Buddhismus und kindliche Spiritualität. Alexander von Gontard
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Название: Buddhismus und kindliche Spiritualität

Автор: Alexander von Gontard

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783170351615

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СКАЧАТЬ und wie er ein weiser Herrscher werden würde. Diese elterlichen Wünsche können als Projektion verstanden werden. Projektionen sind Erwartungen, die Eltern oft unbewusst in sich tragen und auf ihre Kinder projizieren. Sie können positiv oder negativ sein, realistisch oder unrealistisch. Projektionen sind nicht problematisch, wenn sie einen positiven Inhalt haben und realistisch sind. Jedoch können sie nachteilig sein, wenn negative Gefühle, ungelöste eigene Konflikte und Schwierigkeiten wie Trauma und Misshandlung von Eltern auf Kinder projiziert werden.

      Kinder sind somit immer Empfänger von Projektionen ihrer Eltern: »In allen Kontexten werden Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ordentliche Dosis elterliche Projektionen empfangen und müssen diese Erwartungen ertragen« (Sasson 2013, S. 11). Wenn sich elterliche Erwartungen, das kindliche Temperament und die Kernpersönlichkeit deutlich unterscheiden, kann dies problematisch sein. Wie wir gesehen haben, wurde Siddhartha Gautama von klein auf optimal umsorgt und materiell in jeder erdenklichen Weise verwöhnt, was seinerseits auch für die Entwicklung im Jugendalter problematisch sein kann. Einer Studie zufolge strebten reiche amerikanische Jugendliche eher nach äußerlichem Erfolg und hoher Leistung. Um beliebt zu sein, legten reiche Mädchen großen Wert auf ihre äußere Erscheinung, während Jungen eine höhere Wahrscheinlichkeit für Substanzmissbrauch oder antisoziales Verhalten entwickelten, um Anerkennung durch Gleichaltrige zu erlangen (Miller 2012, S. 224–225).

      Zum Glück erlag Siddhartha Gautama nicht den Versuchungen seines Reichtums. Allerdings erfüllte er nicht die Erwartung seines Vaters, dessen Projektionen sich so sehr von seinem Temperament unterschieden. Zudem spürte er schon früh seine Berufung zu einem spirituellen Weg, ein Prozess, den C. G. Jung »Individuation« nannte. Individuation ist mit zwei Bewegungen assoziiert: Zum einen mit einer Trennung von bisherigen Werten und Bedingungen und zum anderen mit einer Verbindung und Wiedervereinigung, wie es der Jung’sche Analytiker Murray Stein (2006) ausführte. Individuation umfasst sowohl die Suche nach der eigenen Identität, d. h. die Person zu werden, die man wirklich ist, wie auch die Erkenntnis, dass man immer mit anderen Menschen verbunden ist. Sie kann auch als eine Berufung gesehen werden, die im Leben erfüllt sein muss. Bei Siddhartha Gautama war es somit eine innere Notwendigkeit, ein spiritueller Lehrer zu werden anstatt ein weltlicher Herrscher. Um gerade dieses zu verhindern, versuchte sein Vater ihn von den Leiden anderer Menschen fernzuhalten und ihn stattdessen in jeder möglichen Form zu verwöhnen.

      Was wissen wir über die Kindheit des Siddhartha Gautama? Obwohl es nicht viel ist, sind mehr Fakten überliefert als zum Beispiel über die frühen Jahre von Jesus Christus. Wie wir später sehen werden, gibt es nur wenige Szenen in der Bibel über Jesus als Kind, zum Beispiel als er von seinen Eltern weglief und im Tempel blieb.

      Siddhartha Gautama wuchs in solchem Reichtum auf, dass alle seine Wünsche erfüllt wurden. Dennoch zeigte er kein hohes Interesse an praktischen Aktivitäten wie Landwirtschaft und Kampfkunst, was für seinen Vater mit Sicherheit schwer zu akzeptieren war (Schumann 2004, S. 37). Stattdessen hatte er eine hohe Neigung zur Philosophie, Kontemplation und Meditation – Aktivitäten, die deutlich von den Erwartungen an einen zukünftigen Staatsmann abwichen. Wie Schumann es ausdrückte: »Die Gautama-Familie, die seine schwache Weltverhaftung und seine Transzendenz-Neugier stirnrunzelnd beobachtete«, versuchte so weit wie möglich dieses zu verhindern. »Wenn die Legende berichtet, Suddhodana habe seinen Sohn gegen die Welt abgeschirmt, um ihm den Anblick des Leidens zu ersparen, so war wohl der wahre Grund, Ideen der Weltflucht von ihm fernzuhalten« (Schumann 2004, S. 43).

      In einem späteren Abschnitt beschreibt Schumann eindrücklich die Unterschiede zwischen Vater und Sohn:

      »Hatte Suddhodana … gehofft, sein ältester Sohn werde sich zu einem robusten, entschlossen der Welt zugewandten Tatmenschen mit politischen Ambitionen entwickeln, so wurde er enttäuscht. An fröhlichen Gruppenspielen und militärischen Übungen desinteressiert, war der Jüngling zum Eigenbrötler geworden und philosophischen Überlegungen und kontemplativen Betrachtungen allzu sehr hingegeben. Statt seine angenehmen Lebensumstände zu genießen, war er infolge selbstentwickelter Maßstäbe mit der Welt unzufrieden und litt unter ihren Unzulänglichkeiten. Zugleich sann er darüber nach, wie sich die Welt subjektiv überwinden lasse. Kurzum, er war, mit der Sprache der Psychologie zu reden, ein sensibler, habituell introvertierter Denktyp. Kein Wunder, dass ihn das Leben in Haus und Ehe seelisch nicht ausfüllte und er die Chance ergriff, als Samana (Mönch) der Welt zu entsagen« (Schumann 2004, S. 224).

      Zusammengefasst wuchs Siddhartha Gautama in einem Palast auf, in dem alle seine materiellen Bedürfnisse mehr als gedeckt waren. Wie er sich später daran erinnerte, »lebte ich … äußerst verwöhnt (im Elternhaus)« (Schumann 2004, S. 36). Als er 16 Jahre alt wurde (547 vor Christus), heiratete er seine Cousine Yasodhara, aber es dauerte weitere 13 Jahre bis sein Sohn Rahula geboren wurde. Insgesamt findet man wenig Aufsässigkeit in Siddhartha Gautamas Jugend. Allerdings führte seine Ernüchterung über sein materiell gesättigtes Leben schließlich dazu, dass er als junger Erwachsener im Alter von 29 Jahren seine Familie verließ.

      Von früh an muss Siddhartha Gautama eine tiefe Berufung zu einem spirituellen Leben gespürt haben. Seine inhärente spontane Spiritualität, die allen Menschen innewohnt, war einfach so überwältigend, dass er ihr folgen musste. 25 Jahrhunderte später konnte sich Thich Nhat Hanh, einer der weisesten und bekanntesten gegenwärtigen buddhistischen Lehrer, an eine ähnlich tiefe Berufung als Kind erinnern. In einer bewegenden Sendung von Oprah Winfrey (Winfrey 2010) wurde er von ihr gefragt:

OW: »Gibt es irgendeine besondere Erinnerung, die sie über ihre Kindheit erzählen können – ihre schönste Erinnerung?«
TNH: »Eines Tages sah ich ein Bild des Buddha in einer buddhistischen Zeitschrift und er saß auf dem Gras.«
OW: »Wie alt waren Sie da?«
TNH: »Sieben, acht … Und er saß auf dem Gras sehr friedvoll … lächelnd … Und ich war beeindruckt. Um mich herum waren die Menschen nicht so wie er, sodass ich mir wünschte, so zu werden wie er. Und ich hegte diesen Wunsch bis zum Alter von 16 Jahren, als sich die Erlaubnis meiner Eltern bekam, ein buddhistischer Mönch zu werden.«
OW: »Wie fühlte sich dieser Wunsch, dieses Drängen, dieses Gefühl von ›Was ich tun muss, was ich werden muss‹ … Wie fühlte es sich an?«
TNH:

      Was in diesem Interview so schön ausgedrückt wurde, ist die starke spirituelle Berufung eines jungen Kindes, das genau und intuitiv wusste, wie sein Lebensweg sein würde. Während Thich Nhat Hanh schon in einem frühen Alter Mönch werden konnte, musste Siddhartha Gautama bis zum Alter von 29 Jahren warten, um diesen großen Schritt zu machen.

      In der Biografie Siddharta Gautamas sind drei Szenen besonders bedeutsam: Die Erfahrung von tiefen meditativen Zuständen als Kind unter dem Rosenapfelbaum, die sogenannten vier Exkursionen und der große Abschied als junger Erwachsener. Diese werden in den folgenden Abschnitten ausführlich beschrieben.

      Der Rosenapfelbaum (oder das Pflügen)

      Die Rosenapfel-Szene erscheint auf den ersten Blick belanglos, spielt aber eine entscheidende Rolle in der Biografie des Buddha. Sie ist so wichtig, da Siddhartha Gautama »zum ersten Mal von der Möglichkeit der Befreiung kostete – etwas, das universell für jeden zur Verfügung steht, der es versucht« (Sasson 2013, S. 82). Der Rosenapfelbaum ist ein Busch mit tiefhängenden СКАЧАТЬ