Die fünf Waldstädte. Paul Keller
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Название: Die fünf Waldstädte

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517338

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СКАЧАТЬ Frau.

      Die Frau aus dem Moor — die Frau, die ihr Kleid wäscht —

      Wir schrieen laut um Hilfe.

      Es war nicht die Frau aus dem Moor. Es war Heinrichs Mutter. Es war unsere Fee.

      „Was wolltet ihr machen?“ fragte sie freundlich. Da gestanden wir alles.

      Sie zürnte uns nicht; sie strich uns beiden über die Köpfe.

      „Nun, habt keine Angst; es passiert euch nichts, ich bin ja bei euch!“

      Ja, nun wussten wir: es konnte uns nichts passieren, da sie bei uns war. Heinrich schlang den Arm um seine Mutter und küsste sie zweimal, und dann nahm ich sie um den Hals und küsste sie dreimal.

      Wir schritten ein paarmal an dem Graben auf und ab, ganz friedlich, als ob wir spazieren gingen, und nachdem wir etwa zehnmal ganz tief und erleichternd aufgeseufzt hatten, fühlten wir, dass unsere Herzen ruhiger wurden.

      „Hat euch der Förster gerade um die jetzige Stunde bestellt?“ fragte die Fee.

      „Jawohl, später als 6 Uhr dürfe es nicht sein, hat er gesagt.“

      „So wollen wir einmal hinübergehen in den Geistergrund,“ meinte sie. Wir gingen ruhig und ohne Angst mit ihr über den schmalen Steg, der über den schwarzen Graben führte. Sie hielt uns an den Händen und sagte:

      „Nun seht, wie still es hier ist, ebenso still wie überall im Walde.“

      Dann gingen wir schweigend weiter. Über dem moorigen Grund wuchs dichtes, weiches Moos, und wir gingen ganz unhörbar. Einmal blieb die Fee stehen und sagte leise:

      „Wenn euch etwas Seltsames oder Schreckliches auffällt, so erschreckt nicht oder schreit nicht; denn es ist ganz gewiss nichts wirklich Schreckliches.“

      Da fassten wir grossen Mut. Plötzlich aber blieben wir doch in jähem Schreck stehen.

      Unter der hohen Ulme war der Pilz, ein schrecklich grosser, blutroter Pilz, und unter dem Pilze lag eine Frau. Heinrich begann zu weinen, ich begann zu schlucken, die Fee aber fasste fest unsere Hände und rief ganz laut und ruhig: „Du Pilz und du Pilzweib, kommt einmal beide her!“

      Da schnellte plötzlich der verhexte Pilz hoch in die Höhe, das Weib richtete sich auf, und eine tiefe Stimme sagte:

      „O jemine, die gnädige Frau!“

      „Kommt nur mal näher!“ befahl die Fee.

      Unsere Herzen schlugen; aber es war jetzt mehr Neugierde als Angst.

      Der Pilz und die Frau wandelten ganz langsam auf uns zu. Und plötzlich brach Heinrich in ein lautes Gelächter aus, und ich lachte unter Tränen mit.

      Vor uns stand der Herr Förster. Er hatte sich die Kleider seiner zweiundneunzigjährigen Grossmutter angezogen, und der Pilz war der riesengrosse und brennend rote Regenschirm der alten Frau, der die Verwunderung der ganzen Gemeinde bildete, wenn die Alte noch einmal zur Kirche gehumpelt kam.

      „Gnädige Frau — gnädige Frau —“ stammelte der Förster.

      Er sah greulich aus. Der weite blumige Rock war ihm viel zu kurz, so dass seine groben Stiefel zum Vorschein kamen, das altmodische Leibchen war ihm viel zu schmal, so dass man seine Weste sah, und die alte Schleifenhaube sass ihm ganz windschief auf seinem struppigen Kopf. Den roten Schirm hatte er nun zugeklappt und quetschte ihn wie ein brennendes dickes Gebund in höchster Verlegenheit unter den Arm.

      Die Fee blickte halb streng und halb lächelnd auf den sonderbaren Geist und sagte:

      „Schämen Sie sich denn nicht, Förster, solche Faxen zu machen? Denken Sie nicht daran, was den Kindern vor Schreck passieren kann?“

      Die Pilzbäuerin raffte in tödlicher Scham an ihrem Kleid herum.

      „Gnädige Frau, weil halt — weil halt die beiden solche Schlingel sind.“

      „Es gibt viele Schlingel auf der Welt, grosse und kleine,“ sagte die Fee.

      Der Förster kraute sich die Schleifenhaube.

      „Nun werd’ ich wohl gar meine Stellung verlieren,“ sagte der trostlose Hüter des Waldes. Die Fee lächelte milde.

      „Etwas werden Sie schon verlieren: Sie werden den Jungen zur Strafe Ihre Dohle schenken!“

      „Können sie kriegen, können sie kriegen!“ schrie da das Zauberweib voll Entzücken und haschte nach der Hand der guten Fee, die sich abwenden musste, weil es wohl mit ihrer Fassung vorbei war.

      „Gnädige Frau,“ sagte der Förster, „wenn es erlaubt ist, möcht’ ich mich aus dieser sehr fatalen Begebenheit empfehlen.“

      „Gehen Sie nur, gehen Sie nur!“ sagte sie und blieb immer mit dem Gesicht abgewandt.

      Da machte er eine Verneigung, wobei ihm der geblümte Rock bis über die Kniekehlen emporrutschte, und dann ging er davon. Als er an den Bach kam, wollte er, wie er’s gewöhnt war, hinüberspringen; aber die Feiertagszier seiner Grossmutter wickelte sich um seine Beine und er plumpste dicht am Rande in die Flut. Das war für uns Kinder der glänzendste Spass. Gleich darauf pudelte er sich ans Ufer und jagte in fliegendem Gewande und mit flatternden Haubenschleifen davon. —

      Die Dohle haben wir bekommen; da sie aber tagaus, tagein nichts anderes zu erzählen wusste als: „Beatrice! Beatrice!“, wurde sie uns langweilig.

      Heinrichsburg.

      Die Stadt lag auf einer Insel, die ringsum von dem Wasser eines Stromes umgeben war. Wenn ein starker Regen fiel, wurde dieser Strom so tief, dass wir uns die Hosen aufstreifen mussten, um ihn durchwaten zu können. In trockenen Zeitläuften blies der Wind den Staub vom Flussgrunde bis in unsere Stadt. Wir warfen uns dann platt auf die Erde und redeten vom Samum.

      Die Insel war mehrere Steinwürfe lang und fast eben so breit. Ihr Gebiet umfasste die Hohkönigsburg, die Stadt selbst, das Felsengebirge, einen Kriegs- und einen Handelshafen, ein Jagdschloss, eine Meierei und eine Hundehütte. In der Stadt gab es ein Rathaus, eine katholische, evangelische, jüdische und heidnische Kirche, ein Museum, ein Hotel, sehr viele Geschäfts- und Wohnhäuser und einen Reichstag.

      Die grössten Gebäude waren die Hohkönigsburg, das Hotel und die Hundehütte. Die Burg war im 19. Jahrhundert vom Zimmermann Schadel erbaut, und der Bau hatte über 70 Mark verschlungen. Dafür war er aber auch prächtig und stattlich. Die Burg umfasst nur den Thronsaal; für mindere Räume war kein Platz. Eine stolze Fahne wehte vom Dache, und an der Pforte zeigten zwei angeklebte Bilder grimmiger Löwen, von denen der eine ein Tiger war, dass hier im Schloss Macht und Grösse wohne und jeder ein Kind des Todes sei, der sich den hier herrschenden Gewalten widersetze. Bei Regenwetter wurden sämtliche Hauptteile der Stadt mit Wachsleinwand überdeckt.

      Das Hotel hatte früher dem Pächter einer Kirschenallee gehört, der darin sein Wächteramt ausgeübt hatte. Kinder unter vier Jahren konnten erhobenen Hauptes durch seine Pforten schreiten, und auch wir brauchten uns nicht sonderlich zu bücken, wenn wir eintraten. Es hiess „Hotel Bristol“ und trug an seiner Front viele СКАЧАТЬ