Название: Buddhismus und kindliche Spiritualität
Автор: Alexander von Gontard
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783170351615
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Diese Lebewesen jedoch, die mitten in der Form leben,
und diejenigen, die in der Formlosigkeit verbleiben –
ohne die die Möglichkeit, Erlösung zu verstehen,
werden sie in einer neuen Existenz wiederkommen.«
Daraufhin erkannte Mara, der Teufel, dass die Nonne Cala ihn durchschaut hatte und verschwand auf der Stelle, traurig und enttäuscht. Es ist deutlich erkennbar, dass das Symbol der Geburt in der Lehre des Buddha eine völlig andere Bedeutung hatte, als es Eltern bei der Geburt ihres Kindes erleben.
Als Kinderarzt hatte ich während meiner Ausbildung in der Neugeborenen-Medizin das Privileg, Hunderte von Geburten zu erleben. Diese waren jedoch keine einfachen, normalen Geburten, sondern Hochrisikoentbindungen, die die Anwesenheit eines Kinderarztes erforderten. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich außerhalb des Operationssaales stand und das rasche, präzise operative Vorgehen beim Kaiserschnitt beobachtete. Die Hebamme übernahm das Baby und trug es, in Stoff gehüllt, nebenan zum Kinderarzt. Ich übernahm dann das Neugeborene zusammen mit einer Kinderkrankenschwester.
Manche Babys waren sehr schwer krank und benötigten sofortige, intensive medizinische Hilfe. In einem professionellen Ablauf wurden sie abgesaugt, untersucht und intubiert. Eine Infusion wurde gelegt und der Transport auf die Neugeborenen-Intensivstation wurde vorbereitet.
Allerdings war dies bei manchen Neugeborenen nicht notwendig. Alles, was erforderlich war, war den Schleim abzusaugen, für Wärme zu sorgen und etwas Sauerstoff bereitzustellen, sie zu beobachten und die ersten Atemzüge des Lebens wahrzunehmen. Dieses waren ausgesprochen bereichernde Momente der Gelassenheit, Freude und Stille. Oft war ich über das Wunder eines neuen Menschenlebens zu Tränen gerührt. Geburt hat immer eine positive Konnotation für mich. Dies ist auch der Grund, warum ich große Schwierigkeiten mit der negativen Bedeutung von Geburt in den Lehren des Buddha habe.
Nagarjuna
Ein weiteres Beispiel von Geburt in buddhistischen Schriften findet sich in einem schönen Gedicht von Nagarjuna. Nagarjuna ist ein verehrter, radikaler indischer Weiser und Kommentator, der im zweiten Jahrhundert nach Christi Geburt in Indien lebte, d. h. über 600 Jahre nach dem Tod des Buddha. Mehr als das, er ist ein Dichter, der in seinen Schriften durch eine extreme Form der dialektischen Infragestellung Annahmen dekonstruiert. In seinem Gedicht mit dem Namen »Geburt« umrundete er die Grundfrage »Was ist Geburt?«, ohne Antworten zu geben, die nicht in Worte gefasst werden können (Batchelor 2000, S. 90–93).
Vier Strophen des Gedichtes »Geburt« sollen diesen Punkt illustrieren:
»Wäre Geburt konditioniert,
würde sie geboren werden, leben und sterben
wie alle konditionierten Gegenstände.
Wäre sie nicht konditioniert, wie könnte sie
konditionierte Dinge beschreiben?
Wie kann ein Kind,
das noch nicht geboren wurde,
sich selbst gebären?
Was geboren wurde,
was noch nicht geboren wurde
und was geboren wird,
gebärt sich nicht selbst.
Alles ist voneinander abhängig
und ist natürlicherweise entspannt und in Ruhe.«
Was drückt Nagarjuna in diesem Gedicht aus? Zunächst sieht man klar, dass Geburt weder idealisiert noch abgelehnt wird. Darüber hinaus dekonstruiert Nagarjuna mit einem sehr radikalen Hinterfragen das Symbol der Geburt und seine assoziierten Bedeutungen. Er weist darauf hin, dass Wahrheit nur jenseits von Worten und Namen gefunden werden kann.
Zusammengefasst wird deutlich, dass Geburt und Kindheit in den klassischen buddhistischen Texten und der traditionellen Kunst eine weniger bedeutsame Rolle spielt, als zum Beispiel im Christentum. Dies mag an der historischen Rolle von Kindern zur Zeit des Buddha liegen. Auch Buddhas eigene Biografie kann dafür verantwortlich sein, dass dem Kindesalter weniger Bedeutung zugeschrieben wird. Allerdings erfüllen die Mythen um die Geburt und Kindheit des Buddha alle Voraussetzungen für den Archetyp des göttlichen Kindes, wie wir in einem späteren Kapitel sehen werden. Im nächsten Kapitel sollen zunächst historische und soziologische Aspekte von Kindheit in asiatischen Ländern umrissen werden.
7 Für eine umfassende Darstellung der Mythologie der 37 Nats darf auf Rodrigue (1992) verwiesen werden.
3 Kinder in Indien und anderen asiatischen Ländern
Kinder im alten Indien
Die Rolle von Kindern hat sich, abhängig von historischen und kulturellen Kontexten, über die Jahrhunderte verändert. Im wichtigsten wissenschaftlichen Werk über Kindheit und Buddhismus bemerkt Sasson zutreffend, dass »Kindheit ein Konstrukt und eine Kategorie darstellt und als solche eine Geschichte hat« (Sasson 2013, S. 9). In diesem Abschnitt werden wir uns auf die Rolle von Kindern während der Zeit des Buddha konzentrieren, vor allem auf die Rolle von Novizen und jungen Mönchen.
Langenberg geht im Detail auf die Rolle von Kindern im alten indischen Buddhismus ein. Im Prinzip wurde jede Person unter einem Alter von 20 Jahren nach den buddhistischen klösterlichen Traditionen als Kind angesehen (Langenberg 2013, S. 45). Novizen konnten dem Kloster ab dem Alter von sieben Jahren beitreten und ab dem Alter von 15 Jahren geweiht werden. Allerdings war eine volle Ordination nur ab dem oben erwähnten Alter von 20 Jahren möglich. Novizen mussten zehn Gelübde einhalten, im Gegensatz zu den über 200 Regeln, an die sich Mönche halten mussten. Kinder wurden für das Leben eines Mönches als emotional und körperlich ungeeignet angesehen, da es das Wandern, Reisen und das Erleiden von Hunger und Unbequemlichkeiten beinhaltete.
Dies kann anhand mehrerer Begebenheiten mit dem Buddha veranschaulicht werden. Einmal, nachdem eine Gruppe von Jugendlichen ordiniert wurde, einschließlich eines Jungen namens Upali, wurden sie hungrig, fingen an zu weinen und flehten nach Essen. Der Buddha fragte nach, ob er das Weinen von Kindern gehört hätte. Nachdem seine Frage bejaht wurde, legte er das Mindestalter für die Ordination auf 20 Jahre fest, um gerade solche schwierigen Situationen des Nahrungsmangels zu vermeiden. Langenberg zitiert eine wichtige Passage aus den buddhistischen Texten, die der Buddha zu Ananda, einem seiner Anhänger, spricht:
»Ananda, keiner sollte vor dem Alter von 20 Jahren ordiniert werden. Warum sollte das so sein, Ananda? Der Grund ist folgender: Diejenigen, die jünger als 20 Jahre sind, sind natürlicherweise unfähig, die Belastungen von Kälte und Hitze, Hunger und Durst, Fliegen, Bienen und Mücken, Wind und Sonne, Skorpionen und giftigen Schlangen, Beschimpfungen und Pöbeleien, Leiden des Körpers auszuhalten, die unerträglich, hart, beißend, unangenehm, lebensbedrohlich sind, diese unvorstellbaren Phänomene die immer auftreten und fließen« (Langenberg 2013, S. 50).
Die eingeschränkte Fähigkeit, Hunger auszuhalten, wurde deshalb als eine der Haupthindernisse für die Ordination von Kindern angesehen. Eine absolute Voraussetzung für Kinder, um Novize zu werden, war ihre Fähigkeit, Krähen zu verjagen. Zu einer anderen СКАЧАТЬ