Название: Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор: Friedrich de La Motte Fouque
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027207022
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Man saß schon wieder vertraulich kosend an der Tafel, Bertha bei Gabriele, Heerdegen bei Folko, Arinbiörn neben Otto, da bemerkte dieser, daß hinter des Seeköniges Stuhl ein hohes, goldlockiges Frauenbild stand, mit einem langen Schwert umgürtet, wunderschön, aber streng und regungslos, und indem Otto aufsprang, ihr mit zierlichen Entschuldigungen seinen Platz anbietend, wandte sie sich unwillig von ihm und schritt aus dem Saal. – »Ach, ist es weiter nichts als das?« sprach Arinbiörn, da er auf sein Befragen die Ursache von Ottos und vieler andern Gäste Staunen vernahm. »Ihr holde Fraun und edle Herrn, meine Eltern wollten mich einstmalen mit dieser kriegerischen Jungfrau verloben, die Gerda geheißen ist, und weit berühmt wegen ihrer Zauberkräfte in den nördlichen Landen, auch unserm Stamme nah verwandt. Mich aber hielt ein Traumbild, das ich irgendwo in einem Spiegel gesehn, – ach, so wunderhold, so wunderzart, – und das ich jetzt eben wiedersehe.« –
Der Seekönig stockte und geriet in eine seltsame Verwirrung. Es war hübsch anzusehn, wie eine mädchenhafte Schamröte über das kräftige Heldenantlitz flog. Bald aber ermannte er sich wieder, und fuhr folgendermaßen fort:
»Genug, ihr Frauen und Männer, es ward aus unsrer Heirat nichts. Gerda sagte: ›Kann ich nicht dein Eheweib sein, so will ich doch deine siegbringende Walküre sein‹; und seit dieser Zeit folgt sie, auch ungebeten, meinen Zügen nach, und bringt mir oft unerwartetes Glück, und kocht mir bisweilen den wunderlichen Heldentrank unsres Norderlandes, davor man auf lange Zeit hinaus unbezwingbar wird, als nur vor bezauberten Waffen; und weil ich es in manchen Fällen unritterlich halte, ihn zu brauchen, bringt sie mir ihn öfters mit unterschiedlichen Listen bei.«
»Der Freiherr Montfaucon hat uns jüngsthin eine Sage von solch einem Trank erzählt«, sagte Don Hernandez.
»Mit dem Tranke hat es seine Richtigkeit-, fuhr Arinbiörn fort. »Weil er aber, in Unvorsichtigkeit und maßloser Gier genossen, gar abscheuliche und entsetzliche Wirkungen hervorbringen soll, scheuen ihn meine Kriegsleute, und scheuen die Gerda mit. Und sie meint es doch gewiß immer sehr gut; aber was seltsam ist sie, das ist wahr. Dort Heerdegen hat auf eine eigne Weise ihre Bekanntschaft gemacht: an der ostfriesischen Küste, nicht lange bevor er mit mir zum Holmgange kam ...«
Und während nun Heerdegen auf Verlangen der Gesellschaft die Geschichte jenes Abends erzählte, war Gerda selbsten wieder ins Zimmer getreten, von den meisten unbemerkt, hatte wieder hinter Arinbiörns Stuhl Platz genommen, und ein großes Goldhorn mit lauterm Tranke bis obenan gefüllt, neben ihn hingestellt, ohne daß der Seekönig darauf acht gab. So wie sich Otto, der sie hatte kommen sehn, nach ihr umdrehte, winkte sie ihm mit unzufriednen Mienen, sitzen zu bleiben, trat wie scheu zurück, und schwankte, gleich einer Träumenden, bald hier, bald dort, in der Halle auf und ab. Darüber verlor sie Otto auch alsbald aus den Augen, und um so mehr, da Heerdegen in seiner Erzählung einiges von Frau Minnetrost hatte fallen lassen, und nun von mehrern Gästen angelegentlich darüber befragt ward; Otto konnte nicht fragen, aber seine ganze Seele war bei jener seligleuchtenden Mondscheingestalt; Berthas Augen standen voll Tränen.
Da flüsterte Gabriele mit anmutig neckender Empfindlichkeit in ihres Bräutigams Ohr: »O wie zerstreut schon am Verlobungstage!« – Und wie sich Otto entschuldigen wollte, fuhr sie lächelnd fort: »Nein, nein; es muß Euch etwas ausschließend beschäftigen. Ihr seid ja ein Deutscher, und doch behalten sogar die Becher Ruhe vor Euch. Habt Ihr denn schon ein einzigesmal auf die Gesundheit Eurer Braut getrunken?« – »O mein Leben, mein Heil, meines Sieges Krone!« rief Otto, und in süßbegeisterter Verwirrung leerte er das ihm zunächst stehende Trinkgefäß, erst dann bemerkend, es sei Arinbiörns Goldhorn gewesen, als ihm Gerda auf die Schulter klopfte, und dem sich Umwendenden dräuend ins Ohr sagte: »Du, du! Da hast du Schönes angerichtet! Hab's denn, was du nicht besser haben wolltest.« – Wie ein Feuerstrom brannte ihm derweile das Getränk den Schlund hinab, und gleich darauf sahe er, wie Gerda in einem Winkel der Halle ihm gegenüber stand, eifrig über Arinbiörns Streitaxt hinsprechend, und Zeichen darüber beschreibend, ohne doch ein Auge von Otto zu verwenden. Endlich lehnte sie die Streitaxt an des Seekönigs Sessel, und schritt kopfschüttelnd aus dem Saal.
Heller und freudiger kreiste indessen Sang und Gespräch um die Tafel; ein herzinniges Wohlwollen und Wohlbehagen tauschte sich in fröhlichen Strömungen gegeneinander aus, und in den dazwischen geworfnen Liedern oder Sprüchen der weisen Meister erkannte man gern die Blüten der allgemeinen Festeslust.
Aber in des armen Otto Gemüt entzündete das jubelnde Tönen um ihn her nur wilder und wilder ein verworrnes, unheimliches Ringen. Ganz feindlich drangen Lieder und Worte gegen ihn an, auf ihn ein, über ihn hin, gestalteten zu fremden Mißgebilden, was ihn umgab, engten des Saales freudige Bogen zusammen zur düster engen Grabeskapelle, verzerrten ihm die Züge Arinbiörns und Heerdegens und Folkos und Berthas und Gabrielens selbst. Es ward ihm zumut, als schwimme er in einem endlosen, betäubend brausenden Meer, und Fische mit Menschengesichtern schnappten höhnisch nach ihm, worunter besonders einer entsetzlich anzusehn war, der sich ein Paar große Geierfittiche auf das Haupt gesetzt hatte, und einen von Schwerthieben zernarbten Totenschädel im Rachen trug. – »Es ist der aus der Burgkapelle!« dachte Otto bei sich, und dann ermannte er sich wieder, sich erinnernd, es sei ja niemand anders, als Arinbiörn, der tapfre, freundliche Seekönig, der neben ihm sitze bei einem herrlichen Mahl. Bald aber meinte er wieder, ein Seekönig möge wohl ebensogut ein schrecklicher Raubfisch sein können, und dann fiel ihm ein, was Heerdegen ehmals von Nebelwitwen und Grubenjägern an der finnischen Grenzscheide erzählt hatte, und allerhand tolles Zeug mehr. Er konnte sich kaum erhalten vor Schwindel, und vor einer ungeheuern Kraft, die in seinen Sehnen glühte, durch seine Adern rann.
Plötzlich fuhr er empor, seine Augen funkelten gräßlich, seine Stimme tönte wie ein furchtbarer Donner durch den Saal; rechts und links neben ihm sprang alles unwillkürlich auf, wie scheues Wild, er stand allein in der Mitte der Hallen, sein Schwert, das er raschen Sprunges mit entsetzlicher Behendigkeit aus einer Ecke erfaßt hatte, wirbelnd und leuchtend über den Scheitel schwingend. – »Hallo! Hallo!« rief er, »wo ist der böse Feind? Hallo! Hussa! Ich fodr' ihn aus! Ich steh' ihm riesenstark!«
»Weh, weh, er ist besessen? Er ist des bösen Feinds Genoß!« – So ging ein leises Flüstern schon durch Männer und Frauen, die Wände entlängst, an die sich alles gedrängt hatte vor dem Dräuen der furchtbaren Gestalt. »Ich wag's mit ihm auf Tod und Leben zum zweitenmal!« sprach der kühne Freiherr von Montfaucon, die Damen beruhigend, und wollte sich vom Lager erheben, aber vor der schnellen Bewegung sprang die Wunde wieder auf. Ohnmächtig sank er zurück, und ward, von der zitternden Blancheflour begleitet, aus dem Gemach getragen.
Alsbald sprangen Hernandez und drei edle fränkische Ritter heran, den furchtbar rasenden Jüngling zu bändigen – im Augenblick aber taumelten sie schwer verwundet vor seiner Faust nach den Wänden zurück. Er lachte, und stellte sich so, daß niemand mehr nach dem Ausgange des Saales gelangen konnte, ohne von ihm bedroht zu sein. – »Werft Speere, werft Messer nach ihm!« schrie es von allen Seiten in Zorn und Bangigkeit, Berthas leises Bitten: »O schont ihn! O schleudert doch nicht!« ungestüm übertönend. Die Messer, die Speere flogen; sie trafen den Ungeharnischten, und prallten СКАЧАТЬ