fürsprech4 geworden, Wachtmeister?« warf der Untersuchungsrichter spöttisch ein.

      »Nein. Aber ich kann ja einen nehmen. Einen, der die ganze Anklage über den Haufen wirft – während der Schwurgerichtsverhandlung. Wenn Sie das lieber wollen? Aber Sie müssen sich das recht lebhaft vorstellen! Sie werden als Zeuge von der Verteidigung vorgeladen werden, und dann wird man Ihnen alle Fehler der Voruntersuchung vorhalten … Wird Ihnen das gefallen?«

      Der Kerl ist ja ganz verrückt! dachte der Untersuchungsrichter. Der richtige Querulant! Warum hat man gerade diesen Studer zur Verhaftung abkommandiert! Ein Gerechtigkeitsfanatiker! Dass es so etwas noch gibt! Ich habe die ganze Zeit eingelenkt … Kann der Mann denn Gedanken lesen? Dumme Geschichte! Und wenn dieser Schlumpf unschuldig ist, dann gibt es womöglich einen Skandal, Leute geraten in Verdacht. Es wird doch besser sein, ich arbeite mit dem Kerl … Laut sagte er:

      »Das hat ja alles keinen Sinn, Wachtmeister. Ich weiß nur wenig von der Sache. Und drohen? Warum fahren Sie gleich so schweres Geschütz auf? Hab’ ich mich geweigert, Sie anzuhören? Sie sind ungeduldig, Herr Studer. Wir können doch ganz ruhig die Sache besprechen. Sie sind sehr empfindlich, Wachtmeister, scheint mir, aber Sie müssen denken, dass andere Leute manchmal auch Nerven haben …«

      Der Untersuchungsrichter wartete, und während des Wartens starrte er auf die qualmende Brissago in Studers Hand …

      »Ach so!« sagte Studer plötzlich. »Das also …« Er ging zum Fenster, stieß die Läden auf und warf die Brissago hinaus. »Ich hätt’ daran denken sollen. Leute wie Sie … War das der Grund? Ich hab’s gespürt, dass Sie etwas gegen mich haben, und gedacht, es sei wegen dem Schlumpf … Und dann war’s nur die Brissago?« Studer lachte.

      Komischer Mensch! dachte der Untersuchungsrichter. Versteht doch allerhand! … Der Brissago-Rauch! Kann so etwas eine feindliche Stimmung auslösen? … In diese Gedanken hinein sagte Studer:

      »Merkwürdig. Manchmal ist es nur eine unbedeutende Angewohnheit, die uns bei einem Menschen auf die Nerven fällt: das Rauchen einer schlechten Zigarre zum Beispiel. Bei mir sind’s die teuren Zigaretten mit Goldmundstück …« Und setzte sich wieder:

      »So, so«, sagte der Untersuchungsrichter nur. Aber innerlich fühlte er allerhand Hochachtung für den Gedankenleser Studer. Und dann meinte er:

      »Ich möchte jetzt den Schlumpf, Ihren Schützling, vorführen lassen. Wollen Sie dabei sein?«

      »Doch. Gern. Aber vielleicht sind Sie so gut …«

      »Ja, ja«, der Untersuchungsrichter lächelte, »ich werd’ ihn schon so behandeln, dass er sich nicht wieder aufhängt, wenigstens vorläufig … Ich kann nämlich auch anders … Und ich will mit dem Staatsanwalt reden. Wenn eine weitere Untersuchung nötig sein sollte, fordern wir Sie an …«

      Studer stieß zu. Die weiße Kugel rollte über das grüne Tuch, klickte an die rote, traf die Bande und sauste haarscharf an der zweiten weißen Kugel vorbei.

      Studer stellte die Queue auf den Boden, blinzelte und sagte ärgerlich:

      »Bitzli z’wenig Effet.«

      Und gerade in diesem Augenblicke hörte er zum ersten Male die dröhnende Stimme, die er noch oft hören sollte.

      Die Stimme sagte:

      »Und glaub mir, in der Affäre Witschi ist auch nicht alles Bock; glaub mir nur, da stimmt etwas nicht … und das weißt du ja auch. Dass sie den Schlumpf geschnappt haben …« Mehr konnte Studer nicht verstehen. Die Stille, die einen Augenblick über dem Raum geschwebt hatte, zersprang, der Lärm der Gespräche setzte wieder ein. Studer drehte sich um und sah sich an dem Mann mit der merkwürdig dröhnenden Stimme fest.

      Der war hochgewachsen, mit einem mageren, zerfurchten Gesicht. Er saß in einer Ecke des Cafés an einem Tischchen zusammen mit einem kleinen Dicken. Der Dicke nickte, nickte ununterbrochen, während der magere Alte den Ellbogen aufgestützt hatte und mit aufgerecktem Zeigefinger weitersprach. Die Lippen waren fast unsichtbar – dem Mann mussten alle Zähne fehlen. Jetzt senkte der Alte die Hand, hob das Glas zerstreut zum Mund, merkte plötzlich, dass es leer war: Da zerbrach СКАЧАТЬ