Название: Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer
Автор: Arthur Schopenhauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027208456
isbn:
3) Diese wirklichen, unveränderlichen, ursprünglichen Formen des Denkens sind allerdings die der logischen Tafel der Urtheile Kants; nur daß auf dieser sich blinde Fenster, zu Gunsten der Symmetrie und der Kategorientafel befinden, die also wegfallen müssen; imgleichen eine falsche Ordnung. Also etwan:
a) Qualität: Bejahung oder Verneinung, d. i. Verbindung oder Trennung der Begriffe: zwei Formen. Sie hängt der Kopula an.
b) Quantität: der Subjektbegriff wird ganz oder zum Theil genommen: Allheit oder Vielheit. Zur ersteren gehören auch die individuellen Subjekte: Sokrates, heißt: »alle Sokrates«. Also nur zwei Formen. Sie hängt dem Subjekt an.
c) Modalität: hat wirklich drei Formen. Sie bestimmt die Qualität als nothwendig, wirklich, oder zufällig. Sie hängt folglich ebenfalls der Kopula an.
Diese drei Denkformen entspringen aus den Denkgesetzen vom Widerspruch und von der Identität. Aber aus dem Satz vom Grunde und dem vom ausgeschlossenen Dritten entsteht die
d) Relation. Sie tritt bloß ein, wenn über fertige Urtheile geurtheilt wird und kann nur darin bestehn, daß sie entweder die Abhängigkeit eines Unheils von einem andern (auch in der Pluralität beider) angiebt, mithin sie verbindet, im hypothetischen Satz; oder aber angiebt, daß Urtheile einander ausschließen, mithin sie trennt, im disjunktiven Satz. Sie hängt der Kopula an, welche hier die fertigen Urtheile trennt oder verbindet.
Die Redetheileund grammatischen Formen sind Ausdrucksweisen der drei Bestandtheile des Urtheils, also des Subjekts, Prädikats und der Kopula, wie auch der möglichen Verhältnisse dieser, also der eben aufgezählten Denkformen, und der näheren Bestimmungen und Modifikationen dieser letzteren. Substantiv, Adjektiv und Verbum sind daher wesentliche Grundbestandtheile der Sprache überhaupt; weshalb sie in allen Sprachen zu finden seyn müssen. Jedoch ließe sich eine Sprache denken, in welcher Adjektiv und Verbum stets mit einander verschmolzen wären, wie sie es in allen bisweilen sind. Vorläufig ließe sich sagen: zum Ausdruck des Subjekts sind bestimmt: Substantiv, Artikel und Pronomen; – zum Ausdruck des Prädikats: Adjektiv, Adverbium, Präposition; – zum Ausdruck der Kopula: das Verbum, welches aber, mit Ausnahme von esse, schon das Prädikat mit enthält. Den genauen Mechanismus des Ausdrucks der Denkformen hat die philosophische Grammatik zu lehren; wie die Operationen mit den Denkformen selbst die Logik.
Anmerkung. Zur Warnung vor einem Abwege und zur Erläuterung des Obigen erwähne ich S. Sterns »Vorläufige Grundlage zur Sprachphilosophie«, 1835, als einen gänzlich mißlungenen Versuch, aus den grammatischen Formen die Kategorien zu konstruiren. Er hat nämlich ganz und gar das Denken mit dem Anschauen verwechselt und daher aus den grammatischen Formen, statt der Kategorien des Denkens, die angeblichen Kategorien des Anschauens deduciren wollen, mithin die grammatischen Formen in gerade Beziehung zur Anschauung gesetzt. Er steckt in dem großen Irrthum, daß die Sprache sich unmittelbar auf die Anschauung beziehe; statt daß sie unmittelbar sich bloß auf das Denken als solches, also auf die abstrakten Begriffe bezieht und allererst mittelst dieser auf die Anschauung, zu der sie nun aber ein Verhältniß haben, welches eine gänzliche Aenderung der Form herbeiführt. Was in der Anschauung daist, also auch die aus der Zeit und dem Raum entspringenden Verhältnisse, wird allerdings ein Gegenstand des Denkens; also muß es auch Sprachformen geben es auszudrücken, jedoch immer nur in abstracto, als Begriffe. Das nächste Material des Denkens sind allemal Begriffe, und nur auf solche beziehn sich die Formen der Logik, nie direkt auf die Anschauung. Diese bestimmt stets nur die materiale, nie die formale Wahrheit der Sätze, als welche sich nach den logischen Regeln allein richtet.
Ich kehre zur Kantischen Philosophie zurück und komme zur transscendentalen Dialektik. Kant eröffnet sie mit der Erklärung der Vernunft, welches Vermögen in ihr die Hauptrolle spielen soll, da bisher nur Sinnlichkeit und Verstand auf dem Schauplatz waren. Ich habe schon oben, unter seinen verschiedenen Erklärungen der Vernunft, auch von der hier gegebenen, »daß sie das Vermögen der Principien sei«, geredet. Hier wird nun gelehrt, daß alle bisher betrachteten Erkenntnisse a priori, welche die reine Mathematik und reine Naturwissenschaft möglich machen, bloße Regeln, aber keine Principien geben; weil sie aus Anschauungen und Formen der Erkenntniß hervorgehn, nicht aber aus bloßen Begriffen, welches erfordert sei, um Princip zu heißen. Ein solches soll demnach eine Erkenntniß aus bloßen Begriffen seyn und dennoch synthetisch. Dies aber ist schlechthin unmöglich. Aus bloßen Begriffen können nie andere, als analytische Sätze hervorgehn. Sollen Begriffe synthetisch und doch a priori verbunden werden; so muß nothwendig diese Verbindung durch ein Drittes vermittelt seyn, durch eine reine Anschauung der formellen Möglichkeit der Erfahrung; so wie die synthetischen Urtheile a posteriori, durch die empirische Anschauung vermittelt sind: folglich kann ein synthetischer Satz a priori, nie aus bloßen Begriffen hervorgehn. Ueberhaupt aber ist uns a priori nichts weiter bewußt, als der Satz vom Grunde, in seinen verschiedenen Gestaltungen, und es sind daher keine andere synthetische Urtheile a priori möglich, als die, welche aus dem, was jenem Satze den Inhalt giebt, hervorgehn.
Inzwischen tritt Kant endlich mit einem seiner Forderung entsprechenden angeblichen Princip der Vernunft hervor, aber auch nur mit diesem einen, aus dem nachher andere Folgesätze fließen. Es ist nämlich der Satz, den Chr. Wolf aufstellt und erläutert in seiner »Cosmologia«, sect. 1, c. 2, § 93, und in seiner »Ontologia«, § 178. Wie nun oben, unter dem Titel der Amphibolie, bloße Leibnitzische Philosopheme für natürliche und nothwendige Irrwege der Vernunft genommen und als solche kritisirt wurden; gerade so geschieht das Selbe hier mit den Philosophemen Wolfs. Kant trägt dies Vernunftprincip noch durch Undeutlichkeit, Unbestimmtheit und Zerstückelung in ein Dämmerlicht gebracht vor (S. 307; v, 364, und 322; v, 379): es ist aber, deutlich ausgesprochen, folgendes: »Wenn das Bedingte gegeben ist, so muß auch die Totalität seiner Bedingungen, mithin auch das Unbedingte, dadurch jene Totalität allein vollzählig wird, gegeben seyn.« Der scheinbaren Wahrheit dieses Satzes wird man am lebhaftesten inne werden, wenn man sich die Bedingungen und die Bedingten vorstellt als die Glieder einer herabhängenden Kette, deren oberes Ende jedoch nicht sichtbar ist, daher sie ins Unendliche fortgehn könnte: da aber die Kette nicht fällt, sondern hängt, so muß oben ein Glied das erste und irgendwie befestigt seyn. Oder kürzer: die Vernunft möchte für die ins Unendliche zurückweisende Kausalkette einen Anknüpfungspunkt haben; das wäre ihr bequem. Aber wir wollen den Satz nicht an Bildern, sondern an sich selbst prüfen. Synthetisch ist derselbe allerdings: denn analytisch folgt aus dem Begriff des Bedingten nichts weiter, als der der Bedingung. Aber Wahrheit a priori hat er nicht, auch nicht a posteriori, sondern er erschleicht sich seinen Schein von Wahrheit auf eine sehr feine Weise, die ich jetzt aufdecken muß. Unmittelbar und a priori haben wir die Erkenntnisse, welche der Satz vom Grunde in seinen vier Gestaltungen ausdrückt. Von diesen unmittelbaren Erkenntnissen sind alle abstrakten Ausdrücke des Satzes vom Grunde schon entlehnt und sind also mittelbar: noch mehr aber deren Folgesätze. Ich habe schon oben erörtert, wie die abstrakte Erkenntniß oft mannigfaltige intuitive Erkenntnisse in eine Form oder einen Begriff so vereint, daß sie nun nicht mehr zu unterscheiden sind: daher sich die abstrakte Erkenntniß zur СКАЧАТЬ