Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783730703946

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СКАЧАТЬ kehrt er noch einmal nach Deutschland zurück, als Teilnehmer des olympischen Kongresses in Berlin. Manning erklärt hier die Absicht, zum olympischen Fußballturnier 1916 in Berlin ein US-Team zu entsenden. Doch der Erste Weltkrieg macht den Spielen und Mannings Ambitionen einen Strich durch die Rechnung. Den Krieg erlebt der deutsch-amerikanische Fußballpionier als Commanding Officer des 339. Feldlazaretts der US-Armee.*

      Es war also ein extrem bunter Haufen, der den FC Bayern ins Leben rief und auf die Spur brachte. Herkunft spielte keine Rolle, man gab sich liberal und weltoffen. Die »Bayern-Macher« waren ambitionierte, kreative, von einem Pioniergeist beseelte und nach neuen Ufern strebende junge Männer, die auch neben dem Fußballfeld bemerkenswerte Karrieren einschlugen.

      *Einer der Nachfolger Mannings ist der aus Deutschland stammende Jude Kurt Lamm (1919-1987), Präsident der USSF von 1971 bis 1987. Lamm, geboren in Salmünster (Osthessen), spielte zunächst u. a. für Borussia Fulda. 1936 Emigration in die USA (New York), wo er u. a. für Hakoah New York spielte. Als Trainer führte er Hakoah dreimal in Folge zum Gewinn der American Soccer League Champion ship. (Anfang der 1960er wird dieser Klub von Johan Herberger trainiert, einem Neffen Sepp Herbergers.) Nach dem Wechsel Franz Beckenbauers in die USA 1977 bat der DFB Lamm, mit dem neuen Arbeitgeber des ›Kaisers‹, Cosmos NewYork, über eine Freigabe für die Vorbereitung auf die WM 1978 zu verhandeln. 1993 wurde Lamm in die International Jewish Sports Hall of Fame und 1999 in die United States Adult Soccer Hall of Fame aufgenommen.

      Kapitel 2

      Debüts, Premieren und eine »ansteckende Seuche«

      1901 tritt dem FC Bayern Kurt Landauer bei, der bis zum Jahr 1933 zur prägenden Figur des Vereins werden sollte. Der 17-Jährige stammt aus dem vor den Toren Münchens gelegenen Planegg. Seine Eltern sind die sehr wohlhabenden jüdischen Kaufmannseheleute Otto und Hulda Landauer. Die »Münchner Neuesten Nachrichten« beschreiben Otto Landauer als »Kommerzienrat« und »Inhaber des bekannten Modehauses an der Kaufinger Straße«, also in der besten Stadtlage.

      Die Kaufingerstraße ist Teil der großen Ost-West-Achse der historischen Altstadt und gehört somit zur alten Salzstraße von Salzburg bzw. Reichenhall über Landsberg in die Schweiz. Münchens Kaufleute hatten hier einst ihre Wohnhäuser errichtet. Im 19. Jahrhundert wurden die barocken Wohnhäuser durch Kaufhäuser ersetzt.

      Die Landauers waren in der Kaufingerstraße 19 zu Hause, aber eine Epidemie in der Münchner Universitätsklinik trieb Hulda Landauer zur Geburt ihres dritten Kindes nach Planegg, begleitet von ihrer Hebamme. Wie die Autoren des Films »Kick it like Kurt« herausfanden, ist das Geburtshaus Kurt Landauers die heutige Bahnhofstraße 31 in Planegg. Kurt Landauer bedauert später, als Einziger der Familie kein »echter Münchner« zu sein.

      Kurt Landauer hat sechs Geschwister: Gabriele, Henny, Paul Gabriel, Franz, Leo und Alfons. Alfons, der jüngste der Brüder, wird sich 1928 nach dem Börsenkrach am »schwarzen Freitag« das Leben nehmen.

      Die großbürgerliche Familie Landauer ist bildungs-, kunst- und kulturbeflissen, denkt standesbewusst und politisch liberal. Man pflegt regen Kontakt zu Künstlern und Literaten. So gehört u. a. die in Berlin geborene expressionistische Malerin Gabriele Münter zum Freundeskreis. Münter ist 1901 nach München gezogen, wo sie in Schwabing der von ihrem Lehrer und Lebensgefährten Wassily Kandinsky gegründeten Gruppe »Der Blaue Reiter« angehört, die bedeutende deutsche und russische Expressionisten vereinigt. Im Nationalsozialismus wird Gabriele Münter mit einem Ausstellungsverbot belegt. Kandinskys Werke werden zur »entarteten Kunst« erklärt und 57 von ihnen aus deutschen Museen entfernt.

      Mit seiner Fußballvernarrtheit steht Kurt Landauer in seiner Familie zunächst allein. In der Kommunikation mit den anderen Familienmitgliedern fehlt es daher häufig an Gesprächsstoff und an gemeinsamen Interessen. Erst einige Jahre später treten auch die jüngeren Brüder Franz und Leo dem FC Bayern bei.

      Kurt Landauer beginnt beim FC Bayern als Aktiver, übernimmt aber im Laufe der Jahre mehr und mehr administrative Aufgaben.

      Verstärkung aus den Niederlanden

      Nicht nur deutsche Juden sind beim FC Bayern willkommen, sondern auch Ausländer. 1902 zieht der aus Arnheim stammende Niederländer Willem Hesselink nach München, um sein Studium der Chemie fortzusetzen. Daheim hat der Sohn eines Weingroßhändlers, der auch Vizekonsul von Spanien war, bereits an der Universität Leiden unter den späteren Nobelpreisträgern Hendrik Anton Lorentz (1902) und Heike Kamerlingh Onnes (1913) studiert. An der Ludwig-Maximilian-Universität wird nun Conrad Wilhelm Röntgen, Nobelpreisträger 1901, zu seinen Professoren gehören.

      Wie viele hinzugezogene Studenten vor ihm schließt sich auch Hesselink dem FC Bayern an. Der Neue erweist sich als Glücksfall für den Klub. Mit seinen 24 Jahren bringt er bereits ein enormes Ausmaß an Erfahrung mit – als Spieler wie als Organisator; 1892 zählte er als 14-Jähriger zu den Gründern von Vitesse Arnheim. Hesselink war ein vielseitiger Athlet. Neben Fußball betrieb er noch Cricket, Tauziehen und Leichtathletik. Über eine Meile und im Weitsprung stellte er Landesrekorde auf. Sein 6,20-Meter-Sprung aus dem Jahr 1898 wird erst 1910 übertroffen. Im Tauziehen wurde Hesselink mit seinem Team niederländischer Meister.

      1899 schloss er sich der HVV Den Haag an, der Haagse Voetbal Vereniging. Wie Vitesse Arnheim hatte auch der HVV seine Wurzeln im Cricket. Diese Sportart spielt in den Niederlanden und besonders in Den Haag eine wichtige Rolle. Der in den Niederlanden aufgewachsene Schriftsteller Joseph O’Neill lässt in seinem Roman »Niederland« seine zentrale Figur, den Bankier und Hobby-Cricketer Hans van den Broek, über Den Haag und Cricket philosophieren: »Ich bin aus Den Haag, wo sich holländisch bürgerlicher Snobismus und holländisches Cricket, durchaus nicht gänzlich ohne Zusammenhang, am stärksten kon zentrieren.«

      Vor dem Ersten Weltkrieg ist die HVV der erfolgreichste Fußballklub der Niederlande. Von 1900 bis 1914 gewinnt sie achtmal die nationale Meisterschaft. Bei den ersten beiden Titeln, 1900 und 1901, ist auch Willem Hesselink dabei. Das in Berlin erscheinende Sportjournal »Sport im Wort« charakterisiert ihn nach einem Spiel der Berliner Preußen in den Niederlanden als »zweifellos gefährlichsten Spieler«. Mehrfach wird er in die Bondselftal berufen, der inoffiziellen Nationalmannschaft der Niederlande.

      Ein Ausländer als Star und Präsident

      1903 wird Willem Hesselink Präsident des FC Bayern und beerbt in dieser Funktion den Preußen Franz John. Auf dem Feld avanciert er gleichzeitig zum ersten ausländischen Star des Klubs. Daneben agiert das Multitalent auch noch als Trainer.

      Sein Studium vernachlässigt er darüber keineswegs. Am 27. Juli 1904 reicht der Bayern-Präsident seine Dissertation ein. Das süffige Thema lautet: »Über die Weine des Weinbaugebietes am Douro, die sog. Portweine«. Es folgt eine Beschäftigung als Doktor der Chemie an der Hohen Philosophischen Fakultät.

      Am 14. Mai 1905 läuft Hesselink zum ersten und letzten Mal für die nun offizielle niederländische Nationalmannschaft auf. Es ist das zweite offizielle Länderspiel der Niederlande. Vor 30.000 Zuschauern in Rotter-dam fährt die Elftal gegen Belgien einen späten, aber klaren Sieg ein. Erst in der 74. Minute erzielt Hesselink die Führung. Zweimal Eddy De Neve, Sohn eines Majors der Königlichen Niederländisch-Indischen Armee und in Jakarta aufgewachsen, und der Arnheimer Guus Lutjens erhöhen in den folgenden zehn Minuten auf 4:0, was auch der Endstand ist.

      Nach einem Zwischenaufenthalt in Frankfurt/M. (1907-1908) kehrt Hesselink in die Niederlande zurück, wo er in Arnheim ein gerichtsmedizinisches Laboratorium aufbaut und zum Direktor des Gesundheitsamtes avanciert. Hesselink wird Mitglied der Internationalen Akademie für Kriminologie und erwirbt den Ruf eines Experten für Blutanalysen, Fingerabdrücke und Schriftvergleiche. Sporthistoriker Andreas Wittner: »Noch heute kann man sich im Niederländischen Polizei-Museum in Apeldoorn über Dr. Willem СКАЧАТЬ