Zeitstrukturen. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Erzählungen von der Geschichte der Feste spielen, zum anderen beleuchtet er die Argumente jener gesellschaftlichen Gruppen, die einen Festtermin bestimmen und sich unter Umständen gegen die Interessen anderen Gruppen durchsetzen können.

      Das vorliegende Heft wird durch zwei weitere Beiträge abgerundet. Kurt Kardinal Koch wendet sich der Frage zu, wie es um die christliche Zukunft Europas bestellt ist. Fußend auf einem Zitat Franz Kardinal Königs, in dem die Wichtigkeit der geistigen Fundamente Europas hervorgehoben wird, begibt sich dieser Beitrag auf die Suche nach der „Seele Europas“. Er schließt mit einem Plädoyer dafür, dass Religion weiterhin ein öffentliches Thema in Europa bleibt, das nicht ganz ins Private abgedrängt werden darf.

      Christian Spieß beschäftigt sich eingehend mit „Fratelli tutti“, der neuesten Sozialenzyklika von Papst Franziskus und nimmt diese kritisch in den Blick. Das Dokument, das die geschwisterliche Liebe und soziale Freundschaft als theologisch-ethisches Motiv in den Mittelpunkt stellt, erweckt insgesamt eher den Eindruck einer prophetischen Sozialkritik als einer systematischen, theologisch-ethischen Auseinandersetzung. Am Beispiel der Themen: Migration, Wirtschaftstheorien, Krieg und Inklusion erläutert der Beitrag die Stärken und Schwächen dieser Enzyklika.

      Geschätzte Leserinnen und Leser!

      Die unterschiedlichen Einblicke in Zeitstrukturen, ihre Bestimmung und Bedeutung zeigen, wie wichtig dieses Thema für das Zusammenleben in einer Gesellschaft ist. Umgekehrt erlaubt dieser Blick auf die Zeit auch einen Einblick in das Selbstverständnis einer Gesellschaft, einer Religionsgemeinschaft und ihrer komplexen Orientierungssysteme.

      Ihre

      Susanne Gillmayr-Bucher

      (für die Redaktion)

      Reinhold Esterbauer

      Warum brauchen Menschen strukturierte Zeit?

      Bemerkungen zu einer leibzeitlichen Anthropologie

      ♦ Um zu einem adäquaten Verständnis von Zeit zu gelangen, wollen auch die Wechselseitigkeit von chronometrischer Zeit und leiblicher Eigenzeit sowie interpersonale Zeit reflektiert werden. In dieser Reflexion nimmt die Bedeutung der Zeitekstasen von Vergangenheit und Zukunft durch den eigenen Leib zu. Dabei wird eine auch anthropologisch bedeutsame Diskrepanz zwischen einer objektiven Seite und einer subjektiven Seite der Zeit sichtbar. Diese Wechselseitigkeit macht eine Vorstellungsumkehr der Zeit als eines objektiven Gegenübers hin zu einem personalen Zugang als eigener Zeit wichtig und notwendig. Trotz methodischer Umkehr bleiben aber praktische Herausforderungen dieser Wechselwirkung von objektiver und subjektiver Zeit im Leben des Einzelnen präsent, die nicht nur gestaltet werden können, sondern die auch gestaltet werden müssen. (Redaktion)

      Wenn man darüber nachdenkt, warum Menschen eine strukturierte Zeit brauchen, steht man vor einem ähnlichen Problem wie Alister Cox. Denn einesteils wird Zeit meist mit der Hilfe von Uhren strukturiert, andernteils aber scheint sich das Ordnen von Zeit nicht darin zu erschöpfen.

      Die folgenden Überlegungen möchten dieser Diskrepanz nachgehen und sowohl anthropologisch als auch ontologisch differente Zeitebenen aufspüren. Die zugrundeliegende These wird sein, dass es für ein adäquates Verständnis von Zeit nicht genügt, sich chronometrisch auf sie zu beziehen, sondern dass auch leibliche Eigenzeit und interpersonale Zeit für ihre Strukturierung maßgeblich sind.

      1 Chronometrische Zeit und leibliche Eigenzeit

      In sehr vielen Bereichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen bleibt Zeit un­thematisch. Was man gewöhnlich als selbstverständlich erachtet, wird nur selten zum Thema und gibt Anlass, darüber nachzudenken – z. B. wenn es um Arbeits- und Urlaubszeiten, Jubiläen oder Zeitmessung im Sport geht. Am augenfälligsten scheint Zeit zunächst an Dingen in Erscheinung zu treten, die es erlauben, sie zu messen. Uhren und Chronometer zeigen die Zeit an und machen sie besonders spürbar, wenn man beispielsweise entweder in Bedrängnis gerät, weil eine Frist viel zu früh verstreicht, oder man im Gegenteil Langeweile empfindet, wenn Zeit nicht vergehen will.

      Zum anderen geht es um technische Präzision. Besitzen Uhren nämlich keine Ganggenauigkeit, zeigen sie im Vergleich unterschiedliche Zeiten an und erlauben die Synchronisierung von Tätigkeiten oder Treffen nicht mehr oder nur mehr ungenau. Daher ging es in der Entwicklung von Uhren auch darum, die Hemmungen zu verbessern und die Uhren dadurch genauer werden zu lassen, dass man die Frequenz der Bewegungen, von denen Zeit abgenommen wurde, erhöhte – vom Pendel über die Unruhe und die Stimmgabel bis zu Quarz- und Atomschwingungen.

      Mit der Hilfe von Chronometern und der ihnen zugrundeliegenden objektiven Zeit gelingt es, Geschwindigkeiten zu messen, Abläufe zu strukturieren, Vorgänge zu normieren und menschliches Zusammenleben zu organisieren. Solch objektiver, äußerer Zeit steht allerdings eine andere Form von Zeit gegenüber, nämlich subjektive Zeit. Es handelt sich dabei um die Eigenzeit einer menschlichen Person. Lebensgeschwindigkeiten, einzelnes Zeitempfinden oder körperliche Rhythmen sind unterschiedlich und entsprechen nicht einer universalen Norm, die für alle gelten würde. Darüber hinaus weist subjektive Zeit jeweils unterschiedliche Dauer und Qualität auf. Empfinden die einen eine bestimmte Zeit als langweilig oder leer, kann dieselbe Zeit für andere erfüllt oder aufregend sein. So ist es möglich, dass die scheinbar qualitätslose Zeit, wie sie von Uhren gemessen wird, unterschiedliche Güte aufweist, wenn etwa ein bestimmter Zeitpunkt für den einen ein Moment des Glücks gewesen ist, während er für die andere großes Leid gebracht hat. Da zwar Quantitäten, aber nicht Qualitäten mit der Hilfe von Uhren gemessen werden können, liegt die Behauptung nahe, zu quantifizierbarer, chronometrischer Zeit erst dadurch zu gelangen, dass man von deren Qualität abstrahiert, beziehungsweise eine allgemeine und einheitliche Zeit nur erhält, wenn man individuelle Unterschiede qualitativen Zeiterlebens ausblendet.