Der tote Knabe: Skandinavien-Krimi. Elsebeth Egholm
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Название: Der tote Knabe: Skandinavien-Krimi

Автор: Elsebeth Egholm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Fall für Dicte Svendsen

isbn: 9788726569629

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      »Hast du Kinder?«, fragte der Fotograf plötzlich.

      Sie nickte.

      »Eine Tochter, schon ein Teenager. Ein hartes Stück Arbeit«, fügte sie hinzu und kam sich alt vor. Er konnte nicht viel älter als Ende zwanzig sein.

      »Ich habe zwei«, sagte er zu ihrer Überraschung. »Einen Jungen und ein Mädchen. Fünf und sieben.«

      Sie hatte wohl ziemlich verblüfft dreingesehen, denn er fügte hinzu:

      »Ich habe früh angefangen.«

      Anne kam, und sie kriegte ihr Interview, in der Ecke eines Büros, in das beschäftigte Menschen ab und zu hereinplatzten, eine Entschuldigung murmelten und wieder gingen. Bo fotografierte, und sie dachte flüchtig an Ida Marie. Wie sie zusammengebrochen war und Anne Angst gehabt hatte, dass das Kind kommen würde, mitten in dem ganzen Durcheinander. Sie hatten Ida Marie auf einen Stuhl gesetzt, vornübergebeugt, so gut es ging, während sie weinte. Schluchzte wie ein Wasserfall und die Worte hervorstieß: »Ich will es nicht haben. Ich will es nicht haben.« Und sie wussten nicht genau, ob sie von dem Kind in ihrem Bauch sprach, das sie plötzlich nicht haben wollte; oder ob sie den Tod, der so nahe war, auf Abstand zu halten versuchte.

      Anne wiederholte still die Fakten. Eine Hausgeburt, meinte sie. Die Nabelschnur war ungeschickt durchtrennt und verknotet worden. Der Körper des Kindes mit getrocknetem Blut verschmiert.

      »So wie ich das sehe, ist er 24 Stunden nach der Geburt auf dem Fluss ausgesetzt worden. Aber ihr müsst euch im rechtsmedizinischen Institut schlau machen«, sagte sie und seufzte deutlich hörbar, während ihre Finger an der Tasche des Kittels herumfingerten, als hätte sie dort etwas, an das sie sich klammern konnte. »Ich kann nur sagen, wie es unmittelbar aussah.«

      »Wie im Mittelalter«, hatte Anne unten am Fluss fast weinend gesagt.

      »Und das im modernen Dänemark. Wer setzt sein Kind auf diese Weise in einem Land aus, wo es so viele Hilfsmöglichkeiten gibt?«

      Dicte hätte nie gedacht, dass Anne bleich aussehen könnte. Aber plötzlich schien jemand auf einen Fernseherknopf gedrückt zu haben, und alles wurde schwarzweiß. Als könnte man in diesem Moment durch sie hindurch in das dunkle Wasser des Flusses sehen.

      »Was machen wir mit den Bildern von der Wanne?«, fragte Bo. »Wo ist die jetzt?«

      »Bei der Polizei. Zur technischen Untersuchung«, sagte Anne, die wusste, wie so etwas vor sich ging. »Aber Ida Marie hat doch Bilder gemacht. Sowohl von dem Geburtstag als auch später. Warum holt ihr euch nicht den Film?«

      »Geburtstag?«, fragte Bo, als sie zusammen das Krankenhaus verließen, um sich zu Ida Maries Reisebüro zu begeben.

      »Never mind«, seufzte Dicte und dachte an Annes kleines Königreich im Krankenhaus. Für sie würde es nie mehr so sein wie vorher, das fühlte sie. Und Ida Marie. Schwanger. Erstgebärende mit neununddreißig. Von ihnen dreien war sie diejenige, die auf keinen Fall hätte dort sein sollen. Nie das tote Kind hätte sehen dürfen. Die, der es vergönnt sein sollte, am nächsten Morgen mit einem totalen Blackout aufzuwachen. Das wünschte sie Ida Marie, auch wenn es unmöglich war. Dass sie sich an nichts anderes als an das Kind in ihrem Bauch erinnerte.

      Ida Marie war zu dem Reisebüro am Store Torv gegangen, das ihr zusammen mit drei anderen Frauen gehörte. Wo hätte sie auch sonst hingehen sollen, dachte Dicte, denn Theis war auf Dienstreise in Kopenhagen. Und wer war besser dazu geeignet, zu trösten und die Wogen zu glätten als gute Kolleginnen? Am besten wäre natürlich eine Psychologin gewesen, aber so etwas durfte man Ida Marie nicht vorschlagen. Sie hatte die Nase voll von Psychologen, würde sie sicher antworten und hinzufügen, dass das nicht persönlich gemeint sei.

      Sie saß mit einer Tasse Tee zusammen mit einer Kollegin in dem kleinen Gemeinschaftsraum. Grüßte bleich.

      »Hej.«

      Dicte konnte es nicht lassen. Sie setzte sich neben Ida Marie und streichelte ihren Arm, dessen Muskeln angespannt waren.

      »Wie geht es dir?«

      »Grauenhaft«, murmelte Ida Marie in die Teetasse.

      Dicte nickte zu dem Fotografen hinüber, der sich ein wenig abseits hielt.

      »Das ist Bo. Ich soll einen Artikel schreiben, verdammt. Über das, was passiert ist.«

      Ida Marie befeuchtete vorsichtig die Lippen mit der Zunge. Als wollte sie nachspüren, ob sie noch da waren. Nickte Bo kurz zu und glitt wieder in ihre Tee-Welt.

      Dicte räusperte sich.

      »Vielleicht sollte sich jemand um dich kümmern«, schlug sie vorsichtig vor. »Du kannst mit mir kommen. Bis Theis wieder da ist.«

      Ida Marie schüttelte den Kopf.

      »Mir geht es gut. Ausgezeichnet. Ist mir nie besser gegangen.«

      Dicte ließ die Lüge einen Augenblick im Raum stehen. Wusste nicht richtig, wie sie zu Ida Marie durchdringen sollte.

      »Hast du die Kamera dabei? Den Film?«, fragte sie leise, als könnte etwas kaputtgehen, wenn sie laut spräche. »Vielleicht können wir einige der Aufnahmen für den Artikel brauchen«, sagte sie. Sie kam sich wie der reinste Aasgeier vor.

      Ida Marie sah sie voller Abscheu an. Setzte die Teetasse mit einem Scheppern ab.

      »Von dem Kind?«

      Dicte schüttelte den Kopf. Streichelte wieder den Arm, der jetzt unruhig über den Tisch fuhr.

      »Wir zeigen das Kind nicht«, versprach sie. »Nur die Situation. Uns. Die Wanne, falls sich ein brauchbares Bild findet.«

      Ida Marie saß eine Weile da und sah ihren Arm an, als wäre er ein selbstständiger Teil von ihr. Dann schüttelte sie Dictes Hand ab, griff in die Tasche und holte die Kamera heraus. Gab sie ihr.

      »Du kannst alles haben«, sagte sie mit belegter Stimme.

      Die Redaktion war zu klein für die sechs Journalisten, und vom ersten Tag an hatten die anderen davon geredet, in ein größeres Haus umzuziehen. Aber mit der Zeit hatte Dicte begriffen, dass sie das seit Jahren taten. Träumen. Von Büros an dem neuen Jachthafen und einem eigenen Firmenboot mit Logo. Es blieb beim Reden, weil die Zeitung in Kopenhagen immer sparen musste. Deshalb mussten sie sich in drei kleinen Räumen und einem etwas größeren zusammendrängen, in dem sie gemeinsam mit zwei anderen und einer stimmungsvollen Aussicht auf den Telefontorget und die Straßenverkäufer saß, die in regelmäßigen Abständen von der Polizei aufgefordert wurden zu verschwinden.

      Bo war mit Ida Maries Film in der altmodischen Dunkelkammer verschwunden. Sie setzte sich an den Schreibtisch, der sich noch immer nicht ganz vertraut anfühlte. Holte ihren Block heraus und landete mit einem einzigen Anruf bei Kriminalkommissar John Wagner, der sich nicht zu dem Todesfall äußern wollte.

      Sie bekam ein paar vorhersehbare Antworten der Sorte »Das kann ich nicht kommentieren« oder »Es ist zu früh, Vermutungen anzustellen«. Bevor sie auflegte, war sie nahe daran, ihm eine Karriere als Politiker vorzuschlagen.

      Sie sah aus dem Fenster. Konnte fast bis zum Fluss hinuntersehen, wenn sie wollte. Hätte zumindest aufstehen und ihn erahnen können, aber sie ließ es. СКАЧАТЬ