Название: Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Автор: Sir Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726755084
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„Ich werde die Sache näher ins Auge fassen,“ sagte Holmes, sich erhebend, „und bezweifle nicht, dass wir sie ergründen. Verlassen Sie sich auf mich, mein Fräulein, und grübeln Sie nicht weiter. Versuchen Sie vor allem, Herrn Hosmer Angel zu vergessen, wie er scheinbar auch Sie vergessen hat.“
„Demnach glauben Sie nicht, dass ich ihn wiedersehen werde?“
„Ich bezweifle es.“
„Was mag ihm denn zugestossen sein?“
„Erlassen Sie mir die Antwort. Am liebsten hätte ich eine genaue Personalbeschreibung von ihm und alle Briefe, die Sie mir anvertrauen können.“
„Ich habe bereits am vorigen Sonnabend eine Anzeige im ,Chronicle‘ eingerückt,“ erwiderte sie. „Hier ist das Blatt, und hier sind vier Briefe von ihm.“
„Danke. Und nun, bitte, Ihre Adresse.“
,,Lyon-Place 31, Camberwell.“
„Wenn mir recht ist, sagten Sie, dass Sie Herrn Angels Adresse nie besessen haben. Wo ist das Geschäft Ihres Vaters?“
„Er reist für Westhouse & Marbank“, das grosse Wein-Importgeschäft in Fenchurch-Street.“
„Ich danke Ihnen. Sie haben mir die Sache sehr klar auseinandergesetzt. Lassen Sie die Papiere hier und beherzigen Sie meinen Rat. Betrachten Sie die ganze Begebenheit wie ein versiegeltes Buch, und lassen Sie sich nicht länger davon anfechten.“
„Sie meinen es gut mit mir, Herr Holmes, das aber kann ich nicht versprechen. Hosmer bleibe ich treu, und er soll mich bereit finden, wenn er zurückkehrt.“
Trotz des lächerlichen Hutes und ihres Puppengesichtes verlieh dieser kindliche Glaube dem Wesen unserer Besucherin einen gewissen Adel, welcher Achtung heischte.
Sie legte ihr Päckchen Papiere auf den Tisch und entfernte sich mit dem Versprechen, wiederzukommen, sobald sie gewünscht würde.
Still in sich gekehrt sass Sherlock Holmes eine Weile da, streckte die Beine aus, legte die Fingerspitzen aneinander und blickte hinauf an die Decke. Dann nahm er die alte Thonpfeife, seine treue Ratgeberin, wie er sie nannte, vom Gesimse, stopfte sie und lag bald, von dichten Rauchwolken umgeben, mit dem Ausdruck unendlicher Müdigkeit und Schlaffheit in seinem Stuhl.
„Interessante Studie — das Mädchen,“ bemerkte er. „Sie selbst ist interessanter als ihr Erlebnis, das, nebenbei gesagt, ein ziemlich abgedroschenes ist. Du findest ähnliche Fälle in meinen Verzeichnissen vom Jahre 1877 in Andover, und etwas Gleichartiges trug sich im vorigen Jahr im Haag zu. Ist auch der Grundgedanke nicht neu, so waren es doch ein paar Nebenumstände. Aber das Mädchen selbst ist eine Studie.“
„Du musst wieder vieles an ihr wahrgenommen haben, das für mich unsichtbar blieb,“ bemerkte ich.
„Sage lieber, das du nicht beachtet hast! Du hast eben nicht hingesehen, wo du solltest. Bringt man dich denn nie dahin, die Wichtigkeit der Aermel zu würdigen, oder die vielsagende Beschaffenheit der Fingernägel, oder wichtige Schlüsse aus einem Stiefelknopf zu ziehen? Sag’ mir einmal, was hast du an der äusseren Erscheinung dieses Mädchens wahrgenommen?“
„Nun, sie trug einen schiefergrauen grossen Hut mit einer ziegelroten Feder. Ihre schwarze Jacke war mit Perlen benäht und hatte einen schmalen Pelzbesatz. Das Kleid war von dunkler Kaffeefarbe, und purpurroter Sammet verzierte Hals und Aermel. Ihre grauen Handschuhe waren am rechten Zeigefinger zerrissen. Die Stiefel habe ich nicht angesehen. Sie trug kleine, runde und herabhängende Ohrringe und machte im allgemeinen den Eindruck einer anständigen und wohlhabenden Person des gewöhnlichen Mittelstandes.“
Sherlock Holmes klatschte leise in die Hände und schüttelte sich vor Lachen.
„Auf Ehre, Watson, du machst brillante Fortschritte! Gut — sehr gut. Das Wichtigste hast du freilich übersehen, hast aber Methode bewiesen und einen scharfen Blick für Farben gezeigt. Traue nur nie allgemeinen Eindrücken, mein Junge, auf die Einzelheiten muss man achten. Mein erster Blick gilt stets dem Aermel einer Frau. Bei dem Manne kommt es vielleicht noch mehr auf die Kniee der Hose an. Wie, du bemerktest, hatte das Mädchen Sammet, an den Aermeln, in Bezug auf Eindrücke und Spuren ein höchst nützliches Material. Die doppelte Linie über dem Handgelenk, wo die Maschinenschreiberin gegen den Tisch drückt, trat prächtig hervor. Die Handnähmaschine hinterlässt ähnliche Streifen, aber nur am linken Arm und auf der Seite, während sich diese gerade über den breitesten Teil hinzogen. Dann blickte ich in ihr Gesicht, und da ich den Druck eines Klemmers zu beiden Seiten ihrer Nase wahrnahm, wagte ich eine Bemerkung über Kurzsichtigkeit in Verbindung mit Maschinenschreiben, welche sie sichtlich überraschte.“
„Mich nicht minder.“
„Die Sache lag doch klar auf der Hand. Sodann fiel mir auf, dass sie zwei verschiedene Stiefel trug; der eine hatte eine verzierte Kappe, der andere nicht. An dem einen hatte sie von fünf Knöpfen nur die zwei untersten zugeknöpft, beim andern nur den ersten, dritten und fünften. Verlässt eine sonst sorgsam gekleidete, junge Dame das Haus mit zweierlei nur halbzugeknöpften Stiefeln, so gehört nicht viel, dazu, um den Schluss zu ziehen, dass sie eilig fortgegangen ist.“
„Und was noch?“ fragte ich so gespannt, wie immer, wenn mein Freund seine scharfen Beobachtungen aussprach.
„Ferner bemerkte ich, dass sie, bereits fertig angezogen, noch geschrieben hatte, ehe sie das Haus verliess. Du hast zwar bemerkt, dass ihr rechter Handschuh am Mittelfinger zerrissen war, hast aber offenbar einen lila Tintenfleck an Handschuh und Finger übersehen. Sie hatte in der Eile geschrieben und die Feder zu tief eingetaucht — und zwar heute morgen, sonst wäre der Fleck am Finger nicht so deutlich gewesen. Ja, ja, das alles ist spassig, wenn auch einfach genug. Jetzt aber muss ich an die Arbeit, Watson. Thu mir den Gefallen und lies mir die Personalbeschreibung des gesuchten Hosmer Angel vor.“
„Ich hielt den Zeitungsausschnitt an das Licht: „Vermisst seit dem 14. morgens ein Herr, Namens Hosmer Angel. Derselbe ist gross, kräftig gebaut, blass, hat schwarzes Haar, eine kahle Stelle auf dem Kopf, starken, dunkeln Backen- und Schnurrbart; er trägt eine dunkle Brille und hat einen kleinen Sprechfehler. Seine Kleidung bestand, als er zuletzt gesehen wurde, aus einem schwarzen, mit Seide eingefassten Rock, schwarzer Weste mit goldener Kette, grauem Beinkleid und braunen Gamaschen über den Stiefeln mit Gummizügen. Der Vermisste arbeitete in einem Geschäft in Leadenhall-Street; wer über ihn irgend welche Angaben u. s. w.“
„Das genügt,“ sagte Holmes, und nachdem er die Briefe überflogen, meinte er: „Höchst alltäglich; Herr Angel zitiert Balzac, das ist das einzige Bemerkenswerte. Und doch wird auch dir ein Umstand auffallen.“
„Dass die Briefe mit der Maschine geschrieben sind,“ erwiderte ich.
„Nicht allein das, sondern auch die Unterschrift ist Typenschrift. Sieh, wie sauber hier unten das ,Hosmer Angel‘ steht. Hier ist ein Datum, aber keine genaue Ortsangabe, denn Leadenhall-Street allein kann nicht genügen. Diese Unterschrift lässt auf vieles schliessen — ja, sie ist massgebend.“
„Wofür?“
„Siehst du wirklich nicht ein, wie schwer das ins Gewicht fällt, alter Junge?“
„Ehrlich gesagt, nein, es sei denn, der Schreiber hoffte auf diese Weise seine Unterschrift abschwören zu können, falls er wegen Bruchs des Eheversprechens zur Rechenschaft gezogen würde.“
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