Название: Virginia und der ehescheue Graf
Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
isbn: 9781788674683
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Lady Genevieve wußte, daß er die Zeit meinte, als er gegen den Willen seiner Familie die schöne, exzentrische und eigenwillige Lady Caroline Ponsonby heiratete. Sie war die einzige Tochter des Earl von Bessborough gewesen und hatte durch ihre Liebe zu Lord Byron einen öffentlichen Skandal heraufbeschworen.
1828, vor zehn Jahren, war sie gestorben. Lady Genevieves Mutter hatte oft davon erzählt, welche Geduld, welches Verständnis und welche Nachsicht Lord Melbourne seiner Frau entgegenbrachte, bis sie an einem schweren Nervenleiden unheilbar erkrankte und schließlich starb.
Es muß eine schlimme Zeit für ihn gewesen sein, denn das einzige Kind aus seiner Ehe mit Lady Caroline, ein Sohn namens Augustus, war schwachsinnig zur Welt gekommen und starb ein Jahr nach seiner Mutter.
»Papa und Mama haben Sie stets sehr geliebt«, sagte Lady Genevieve. »Genauso wie ich es tue.«
»Ich weiß«, antwortete Lord Melbourne, »aber umso mehr wünschte ich, du hättest manchmal etwas bereitwilliger auf meine Warnungen gehört.«
Lady Genevieve zuckte die Schultern.
»Das Leben ist kurz, und ich habe keine Lust, zu versauern.«
»Du weißt, Frauen können sehr grausam und unnachsichtig sein gegenüber einer Geschlechtsgenossin, die schöner ist als sie selbst und es obendrein noch wagt, sich über die gesellschaftlichen Normen hinwegzusetzen.«
»Wir sprachen von Osric«, sagte Lady Genevieve.
»Ich weiß, ich hoffe, daß dir gelingt, was zahlreichen Frauen vor dir nicht gelungen ist. Ich glaube nur, daß du eines übersiehst.«
»Was?« fragte sie fast feindselig.
»Ein Mann sucht sein Vergnügen und wer könnte ihm das verübeln? Das gilt erst recht für einen so attraktiven und anziehenden Mann wie Helstone, auf den die Frauen buchstäblich fliegen. Aber von seiner Gemahlin verlangt er einiges mehr als die Befriedigung seiner Begierden.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen«, antwortete Lord Melbourne zögernd, als suche er nach den richtigen Worten, »daß ein Mann an seine zukünftige Frau gewisse Ansprüche stellt. Vor allem möchte er, daß sie rein und unberührt in die Ehe geht. Jeder trägt ein Ideal in seinem Herzen, und er will, daß die Frau, die einmal seinen Namen trägt, diesem Ideal entspricht.«
»Rein und unberührt!« wiederholte Lady Genevieve fassungslos.
Sie konnte ein höhnisches Lachen gerade noch zurückhalten, denn ihr fiel ein, daß dies in der Tat das gewesen war, was Lord Melbourne bei Caroline Ponsonby gesucht hatte und was er an der Königin liebte.
Sie wußte, es hatte viele Frauen in seinem Leben gegeben. Und doch war er im Grunde seines Herzens ein Idealist, der in einer jungen, unreifen, kindhaften Frau die Verkörperung seiner Träume sah.
Sie schluckte die Worte hinunter, die ihr auf der Zunge lagen, und bemerkte: »Es ist ein wenig spät, von mir zu erwarten, daß ich noch einmal so sein könnte, wie ich mit siebzehn war.«
»Das ist richtig«, stimmte Lord Melbourne ihr zu. »Und Helstone mag deine Leichtfertigkeit, deine Mißachtung der Konventionen und deine Ungebundenheit durchaus interessant finden. Doch bist du ganz sicher, daß er diese Eigenschaften auch bei seiner zukünftigen Frau sucht?«
»Er wird mich heiraten«, erklärte Lady Genevieve eigensinnig.
Lord Melbourne seufzte.
»In diesem Fall gibt es nichts mehr zu sagen, meine Liebe.«
Er sprach die Worte mit einem charmanten Lächeln, und Lady Genevieve sprang auf, lief auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Wenn Osric mich heiratet, Vetter William, werde ich mir alle Mühe geben, mich zu bessern, auch in meinem Verhalten zu anderen. Und als seine Frau wird niemand mir den Zutritt bei Hofe verwehren können.«
»Nicht, wenn du dich entsprechend verhältst.«
»Du kannst dich auf mich verlassen«, versprach Lady Genevieve. »Und du wirst dafür sorgen, daß ich zur Krönung geladen werde, nicht wahr?«
»Das ist unmöglich«, erwiderte Lord Melbourne. »Es sei denn, dein Verlöbnis mit dem Earl würde noch vor dem achtundzwanzigsten Juni bekanntgegeben.«
Lady Genevieve preßte die Lippen zusammen.
»Ich habe also noch eine Galgenfrist«, flüsterte sie mit belegter Stimme. »Na schön, ich werde sie verdammt gut nutzen. Darauf können Sie sich verlassen!«
»Und versuche, nicht zu fluchen«, mahnte Lord Melbourne. »Die Queen wie viele junge Mädchen ist äußerst entsetzt, wenn jemand in ihrer Gegenwart einen Fluch benutzt.«
»Wie können Sie das nur ertragen, Vetter William?« fragte Lady Genevieve. » Sie und all die anderen?«
Lord Melbourne zögerte, bevor er antwortete.
»Ich bin der festen Überzeugung, daß alles, was ich in meinem Leben gelernt habe, alles Wissen und alle Erfahrungen, die ich zusammengetragen, alles Schwere, das ich erlitten habe, nur einen Sinn hatte: einer jungen Frau zu dienen, die einmal - davon bin ich felsenfest überzeugt - eine große Königin werden wird.«
»Glauben Sie das wirklich?«
»Ja«, sagte er schlicht. »Und was noch wichtiger ist: Sie vertraut auf mich.«
Lady Genevieve schwieg.
Sie erinnerte sich daran, daß jemand ihr erzählt hatte, nach Meinung der Queen sei Lord Melbourne der aufrichtigste, liebenswürdigste und verständnisvollste Mann der Welt.
Nachdem der Premierminister sich mit einem zärtlichen Kuß von ihr verabschiedet hatte, ergriff Lady Genevieve eine wertvolle Alabasterstatue und schmetterte sie wütend zu Boden, so daß sie in tausend Stücke sprang.
Dann begann sie laut und heftig zu fluchen.
Sie verfluchte den Hof, die verleumderischen alten Weiber, die in alles ihre Nase steckten und der Queen mit ihren ewigen Skandalgeschichten unablässig in den Ohren lagen.
Als Lady Genevieve den Salon verließ, standen die Diener mit schreckensbleichen Gesichtern wie erstarrt in der Nähe der Tür, während die Zofen sich auf dem Treppenabsatz versammelt hatten und in ein unterdrücktes Kichern ausbrachen.
Immer noch fluchend stieg Lady Genevieve in den ersten Stock hinauf und betrat ihr Schlafzimmer, das gerade von zwei Zofen in Ordnung gebracht wurde. Wütend warf sie die Tür ins Schloß und stürzte sich auf die beiden wie eine Furie. Der jüngeren versetzte sie einen Schlag ins Gesicht, die andere traktierte sie mit einer Haarbürste. Weinend lief das Mädchen aus dem Zimmer.
Der Wutausbruch schien Lady Genevieve gutgetan zu haben, denn eine halbe Stunde später, als ihr der Besuch Lord Helstones gemeldet wurde, bedachte sie das Mädchen mit ihrem strahlendsten Lächeln. Sie wirkte schön und begehrenswert wie immer.
Als sie die Treppe ins Erdgeschoß hinunterstieg, trug sie ein reich besticktes und mit СКАЧАТЬ