Название: Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer
Автор: Arthur Schopenhauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027208456
isbn:
Aus dieser Darstellung, die keines Beweises bedarf, weil sie sich unmittelbar auf die Erkenntniß des Satzes vom Grunde und auf die Entwickelung der Begriffe des Nothwendigen, Wirklichen und Möglichen stützt, geht genugsam hervor, wie ganz grundlos Kants Annahme dreier besonderer Funktionen des Verstandes für jene drei Begriffe ist, und daß er hier abermals durch kein Bedenken sich hat stören lassen in der Durchführung seiner architektonischen Symmetrie.
Hiezu kommt nun aber noch der sehr große Fehler, daß er, freilich nach dem Vorgang der frühem Philosophie, die Begriffe des Nothwendigen und Zufälligen mit einander verwechselt hat. Jene frühere Philosophie nämlich hat die Abstraktion zu folgendem Mißbrauch benutzt. Es war offenbar, daß Das, dessen Grund gesetzt ist, unausbleiblich folgt, d.h. nicht nichtseyn kann, also nothwendig ist. An diese letzte Bestimmung aber hielt man sich ganz allein und sagte: nothwendig ist, was nicht anders seyn kann, oder dessen Gegentheil unmöglich. Man ließ aber den Grund und die Wurzel solcher Nothwendigkeit aus der Acht, übersah die daraus sich ergebende Relativität aller Nothwendigkeit und machte dadurch die ganz undenkbare Fiktion von einem absolut Nothwendigen, d.h. von einem Etwas, dessen Daseyn so unausbleiblich wäre, wie die Folge aus dem Grunde, das aber doch nicht Folge aus einem Grunde wäre und daher von nichts abhienge; welcher Beisatz eben eine absurde Petition ist, weil sie dem Satz vom Grunde widerstreitet. Von dieser Fiktion nun ausgehend erklärte man, der Wahrheit diametral entgegen, gerade Alles was durch einen Grund gesetzt ist, für das Zufällige, indem man nämlich auf das Relative seiner Nothwendigkeit sah und diese verglich mit jener ganz aus der Luft gegriffenen, in ihrem Begriff sich widersprechenden absoluten Nothwendigkeit105. Diese grundverkehrte Bestimmung des Zufälligen behält nun auch Kant bei und giebt sie als Erklärung: »Kritik der reinen Vernunft«, v, S. 289-291; 243. v, 301; 419, 458, 460. v, 447, 486, 488. Er geräth dabei sogar in den augenfälligsten Widerspruch mit sich selbst, indem er S. 301 sagt: »Alles Zufällige hat eine Ursache«, und hinzufügt: »Zufällig ist, dessen Nichtseyn möglich.« Was aber eine Ursache hat, dessen Nichtseyn ist durchaus unmöglich: also ist es nothwendig. – Uebrigens ist der Ursprung dieser ganzen falschen Erklärung des Nothwendigen und Zufälligen schon bei Aristoteles zu finden und zwar »De generatione et corruptione«, Lib. II, c. 9 et 11, wo nämlich das Nothwendige erklärt wird als Das, dessen Nichtseyn unmöglich ist: ihm steht gegenüber Das, dessen Seyn unmöglich ist; und zwischen diesen Beiden liegt nun Das, was seyn und auch nichtseyn kann, – also das Entstehende und Vergehende, und dieses wäre denn das Zufällige. Nach dem oben Gesagten ist es klar, daß diese Erklärung, wie so viele des Aristoteles, entstanden ist aus dem Stehnbleiben bei abstrakten Begriffen, ohne auf das Konkrete und Anschauliche zurückzugehn, in welchem doch die Quelle aller abstrakten Begriffe liegt, durch welches sie daher stets kontrolirt werden müssen. »Etwas, dessen Nichtseyn unmöglich ist« – läßt sich allenfalls in abstracto denken; aber gehn wir damit zum Konkreten, Realen, Anschaulichen, so finden wir nichts, den Gedanken, auch nur als ein Mögliches, zu belegen, – als eben nur die besagte Folge eines gegebenen Grundes, deren Nothwendigkeit jedoch eine relative und bedingte ist.
Ich füge bei dieser Gelegenheit noch einige Bemerkungen über jene Begriffe der Modalität hinzu. – Da alle Nothwendigkeit auf dem Satze vom Grunde beruht, und eben deshalb relativ ist; so sind alle apodiktischen Urtheile ursprünglich und ihrer letzten Bedeutung nach hypothetisch. Sie werden kategorisch nur durch den Zutritt einer assertorischen Minor, also im Schlußsatz. Ist diese Minor noch unentschieden, und wird diese Unentschiedenheit ausgedrückt; so giebt dieses das problematische Urtheil.
Was im Allgemeinen (als Regel) apodiktisch ist (ein Naturgesetz), ist in Bezug auf einen einzelnen Fall immer nur problematisch, weil erst die Bedingung wirklich eintreten muß, die den Fall unter die Regel setzt. Und umgekehrt, was im Einzelnen als solches nothwendig (apodiktisch) ist (jede einzelne Veränderung, nothwendig durch ihre Ursache), ist überhaupt und allgemein ausgesprochen wieder nur problematisch; weil die eingetretene Ursache nur den einzelnen Fall traf, und das apodiktische, immer hypothetische Unheil stets nur allgemeine Gesetze aussagt, nicht unmittelbar einzelne Fälle. – Dieses Alles hat seinen Grund darin, daß die Möglichkeit nur im Gebiet der Reflexion und für die Vernunft daist, das Wirkliche im Gebiet der Anschauung und für den Verstand; das Nothwendige für Beide. Sogar ist eigentlich der Unterschied zwischen nothwendig, wirklich und möglich nur in abstracto und dem Begriffe nach vorhanden; in der realen Welt hingegen fallen alle Drei in Eins zusammen. Denn Alles, was geschieht, geschieht nothwendig; weil es aus Ursachen geschieht, diese aber selbst wieder Ursachen haben; so daß sämmtliche Hergänge der Welt, große wie kleine, eine strenge Verkettung des nothwendig Eintretenden sind. Demgemäß ist alles Wirkliche zugleich eine Nothwendiges, und in der Realität zwischen Wirklichkeit und Nothwendigkeit kein Unterschied; und eben so keiner zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit: denn was nicht geschehn, d.h. nicht wirklich geworden ist, war auch nicht möglich; weil die Ursachen, ohne welche es nimmermehr eintreten konnte, selbst nicht eingetreten sind, noch eintreten konnten, in der großen Verkettung der Ursachen: es war also ein Unmögliches. Jeder Vorgang ist demnach entweder nothwendig, oder unmöglich. Dieses Alles jedoch gilt bloß von der empirisch realen Welt, d.h. dem Komplex der einzelnen Dinge, also vom ganz Einzelnen als solchem. Betrachten wir hingegen, mittelst der Vernunft, die Dinge im Allgemeinen, sie in abstracto auffassend; so treten Nothwendigkeit, Wirklichkeit und Möglichkeit wieder aus einander: wir erkennen dann alles den unserm Intellekt angehörenden Gesetzen a priori Gemäße als überhaupt möglich; das den empirischen Naturgesetzen Entsprechende als in dieser Welt möglich, auch wenn es nie wirklich geworden, unterscheiden also deutlich das Mögliche vom Wirklichen. Das Wirkliche ist an sich selbst zwar stets auch ein Nothwendiges, wird aber als solches nur von Dem aufgefaßt, der seine Ursache kennt: abgesehn von dieser ist und heißt es zufällig. Diese Betrachtung giebt uns auch den Schlüssel zu jener contentio peri dynatôn zwischen dem Megariker Diodores und Chrysippos dem Stoiker, welche Cicero vorträgt im Buche de fato. Diodoros sagt: »Nur was wirklich wird, ist möglich gewesen: und alles Wirkliche ist auch nothwendig.« – Chrysippos dagegen: »Es ist Vieles möglich, das nie wirklich wird: denn nur das Nothwendige wird wirklich.« – Wir können uns dies so erläutern. Die Wirklichkeit ist die Konklusion eines Schlusses, zu dem die Möglichkeit die Prämissen giebt. Doch ist hiezu nicht allein die Major, sondern auch die Minor erfordert: erst Beide geben die volle Möglichkeit. Die Major nämlich giebt eine bloß theoretische, allgemeine Möglichkeit in abstracto: diese macht an sich aber noch gar nichts möglich, d.h. fähig wirklich zu werden. Dazu gehört noch die Minor, als welche die Möglichkeit für den einzelnen Fall giebt, indem sie ihn unter die Regel bringt. Dieser wird eben dadurch sofort zur Wirklichkeit. Z.B.:
Maj. Alle Häuser (folglich auch mein Haus) können abbrennen.
Min. Mein Haus geräth in Brand.
Konkl. Mein Haus brennt ab.
Denn jeder allgemeine Satz, also jede Major, bestimmt, in Hinsicht auf die Wirklichkeit, die Dinge stets nur unter einer Voraussetzung, mithin hypothetisch: z.B. das Abbrennenkönnen hat zur Voraussetzung das Inbrandgerathen. Diese Voraussetzung wird in der Minor beigebracht. Allemal ladet die Major die Kanone: allein erst wenn die Minor die Lunte hinzubringt, erfolgt der Schuß, die Konklusio. Das gilt durchweg vom Verhältniß der Möglichkeit zur Wirklichkeit. Da nun die Konklusio, welche СКАЧАТЬ