Название: Traumatische Verluste
Автор: Roland Kachler
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Hypnose und Hypnotherapie
isbn: 9783849782658
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•Einladung zum Berichten über das Sterben und den Tod des nahen Menschen: Wir bitten die Hinterbliebenen, uns zu erzählen, was mit dem verstorbenen nahen Menschen geschehen ist. Dabei ist der Fokus ganz bei dem Verstorbenen, seinem Sterben und seinem Tod. Wir interessieren uns zunächst ganz für ihn. Dies entspricht dem Gefühl und dem Wunsch der Hinterbliebenen, deren Liebe und Mitgefühl für den Verstorbenen ganz bei ihm ist.
•Nachfragen auf der Ebene der Ereignisse und Fakten: Wir explorieren dann mit einfachen Fragen nach dem Wann, Wo und besonders nach dem Wie, was mit dem Verstorbenen im Einzelnen bei seinem Sterben und Tod geschehen ist.
Beachte!
Der Fokus der Verlustdiagnostik bezieht sich zunächst ganz auf den Verstorbenen und auf die faktischen Ereignisse bei seinem Sterben und Tod.
•Objektivierende Rekonstruktion des Sterbens und Todes des nahen Menschen: Häufig ist der Bericht der Hinterbliebenen fragmentiert, zunächst unvollständig oder an Einzelheiten fixiert. Über das strukturierte Befragen und Ordnen der Fakten rekonstruieren wir die äußeren Abläufe des Sterbens und des Todes des nahen Menschen und bringen diese in eine zusammenhängende Form.
Beachte!
Wir fragen im Erstgespräch noch nicht nach dem Erleben des Verstorbenen bei seinem Sterben. Dies kann zu einer Destabilisierung führen. Bringen die Hinterbliebenen das Erleben des Verstorbenen ein, greifen wir es empathisch auf, aber begrenzen es und sagen eine spätere Bearbeitung zu.
•Prozesssteuerung durch Verlangsamung und Pausen: Wir achten sehr genau darauf, dass die Hinterbliebenen bei diesem Befragungsprozess genügend Selbstkontrolle besitzen. Diese wird auch von den Wirkungen des Schocks und den dissoziativen Prozessen unterstützt. Wir fragen immer wieder nach, ob die Betroffenen genügend Kraft zum Fortfahren haben, ob eine Pause nötig ist oder ob wir langsamer vorgehen sollen.
Beachte!
Bei einer Destabilisierung der Hinterbliebenen im Erstgespräch setzen wir die in Kapitel 5.1 beschriebenen Stabilisierungsmethoden ein; bei einer einsetzenden Dissoziation reorientieren wir die Hinterbliebenen ins Hier und Jetzt (vgl. Kapitel 5.4).
•Offene Fragen und Themen in Hinblick auf den Verstorbenen: Als Abschluss dieser Rekonstruktion des Sterbens und des Todes des nahen Menschen fragen wir, ob wir in Hinblick auf sein Sterben und seinen Tod etwas außer Acht gelassen haben und ob es noch etwas Wichtiges gibt, das bisher noch nicht benannt wurde.
•Fokuswechsel auf das Erleben der Hinterbliebenen: Nun können wir vom Verstorbenen und seinem Sterben und Tod weggehen und uns dem Erleben der Hinterbliebenen zuwenden: »Das alles, was mit Ihrem lieben Mann passiert ist, muss für Sie schrecklich gewesen sein und ist es wohl immer noch!?« oder »Darf ich nun fragen, was mit Ihnen bei all dem passiert ist?« Hier fragen wir zunächst die Traumareaktionen, dann die Verlustreaktionen und auch erste Nähe- und Beziehungsgefühle zum verstorbenen nahen Menschen ab (Kachler 2019). Auch hier bleiben wir im ersten Gespräch auf der objektivierenden Berichtsebene, ohne das Erleben oder die Emotionen durch näheres Nachfragen zu vertiefen. Meist bleibt im Erstgespräch nur eine begrenzte Zeit für diesen Fokus auf die Hinterbliebenen, sodass wir die Fortführung dieser Exploration für die nächste Sitzung ankündigen.
•Containing von aufbrechenden Schmerz- und Trauergefühlen: Bei dem Erstgespräch werden sehr wahrscheinlich Verlustschmerz und Trauer aufbrechen. Wir greifen sie auf, benennen sie einfühlsam und halten sie aus. Wichtig dabei ist, dass wir sie nicht vertiefen, sondern sie begrenzen und eine spätere Beschäftigung mit ihnen ankündigen.
Diese Struktur des Erstgespräches findet in aller Regel in der ersten Zeit nach einem Verlusttrauma, also bis zum 18. Monat statt. Kommen die Hinterbliebenen aber schon mit einer beginnenden KTTS oder einer mit dem Verlusttrauma zusammenhängenden Folgesymptomatik wie einer Depression oder einer Schmerzproblematik, beginnen wir das Gespräch mit den Symptomen der KTTS oder mit der Folgesymptomatik und dem damit verknüpften Anliegen (vgl. Kapitel 4 und 10), um dann ebenfalls wie hier beschrieben zur Verlustsituation und zum verstorbenen nahen Menschen zu gehen.
Im letzten Abschnitt des ersten Gespräches, für das wir uns 90 Minuten Zeit nehmen sollten, bieten wir aktiv mögliche Ziele einer längeren gemeinsamen Arbeit an (vgl. Kapitel 3.6), fragen nach, ob sich die Hinterbliebenen eine weitere Zusammenarbeit im Sinne einer Verlusttrauma-Beratung oder Verlusttrauma-Psychotherapie vorstellen können, und treffen dann erste Vereinbarungen für das weitere Vorgehen. Wir klären ab, ob die Hinterbliebenen die Zeit bis zum nächsten Gespräch stabil überstehen können und ob sie dafür eventuell Hilfe brauchen.
Für die nächste Sitzung bitten wir die Hinterbliebenen, einige den Verstorbenen kennzeichnende Fotografien mitzubringen und sich zu überlegen, was sie vom und über den Verstorbenen erzählen wollen.
1 Generell benutzte ich gleichrangig wechselnd die weibliche und männliche Form, also z. B. »der Therapeut« oder »die Therapeutin«. Bei dem Begriff »Verstorbener« habe ich aus Gründen der leichteren Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind damit immer auch weibliche Verstorbene gemeint.
2 Die Rubrik »Merke!« fasst die wesentlichen Inhalte jedes Abschnittes konzentriert und knapp zusammen.
3 Die Rubrik »Beachte!« fasst Handlungsanleitungen konzentriert zusammen oder macht auf mögliche Behandlungsfehler oder entscheidende Weichenstellungen in der Behandlung aufmerksam.
2Was bewirkt ein traumatischer Verlust akut? – Peritraumatische Verlusttrauma-Reaktionen
Fallbeispiel 2: Der Albtraum, der nicht wahr sein darf
Eine Mutter beschreibt ihr Erleben vier Wochen nach dem Unfalltod ihres 22-jährigen Sohnes so: »Ich bin wie in einem Albtraum. Ich sehe immer wieder die Bilder, wie mein Sohn mit seinem Motorrad gegen den Baum fährt, wie er durch die Luft fliegt und wie er dann auf dem Boden aufschlägt. Die Bilder kommen immer wieder, auch nachts, wenn ich nicht schlafen kann. Ich kann nichts gegen sie machen. Ich sehe, wie die Polizei vor der Türe steht, und da weiß ich schon alles. Ich sehe mich, wie ich zusammenbreche.
Das alles kann nicht wahr sein, darf nicht wahr sein. Ich gehe wie auf Wolken und habe Angst, gleich abzustürzen. Ich will, dass dieser Albtraum aufhört und sich alles als Irrtum herausstellt. Immer wieder höre ich vor dem Haus das Motorrad meines Sohnes und denke, dass er gleich die Haustür aufschließt und hereinkommt. Ich gehe in den Flur – doch er kommt nicht. Dann breche ich weinend zusammen, und der schreckliche Albtraum hat mich wieder, und dann spüre ich gar nichts СКАЧАТЬ