Название: Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen
Автор: Emile Zola
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075835802
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Jetzt schickt man uns gar die Normännin! Um so schlimmer! die Normännin soll's für die anderen entgelten.
Eine große, braune Frauensperson öffnete die Ladentür. Es war die schöne Fischhändlerin Louise Méhudin, genannt die Normännin. Sie war von einer kühnen Schönheit, hatte eine sehr weiße und zarte Haut, war fast so stark wie Lisa, hatte aber einen keckeren Blick, einen lebhafter bewegten Busen. In dreister Haltung trat sie ein mit ihrer goldenen Uhrkette, die auf ihrer Schürze klimperte, ihrem modisch gekämmten bloßen Haar, ihrer Busenschleife, einer Schleife aus Spitzen, die aus ihr eine der koketten Königinnen der Hallen machte. Ein leichter Fischgeruch haftete ihr an und auf einer ihrer Hände, nahe bei dem kleinen Finger, lag eine Heringschuppe, die da einen kleinen Fleck mit Perlmutterschimmer bildete. Die beiden Frauen, die ehemals in demselben Hause der Pirouette-Straße wohnten, waren enge Freundinnen, verbunden durch eine gewisse Nebenbuhlerschaft, die bewirkte, daß sie sich fortwährend miteinander beschäftigten. In dem Stadtviertel sagte man: die schöne Normännin, wie man sagte: die schöne Lisa. Das brachte sie in einen Gegensatz, zu einem Vergleichen und nötigte jede der beiden, ihren Ruf als Schönheit zu wahren. Wenn die Wursthändlerin an ihrem Zahlpulte sich ein wenig vorneigte, sah sie in dem gegenüberliegenden Pavillon die Fischhändlerin inmitten ihrer Lachse und Steinbutten. Sie überwachten einander. Die schöne Lisa schnürte sich enger in ihr Mieder, die schöne Normännin vermehrte die Zahl ihrer Ringe und ihrer Busenschleifen. Wenn sie einander begegneten, waren sie sehr sanft, sehr freundlich und suchten unter den halb geschlossenen Augenlidern nach Fehlern an der anderen. Sie taten, als werde die eine immer nur bei der anderen ihren Einkauf besorgen und als liebten sie sich sehr.
Sie machen wohl morgen abend frische Würste? fragte die Normännin mit ihrem lachenden Gesichte.
Lisa blieb kühl. Der Zorn, sehr selten bei ihr, war beharrlich und unversöhnlich. Sie antwortete trocken: Ja.
Ich liebe die Wurst nur heiß, wenn sie aus dem Kessel kommt. Ich komme, um welche zu holen.
Sie merkte die üble Aufnahme von seiten ihrer Nebenbuhlerin. Sie betrachtete Florent, der sie zu interessieren schien; weil sie nicht gehen wollte, ohne etwas zu sagen, ohne das letzte Wort zu haben, war sie so unvorsichtig hinzuzufügen:
Ich habe erst vorgestern Wurst bei Ihnen gekauft, aber sie war nicht ganz frisch.
Nicht ganz frisch? wiederholte die Wursthändlerin ganz bleich mit zornbebenden Lippen.
Sie hätte vielleicht noch an sich gehalten, damit die Normannin nicht glaube, daß sie sich wegen ihrer Spitzenschleife ärgerte. Aber man begnügte sich nicht mehr, sie zu bespähen, man beschimpfte sie auch; das ging über alle Maßen. Sie stemmte die Fäuste auf das Pult, neigte sich vor und sprach mit rauher Stimme:
Sagen Sie 'mal: als ich vorige Woche Seezungen bei Ihnen kaufte, kam ich da zu Ihnen, um vor aller Welt zu erzählen, daß Ihre Fische faul waren?
Faul? ... meine Seezungen faul? rief die Fischhändlerin purpurrot im Gesicht.
Sie verharrten einen Augenblick stumm und zornig über die Schüsseln gebeugt. Die ganze Freundschaft war dahin; ein Wort hatte genügt, um die scharfen Zähne hinter dem Lächeln zu zeigen.
Sie sind eine grobe Person, sagte die Fischhändlerin. Ich setze keinen Fuß mehr in Ihren Laden.
Gehen Sie nur, gehen Sie! entgegnete Lisa. Man weiß schon, wer Sie sind!
Sie ging hinaus, nicht ohne ein Schimpfwort auszustoßen, das die Metzgerin erzittern machte. Die Szene war so schnell vor sich gegangen, daß die drei Männer ganz verblüfft waren und keine Zeit hatten, sich ins Mittel zu legen. Lisa faßte sich bald. Sie nahm das Gespräch wieder auf ohne die mindeste Anspielung auf das soeben Vorgefallene, als das Ladenmädchen Augustine eilig in den Laden trat. Sie nahm Gavard beiseite und bat ihn, mit der Antwort für Verlaque noch zu zögern; sie übernahm es, ihren Schwager zur Annahme der Stelle zu bestimmen und erbat sich dabei nur eine Frist von zwei Tagen. Quenu kehrte in die Küche zurück; Gavard aber nahm Florent mit. Als sie im Begriffe waren, bei Herrn Lebigre einzutreten, um ein Glas Wermut zu trinken, zeigte Gavard seinem Begleiter drei Weiber, die in dem gedeckten Gang, zwischen dem Pavillon für Seefische und dem Pavillon für Geflügel beisammen standen.
Sie reden davon, sagte Gavard mit neidischer Miene.
Die Hallen leerten sich, und es standen in der Tat Fräulein Saget, Frau Lecoeur und die Sarriette am Rande des Fußweges beisammen. Das alte Mädchen führte das große Wort.
Ich sagt' es Ihnen ja, Madame Lecoeur, daß Ihr Schwager immer in ihrem Laden steckt ... Sie haben ihn gesehen, nicht wahr?
Mit meinen eigenen Augen! Er saß auf einem Tische, als ob er da zu Hause sei.
Ich habe nichts Schlechtes gehört, unterbrach die Sarriette ... Ich weiß nicht, warum Sie sich erhitzen.
Fräulein Saget zuckte mit den Achseln.
Ach, Liebste, Sie sind eine Schlaue! ... Sehen Sie denn nicht, weshalb die Quenus Herrn Gavard an sich locken? Ich wette, daß er alles, was er hat, der kleinen Pauline hinterlassen wird.
Das glauben Sie? rief Frau Lecoeur blaß vor Wut.
Dann fuhr sie mit schmerzlicher Stimme fort, als ob ein schwerer Schlag sie heimgesucht habe.
Ich bin ganz allein, habe niemanden, der mich verteidigt; der Mann tut wahrhaftig, was er will ... Sie haben gehört, seine Nichte hält zu ihm. Sie hat vergessen, was sie mir gekostet hat; sie würde mich mit gefesselten Händen und Füßen ihm ausliefern.
Nein, Tante, sagte die Sarriette; Sie hatten nie ein gutes Wort für mich.
Doch sie versöhnten sich gleich wieder und umarmten sich auf der Stelle. Die Nichte versprach, nicht mehr boshaft zu sein; die Tante schwor bei allen Heiligen, die Sarriette wie ihre eigene Tochter behandeln zu wollen. Nun gab die Saget ihnen Ratschläge, wie sie sich benehmen müßten, um Gavard zu zwingen, daß er sein Vermögen nicht verschleudere. Es wurde ausgemacht, daß die Quenu-Gradelle Taugenichtse seien und daß man sie überwachen müsse.
Ich weiß nicht, was für Machenschaften bei ihnen im Gange sind, sagte das alte Mädchen, aber die Sache ist anrüchig ... Dieser Florent, dieser Vetter von Frau Quenu – was halten Sie von ihm?
Die drei Frauen traten näher und dämpften die Stimme.
Sie müssen wissen, sagte Frau Lecoeur, – wir haben ihn eines Morgens mit löcherigen Stiefeln und bestaubten Kleidern gesehen; er sah aus wie ein Dieb, der soeben einen schlimmen Streich begangen ... Der Bursche flößt mir Furcht ein ...
Nein; er ist mager, aber nicht häßlich, murmelte die Sarriette.
Fräulein Saget hing ganz laut ihren Gedanken nach.
Ich zerbreche mir seit zwei Wochen den Kopf ... Herr Gavard kennt ihn sicher ... Auch ich muß ihm irgendwo begegnet sein, aber ich erinnere mich nicht mehr, wo? ...
Sie forschte noch in ihren Erinnerungen, als die Normännin heranstürmte. Sie kam aus dem Wurstladen.
Ist die aber höflich, diese dicke Quenu! rief sie, froh darüber, sich Luft machen zu können. Hat sie mir nicht soeben gesagt, СКАЧАТЬ