Der tote Knabe: Skandinavien-Krimi. Elsebeth Egholm
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Название: Der tote Knabe: Skandinavien-Krimi

Автор: Elsebeth Egholm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Fall für Dicte Svendsen

isbn: 9788726569629

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СКАЧАТЬ Stadt. Und die Wahrsagerin hieß Hanne Guldberg und hatte mittelblondes, kurzes Haar, eine Strickjacke von Jackpot über den alten Jeans und eine schlimme Erkältung, die sie mit Hilfe von einer Box mit Kleenex, die auf dem Sofa lag, in den Griff zu bekommen versuchte.

      »Das letzte lebende Bild«, sagte sie fröhlich vor einem durchdringenden Nieser, und Ida Marie spürte wieder die Nervosität und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Griff nach der Türklinke.

      »Das war bildlich gesprochen«, sagte die Frau und lächelte freundlich. »Sie sind doch die Letzte, nicht? Ich muss mein Kind im Hort abholen«, fügte sie entschuldigend hinzu und machte Ida Marie ein Zeichen, sich zu setzen.

      Sie nickte und ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber sinken. So tief und weich, dass sie das Gefühl hatte, später nicht wieder hochzukommen. Es war der letzte Stopp auf der Polterabendrunde vor dem Abendessen im Globen Flakket. Solidarisch hatten sie sich alle bereit erklärt, sich die Zukunft vorhersagen zu lassen, und einen Termin gemacht. Aber das war inzwischen lange her, in einer ganz anderen Welt. Vor dem 11. September, der den Erdball erschüttert und Schockwellen bis nach Århus geschickt hatte. Vor dem Kind auf dem Fluss.

      Sie merkte den kalten Schweiß im Nacken.

      »Wir können es ja kurz machen«, schlug sie vorsichtig vor und hielt hoffnungsvoll die Luft an.

      »Nein, nein, das ist nicht nötig«, nieste die Wahrsagerin. »Wir schaffen das noch. Die anderen haben erzählt, dass Sie das Kind auf dem Fluss gefunden haben«, fügte sie hinzu.

      Ida Marie starrte sie an. Dann blinzelte sie.

      »Ja. Wir waren zu dritt.«

      »Und das in Ihrem Zustand«, sagte die Wahrsagerin mütterlich. »Geht es Ihnen wieder besser?«

      Als wüsste sie, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch gestanden hatte. Als könnte sie in der Vergangenheit lesen.

      Ida Marie nickte.

      »Ja.«

      »Aber schlimm ist es noch immer?«

      Wieder ein Nicken.

      »Wenn Sie ein wenig früher gekommen wären, hätte ich es vielleicht vorhersagen können«, sagte Hanne Guldberg, und Ida Marie hatte das Gefühl, als spräche sie zu sich selbst, während sie ein weiteres Papiertaschentuch aus der Schachtel zog. »Vielleicht nicht so detailliert, denn so funktioniert das nicht. Aber trotzdem. Ich hätte Sie bestimmt ein bisschen vorbereiten können«, sagte die Wahrsagerin, nicht ohne einen gewissen fachlichen Stolz in der Stimme, und wurde dann von einem gewaltigen Hustenanfall geschüttelt.

      Ida Marie wollte sie, halb im Spaß, fragen, ob sie auch den 11. September hätte vorhersagen können, ließ es jedoch. Man sollte nicht mit dem Schicksal spaßen. Außerdem wusste sie nicht, warum sie diese beiden Ereignisse in Gedanken plötzlich miteinander verband.

      Wieder war das Bild da. Einen kurzen Moment. Wie klein er war, war ihr allererster Gedanke, als der Verstand wieder zu funktionieren begonnen hatte. Ein ganz kleiner Mensch, der keine Chance bekommen hatte. Sie fror und schlug die Arme um sich, während sie dort vor der Wahrsagerin saß, die sich wieder die Nase putzte. Eine Unsicherheit schien sich in die frühere Sicherheit geschlichen zu haben. Als hätte das ganze Leben eine Kehrtwendung gemacht und sähe plötzlich völlig anders aus. Was war passiert? Was veranlasste einen Menschen im modernen Dänemark, sein Kind auf diese Weise zurückzulassen?

      Sie spürte, wie sich das Kind in ihr bewegte und schob die Gedanken weg, während die Wahrsagerin ihren Husten unter Kontrolle bekam. Wahrscheinlich war das der Grund. Dass es jetzt nicht mehr lange dauerte. Dass ihre eigene Welt sich für immer verändern würde und sie sich von jetzt an um so vieles mehr kümmern musste. Und dass sie in Wirklichkeit nicht überblicken konnte, wie sie und Theis mit ihren beiden Jobs und seinem dauernden Pendeln zwischen Århus und Kopenhagen so eine kleine Familie am Funktionieren halten konnten. Sie begegnete dem Blick der Wahrsagerin und fragte sich sekundenlang, ob sie auch Gedanken lesen konnte.

      »Sie brauchen nicht nervös zu sein«, lächelte Hanne Guldberg mit Tränen in den Augen von dem Hustenanfall. »Ich sage nichts Schlimmes. Nur Generelles.«

      Ida Marie seufzte. Eigentlich glaubte sie nicht an so etwas. Warum war sie dann nervös? Warum betrachtete sie es nicht als den Spaß, der es war?

      »Lesen Sie auch aus der Hand?«, fragte sie.

      Die Frau, die vielleicht Anfang dreißig war, schüttelte fast nachsichtig den Kopf.

      »Es reicht, dass Sie hier sind. Möchten Sie Kaffee oder Tee?«

      »Nur Wasser, danke.«

      Hanne Guldberg holte zwei Gläser aus der Küche, die eine offene Verbindung zum Wohnzimmer hatte.

      »Es ist gemütlich hier«, sagte Ida Marie und hörte, dass sie verblüfft klang. Die Wohnung war hell und freundlich und in typisch dänischem Stil eingerichtet. Mit dem obligatorischen Elipsentisch oder etwas Ähnlichem und sechs pastellgrünen Arne-Jacobsen-Stühlen. Die Spätsommersonne tanzte über Per Arnoldis Kunst, die in Glasrahmen an den weißen Wänden hing.

      »Es ist ganz schön hier«, sagte Hanne Guldberg und reichte ihr das Glas. »Natürlich gibt es viel Krawall, aber man spricht miteinander. Das ist wichtig.«

      Ida Marie lächelte.

      »Das kann ich mir vorstellen.«

      Hanne Guldberg sah sie mit einem seltsam direkten Blick an. »Ich sehe, dass Sie an einem Wendepunkt stehen«, sagte sie. »Um das zu sehen, bedarf es keiner Wahrsagerin. Aber wenn Sie wollen, kann ich Ihnen vielleicht ein bisschen mehr zu diesem Wendepunkt sagen.«

      Ida Marie nickte vorsichtig. Das klang Vertrauen erweckend. Ein Wendepunkt. Herrgott nochmal, sie würde es schon überleben. Außerdem hatten sie im Vorhinein ausgemacht, dass sie sich nicht auf das Negative konzentrieren wollten. Es ging nicht an, eine zukünftige Braut zu einer Wahrsagerin zu schleppen und mit einem nervlichen Wrack nach Hause zu kommen. Aus diesem Grund gab es wirklich nichts, wovor sie Angst haben musste. Überhaupt nichts.

      »Ich möchte Sie bitten, mir irgendetwas Persönliches zu reichen, das ich anfassen kann, damit ich ein Gefühl für Sie bekomme«, sagte diese moderne Wahrsagerin, als ginge es um einen Besuch beim HNO-Arzt: »Gähnen Sie, und sagen Sie aaa.«

      Zuerst kam ihr der Ehering in den Sinn, doch dann war ihr das zu simpel. Außerdem war sie sauer auf Theis, weil er das ganze Wochenende arbeiten musste. Wieder einmal.

      Sie gab der Wahrsagerin das Medaillon ihrer Großmutter. Ihre Mutter hatte es ihr gegeben, als sie von der Schwangerschaft erfahren hatte.

      Hanne Guldberg hielt das Medaillon in der Hand und ließ die Goldkette wie ein umgedrehtes Pendel pendeln.

      »Ein Erbstück«, sagte sie. »Von der mütterlichen Seite?«

      Ida Marie nickte. Spürte erneut die Nervosität.

      »Von einem Ort oben im Norden. An einem großen See, stimmt das?«

      »Aus Vänern«, flüsterte Ida Marie. »In Schweden.«

      »Natürlich. In Schweden.«

      Jetzt schloss sie die Augen. Die Stimme veränderte sich СКАЧАТЬ