Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Название: Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen

Автор: Emile Zola

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075835802

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СКАЧАТЬ er, daß ein wackerer Mann, durch die schönen Frauen und Esel gewonnen, die er schon mit acht Jahren zeichnete, ihn zur Schule gesendet habe. Der wackere Mann sei tot und habe ihm eine Rente von tausend Franken hinterlassen, die ihn vor dem Hungertode schütze.

      Gleichviel, fuhr er fort, ich wäre doch lieber ein Arbeiter gewesen, beispielsweise ein Schreiner. Die Schreiner sind sehr glücklich. Sie haben einen Tisch zu machen; sie machen ihren Tisch und gehen zur Ruhe, mit ihrem Tagewerk zufrieden. Ich kann des Nachts nicht schlafen. Alle die verdammten Studien, die ich nicht vollenden kann, spuken mir im Kopfe herum. Ich bin nie fertig, nie, nie!

      Seine Stimme erstarb fast in einem Schluchzen. Dann versuchte er zu lachen. Er lästerte, suchte nach unflätigen Worten, versenkte sich ordentlich in den Schmutz, mit der kalten Wut eines zarten und feinen Geistes, der an sich selbst zweifelt und sich zu besudeln fürchtet. Schließlich hockte er vor einem der Fenster nieder, die sich auf die Hallenkeller öffneten, wo unablässig das Gaslicht brannte. Dort, in den Tiefen eines Kellers, zeigte er ihm Marjolin und Cadine, die in der Geflügelabteilung auf einem Schlachtsteine saßen und ruhig ihr Abendbrot verzehrten. Diese zwei Straßenpflanzen wußten sich nach Schluß der Gittertore in die Keller zu schleichen, wo sie des Nachts hausten.

      Welch ein hübscher Bengel! wiederholte Claude, mit neidischer Bewunderung von Marjolin sprechend. Und dieser Tölpel ist glücklich! ... Wenn sie ihre Äpfel verzehrt haben, gehen sie in einem jener großen Körbe, wo sie ein weiches Lager von Federn finden, zusammen schlafen. Dies ist wenigstens ein Leben! ... Meiner Treu, Sie haben recht, bei den Würsten zu verbleiben; das macht Sie vielleicht fett.

      Und plötzlich ging er seiner Wege. Florent stieg zu seinem Dachstübchen hinauf, verwirrt durch diese nervösen Bedenken, die seine eigenen Zweifel wachriefen. Am folgenden Vormittag unterließ er es, im Wurstladen zu erscheinen; er machte einen weiten Spaziergang die Kais entlang. Beim Frühstück jedoch ward er durch die Milde und Freundlichkeit Lisas wieder gewonnen. Sie sprach wieder von der Aufseherstelle in der Abteilung für Seefische, aber ohne eindringlich zu werden, wie von einer Sache, die erwogen zu werden verdiente. Über seinen vollen Teller gebeugt hörte er ihr zu, unwillkürlich gewonnen durch die geradezu verdächtige Sauberkeit des Eßzimmers; weich ruhten seine Füße auf der Matte; der Schimmer der Kupferlampe, das zarte Gelb der Papiertapete und der hellen Eichenmöbel, sie durchdrangen ihn mit einem Gefühl der Rechtschaffenheit und des Wohlbehagens, das seine Vorstellungen von Wahr und Falsch in Verwirrung brachte. Indes hatte er die Kraft, den Vorschlag abermals zurückzuweisen, indem er seine Gründe wiederholte; allerdings hatte er das Bewußtsein von der Geschmacklosigkeit, die darin lag, an diesem Orte mit seinem Eigensinn und seinen Rachegefühlen Staat zu machen. Lisa erzürnte sich nicht; sie lächelte vielmehr mit ihrem schönen Lächeln, das Florent mehr verwirrte als ihr dumpfer Groll von gestern. Bei dem Essen sprach man nur mehr von den großen Einpökelungen für den Winter, die das ganze Personal des Hauses beschäftigen sollten.

      Die Abende wurden schon kühl. Nach dem Essen begab man sich in die Küche. Da war's sehr warm. Die Küche war übrigens so geräumig, daß mehrere Personen sich bequem und ohne die Arbeit zu stören, an einem in der Mitte stehenden, viereckigen Tische aufhalten konnten. Die Wände des durch Gas beleuchteten Raumes waren bis zu Manneshöhe mit blauen und weißen Porzellankacheln bekleidet. Links stand der große gußeiserne Ofen mit drei Löchern, in denen drei Kessel mit ihren von der Kohle geschwärzten Böden saßen; am Ende des Raumes stand ein kleiner Kamin, mit Ofen und Rauchröhre versehen; hier wurden Rostbraten zubereitet. Oberhalb des Ofens über den langstieligen Löffeln, Gabeln und Schaumlöffeln war eine Reihe numerierter Fächer zur Aufbewahrung der Därme, Gewürze, geriebenen Semmel zum Panieren, des Salzes und Pfeffers. Rechts, an die Wand gelehnt, stand der Hackstock, ein riesiger, schwerer Eichenblock, ganz zerhackt und in der Mitte ausgehöhlt; mehrere, an dem Block befestigte Werkzeuge wie eine Wurstspritze, eine Vorrichtung zum Antreiben, eine Hackmaschine, die mit ihrem Räderwerk und ihren Kurbeln den unheimlichen Gedanken an eine Hexenküche wachriefen. Endlich lag ringsum längs den Mauern auf Brettern und selbst unter den Tischen eine Menge von Töpfen, Schüsseln, Kübeln, Platten und anderen Geräten aus Weißblech, eine Batterie von tiefen Kasserollen, breiten Trichtern, Messern, Hackmessern, Spicknadeln, eine ganze Welt, die von Fett triefte. Trotz der peinlichen Sauberkeit überquoll alles von Fett, es schwitzte zwischen den Fugen der Mauerziegel hervor, überzog die roten Quadern des Fußbodens, verlieh dem gußeisernen Ofen einen grauen Schimmer, polierte die Ränder des Hackstockes, daß sie glänzten wie gefirnistes Eichenholz. Inmitten dieses Tropfen für Tropfen sich ansammelnden Dunstes; inmitten des Dampfes, der aus den drei Kesseln, wo die Schweine zerflossen, unaufhörlich aufstieg, war vom Fußboden bis zu dem Dachgebälke nicht ein Nagel, der nicht von Fett glänzte.

      Die Quenu-Gradelle stellten alles zu Hause her und bezogen von außen nur die Erzeugnisse berühmter Häuser, wie Mixedpickles, Konserven, Sardinen, Käse, Schnecken. Vom Monat September an mußte man dafür sorgen, den während des Sommers geleerten Keller mit neuen Vorräten zu füllen. Wenn abends der Laden geschlossen wurde, arbeitete man noch bis in die späte Nacht hinein. Von August und Leon unterstützt packte Quenu Würste ein, bereitete Schinken und Speckseiten vor, schmelzte Fett. Es herrschte ein betäubender Lärm der Kessel und Hackmesser, und Küchengerüche erfüllten das ganze Haus. All dies geschah unbeschadet dem laufenden Wurstgeschäft, den Leber- und Hasenpasteten, den Gelantinen, großen und kleinen Würsten.

      Diesen Abend um elf Uhr mußte sich Quenu, der zwei Kessel Fett schmelzte, mit der Wurstbereitung befassen. August war ihm dabei behilflich. An einem Ende des viereckigen Tisches saßen Lisa und Augustine und waren mit dem Ausbessern von Wäsche beschäftigt; am anderen Ende saß Florent mit dem Gesicht nach dem Ofen und der kleinen Pauline zulächelnd, die er auf seinen Beinen reiten ließ. Hinter ihnen hackte Léon Wurstfleisch auf dem Eichenklotz, wobei er langsame und regelmäßige Hiebe führte.

      August holte vor allem zwei Kannen Schweineblut. Das Schlachten im Schlachthause besorgte er. Er nahm das Blut und die Eingeweide der Tiere und überließ den Brühhausburschen die Sorge, nachmittags die fertig ausgearbeiteten Schweine mit ihren Wagen heimzuführen. Quenu behauptete, daß August zu schlachten verstehe wie kein zweiter Metzgerbursche in Paris. Die Wahrheit war, daß August sich vortrefflich auf die Qualität des Blutes verstand. Wenn er sagte: »Die Wurst wird gut sein«, konnte man mit Sicherheit darauf rechnen, daß die Wurst gut sein werde.

      Nun, werden wir gute Wurst haben? fragte Lisa.

      Er stellte seine zwei Kannen nieder und erwiderte langsam:

      Ich glaube, Madame Quenu, ich glaube es ... Ich sehe es vor allem an der Art, wie das Blut fließt. Wenn das Blut langsam fließt, nachdem ich das Messer herausgezogen habe, so ist es kein gutes Zeichen; es beweist, daß es ein schwaches Blut ist ...

      Das hängt davon ab, wie das Messer eingeführt wurde, warf Quenu ein.

      Das blasse Antlitz Augusts verzog sich zu einem Lächeln.

      Nein, nein, sagte August, ich führe das Messer immer vier Finger tief ein; dies ist das Maß. Das beste Zeichen ist, wenn das Blut gut fließt; es muß, wenn ich es in dem Eimer mit der Hand peitsche, recht warm sein und schäumen und darf nicht zu dick sein.

      Augustine ließ ihre Nadel ruhen und schaute August an. Ihr rötliches Antlitz unter dem harten, kastanienbraunen Haar nahm einen Ausdruck tiefer Aufmerksamkeit an. Auch Lisa und Pauline hörten mit großem Interesse zu.

      Also ich schlage und schlage, fuhr der Bursche fort, wobei er mit der Hand durch die Luft fuhr, als ob er Sahne schlage. Wenn ich die Hand heraus ziehe, muß sie wie mit einem roten Handschuh bekleidet und das Rot muß überall gleich sein. Dann kann man ruhig behaupten: »Die Blutwurst wird gut sein«.

      Er blieb einen Augenblick mit der Hand in der Luft, selbstgefällig, in nachlässiger Haltung stehen. Diese Hand, die immer in den Bluteimern lebte, ragte schön rot, mit gesunden, rosigen Nägeln, aus dem weißen СКАЧАТЬ