Die Illusion der Unbesiegbarkeit. Paul Williams
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Название: Die Illusion der Unbesiegbarkeit

Автор: Paul Williams

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия: Dein Business

isbn: 9783956236839

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СКАЧАТЬ das Unternehmen zu langsam und schwerfällig. Zu allem Überfluss bricht in der Führungsetage ein Streit aus: Soll man die Smartphone-Entwicklung forcieren oder weiter besonders günstige Handys bauen? Der langjährige Leiter des Deutschland-Geschäfts, Razvan Olosu, zeichnet »das Bild einer riesigen Behörde, voller Handy-Beamter auf Lebenszeit«.3 Die Mitarbeiter am deutschen Standort Ratingen benennen zu Beginn der Krise die eigenen Meeting-Räume vielsagend um: Aus »Helsinki«, »Berlin« oder »London« werden die Räume »Funktioniert hier nicht«, »Wird nie approved« und »Global will das«.4 Mit »Global« ist übrigens die zögerliche Zentrale gemeint. Das nennt man wohl Galgenhumor.

      Genauso rasant, wie es zehn Jahre zuvor aufwärts ging, geht es nun bergab. Ab 2008 sinkt der Marktanteil von Nokia drastisch, ab 2011 schreibt das Unternehmen Verluste. Im gleichen Jahr einigt man sich mit Microsoft auf eine Kooperation: Das eigene Betriebssystem wird aufgegeben, stattdessen wird nun MS Windows auf Nokia-Handys installiert. Die Branche spottet derweil über zwei rostige Schlachtschiffe, die gemeinsam Fahrt aufnehmen wollen. Gegen Apples iPhone und das auf Geräten von Samsung, LG und anderen Unternehmen genutzte Android-System bleibt man erfolglos. Zwei Jahre später übernimmt Microsoft die Mobiltelefonsparte von Nokia. »Das finnische Handywunder ist zu Ende«, urteilt das Branchenmagazin connect. Heute definiert sich Nokia als führender Anbieter von Netzwerktechnologie. Der Aktienkurs seit 1999 gleicht einem Hochgebirge mit Schwindel erregenden Höhen um die Jahrtausendwende, das ab 2009 in eine konstant flache Ebene übergeht. Wer 2000 über 60 Euro für eine Nokia-Aktie bezahlte, bekam Anfang 2016 weniger als 5 Euro dafür.

      Wenn man sich mit der Geschichte der Incas beschäftigt, hat man bei der Lektüre der Nokia-Firmengeschichte gleich mehrere Déjà-vus. In beiden Fällen verändert ein kleines Volk die Welt, weil es findiger, konsequenter und damit zunächst erfolgreicher ist als potenzielle Konkurrenten. Dabei nutzen beide die Gunst der Stunde. Der Aufstieg der Incas vom unbedeutenden Andenvolk zur Großmacht begann circa 1100. Was für Nokia die Deregulierung des Mobilfunkmarktes und das Know-how in Sachen drahtloser Telekommunikation, waren für die Incas ungewöhnliche Kälteperioden in den Anden und entlang der Pazifikküste, in denen sich ihre Kenntnisse in Agrarwirtschaft, Bewässerungswesen und Anbautechniken als überlegen erwiesen. Während andere Völker die kalten Hochebenen verließen, Dürre am Pazifik und extreme Niederschläge andernorts zu Landflucht und kriegerischen Auseinandersetzungen führten, handelten die Incas getreu ihrem Motto, »Ordnung in die Welt bringen«. Sie legten an steilen Hängen tausende Terrassen an, bauten Bewässerungsanlagen, leiteten Flüsse um. Sie kultivierten gezielt jene Feldfrüchte, die den klimatischen Bedingungen angepasst waren, etwa eine Kartoffelart, die sich leicht gefriertrocknen ließ. Die Expansion der Incas basierte stark auf ihrem (land)wirtschaftlichen Erfolg durch innovative Anbaumethoden. Wie die Finnen, die mit robuster, nicht zu teurer Technik weltweit erfolgreich waren, exportierten die Incas ihre Erfolgsrezepte in Nachbarregionen und gewannen so immer mehr Einfluss. Ihr goldenes Zeitalter mit großen Landgewinnen begann unter der Regentschaft Pachacutec Yupanquis (1438–1471). Doch wie die Finnen, die sich kaum vorstellen konnten, dass ihre Siegesserie einmal enden könnte, klammerten die Incas sich auch dann noch an bewährte Rezepte, als sie sich mit einem Gegner konfrontiert sahen, der nach völlig anderen Regeln spielte. Wo man sich bei Nokia nicht vorstellen konnte, dass Apple mit einem einzigen, noch dazu teuren Gerät wie dem iPhone der Nokia-Produktvielfalt günstiger Geräte den Rang ablaufen könnte, war es für die Incas unmöglich, sich auf einen Gegner einzustellen, der mit den bewährten Methoden der »freundlichen« Übernahme oder aber Unterwerfung nicht zu fassen war: die spanischen Konquistadoren unter Francisco Pizarro.

      In beiden Fällen besiegelten interne Konflikte den Untergang. Bei den Incas war es der Bruderkrieg, der ausbrach, als Huayna Cápac 1527 das Reich unter seinen beiden Söhnen Atahualpa und Huáscar aufteilte. Beide Brüder scharten die Volksgruppen ihrer verschiedenen Mütter und weitere Verbündete hinter sich und kämpften erbittert. Als 1532 Francisco Pizarro das Inca-Reich erreichte, war es bereits stark geschwächt und daher leichte Beute für die Invasoren. Den Niedergang von Nokia beschleunigte der Richtungsstreit in der Führungsetage unter Olli-Pekka Kallasvuo ab 2007, in dem Befürworter und Gegner einer Strategieänderung weg vom günstigen Handy und hin zum Smartphone sich gegenüberstanden. Und in beiden Fällen versanken die einst so mächtigen und scheinbar Unbesiegbaren innerhalb weniger Jahre in der Bedeutungslosigkeit: hier die »Könige der Anden«, dort die Herrscher des Handy-Marktes. Kann es sein, dass mit einem grandiosen Aufstieg unweigerlich jene Hybris geboren wird, die den späteren Absturz schon vorprogrammiert?

      Rasante Gipfelstürmer, schockierende Abstürze

      Die Beschäftigung mit den umsatzstärksten Unternehmen der Welt lehrt Demut. Die erste globale »Fortune 500«-Liste des US-Magazins Fortune erschien 1990, basierend auf den Umsatzdaten des Vorjahres. Vergleicht man die Top Ten dieser Aufstellung mit den Spitzenreitern der 2000 und 2015 veröffentlichten Listen, gewinnt man einen ersten Eindruck, wie fragil außergewöhnliche Unternehmenserfolge sind. Nach zehn Jahren finden sich nur noch fünf der ersten Spitzenreiter unter den Top Ten (farbig hinterlegt), nach weiteren 15 Jahren sind es noch drei der 1990 platzierten (farbig hinterlegt).

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      Abb. 1: Die Top 10 der »Fortune 500«-Listen 1990, 2000 und 2015

      Die Liste bildet auch die tektonischen Verschiebungen der Weltwirtschaft ab: Wo noch 1990 die USA mit sechs Unternehmen dominierten, gefolgt von Japan mit zwei Organisationen, sind es 2015 noch ganze zwei US-Unternehmen und ein japanisches, dafür aber gleich drei aus der Volksrepublik China. Herausgefallen sind klangvolle Namen wie IBM (1990 das fünftgrößte Unternehmen der Welt; 2015 auf Rang 82) oder General Electric (2015 Rang 24). Der Spitzenreiter von 1990, General Motors, belegt 2015 Rang 21. Riesige Öl- und Gasproduzenten dominieren heute mit fünf der ersten sechs Plätze.

      In der Welt der Wirtschaft gilt: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Der Erfolg von gestern ist kein Garant für den Erfolg von morgen. Leider gerät das in guten Zeiten offenbar fast automatisch in Vergessenheit und kann zu waghalsigen Manövern verführen. So ist das Gastspiel des deutschen Autobauers Daimler in den Top Ten des Jahres 2000 der Fusion mit Chrysler zu verdanken, laut CEO Jürgen Schrempp damals eine »Hochzeit, die im Himmel geschlossen« wurde. Schrempps ehrgeiziges Ziel: die »Welt AG«, ungeachtet aller gängigen Erfahrungen mit der Schwierigkeit von Fusionen und ungeachtet der Skepsis der eigenen Händler. »Was wollen die bloß mit diesem amerikanischen Schrott«, zitiert die Süddeutsche Zeitung einen ratlosen Mercedes-Verkäufer. Er sollte recht behalten. 2009 endete die himmlische Ehe mit einer 40 Milliarden teuren Scheidung. Der Fall DaimlerChrysler ist ein Musterbeispiel für brachiale Egomanie eines Topmanagers und für eine verfehlte Merger-Strategie. Von diesen Fallstricken und der Schwierigkeit, ihnen auszuweichen, wird im achten Kapitel (»Ego schlägt Sache«) ausführlich die Rede sein. Denn vor »Ego-Tripping« ist kaum jemand gefeit, der es mit Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen bis an die Spitze geschafft hat. Die Frage ist: Wie gelingt die Gratwanderung zwischen Ehrgeiz und Egomanie, zwischen visionärer Kraft und Größenwahn? Wie verhindert man seine persönlichen »Indiana-Jones-Momente«?

      Sie fragen sich, was dagegen sprechen könnte, dem beliebten Film-Abenteurer nachzueifern? Nun, nüchtern betrachtet ist der Archäologe Indiana Jones alles andere als ein Vorbild: Am Ende jeder seiner Reisen hat er zwar den begehrten Schatz gefunden, zugleich aber reihenweise zerstörte Tempel und Monumente hinterlassen. Wie der von Harrison Ford verkörperte Dr. Jones neigen auch viele Manager dazu, Eigeninteressen als Dienst am »großen Ganzen« zu verbrämen. So erweisen sie ihrem Unternehmen in Wahrheit einen Bärendienst. Wir wissen, wovon wir reden, und werden im letzten Kapitel von unseren persönlichen Indiana-Jones-Momenten СКАЧАТЬ