Hypnosystemische Therapie bei Depression und Burnout. Ortwin Meiss
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      doch darauf warst du echt nicht gefasst –

      so kalt geschasst.

      Du warst als Kind für mich der stärkste Mann,

      einer der irgendwie alles lösen kann.

      Doch das hier ist keine Modelleisenbahn.

      Was fängst du an, fängst du jetzt an?

      Monopoli, Monopoli,

      wir sind nur die Randfiguren in einem schlechten Spiel.

      Monopoli, Monopoli,

      und die Herrn der Schlossallee verlangen viel zu viel.

      (aus: »Monopoli«, Klaus Lage, Text: Wolf Maahn)

      Meine Mutter war eine solche Mitarbeiterin. Sie besaß ein ausgeprägtes Pflichtgefühl, war an Sonn- und Feiertagen in der Firma, wenn Not am Mann war, verschob ihren Urlaub und ließ Urlaubstage verfallen, stellte ihre eigenen Interessen hinten an und war in ihrer ganzen Arbeitszeit einen halben Tag krank. Als ihre Pensionierung anstand, realisierte sie, dass sie nun mit einem Blumenstrauß, der nach drei Tagen verwelkt ist, einer Flasche billigen Sekts und ein paar freundlichen Worte abgespeist würde. Dies alles für ein jahrelanges übermäßiges Engagement. Das wollte sie sich offenbar nicht antun. Sie fand einen Vorwand, um zu der Verabschiedung nicht hinzugehen, und ließ die Veranstaltung platzen.

      Klaus Lage findet in seinem Lied »Monopoli« aufmunternde Worte zum Abschluss, welche dem entlassenen Vater Hoffnung machen.

      So viel hast du schon versäumt,

      so viel hast du schon geträumt.

      Zeit ist jetzt reichlich da,

      mach dir ’n paar Wünsche wahr.

      Mann, pack doch nicht ein,

      denn du bist nicht ganz allein.

      Auch wenn’s dir dreckig geht,

      es ist noch nicht zu spät.

      (aus: »Monopoli«, Klaus Lage, Text: Wolf Maahn)

      De facto gibt er seinem Vater den Ratschlag, nun mal an sich selbst zu denken und etwas auf sein eigenes Konto zu buchen. Zudem versichert er ihm, er sei nicht allein, was, wie wir noch sehen werden, eine entscheidende Hilfe für depressive Menschen ist.

       Selbstloses Verhalten

      Etwas für andere zu tun, kann sich durchaus positiv auf unser emotionales Konto auswirken. Wenn sich diejenigen dankbar zeigen, denen man geholfen hat, oder man deutlich sieht, dass man der Gemeinschaft einen wertvollen Dienst erwiesen hat, kann dies zu Zufriedenheit und einem Glücksgefühl führen. Auch vor seinem inneren Zensor, seinem Über-Ich oder seinem inneren Kritiker kann man positiv dastehen, wenn man etwas für einen anderen tut. Erfährt man dann von der Gemeinschaft Anerkennung und Lob, findet seinen Namen in der Zeitung und erhält eine Auszeichnung oder einen Verdienstorden, hat sich der Aufwand gelohnt, denn es wird nicht nur monetär gerechnet. Weit mehr noch sind die meisten Menschen bestrebt, anerkannt oder geliebt zu werden. Gelingt uns das, buchen wir ein dickes Plus auf unser emotionales Konto.

      Ebenso kann es ein Minusgeschäft werden, wenn wir viel für andere tun und unsere eigenen Interessen vernachlässigen. Manche Menschen hoffen dann, von anderen gemocht zu werden, wenn sie ihnen zu Diensten sind. Wer sich jedoch als Dienstmagd anbietet, wird auch als Dienstmagd wahrgenommen. Dann macht man die Erfahrung, für das, was man für den anderen tut, nicht nur nicht wertgeschätzt, sondern auch noch abgewertet zu werden. Wer sich anderen anbiedert, wird als minderwertig angesehen und auch so behandelt.

      Die Vorstellung, einen Partner halten zu können, indem man ihm jeden Wunsch von den Augen abliest, mag in Liebesromanen funktionieren, in der Realität wird man damit scheitern. Derjenige, der sich als Erwartungserfüller für die Wünsche der anderen präsentiert, wird nicht als gleichrangig wahrgenommen. Indem er dem anderen dient, disqualifiziert er sich als Partner.

      Eine Krankenschwester wohnte mit ihrem Freund zusammen, der Medizin studierte. Da er knapp bei Kasse war, zahlte sie die Miete und finanzierte die gemeinsamen Urlaube, ohne dass eine Vereinbarung bestand, wie er ihre finanziellen Vorleistungen ausgleichen könnte. Zudem führte sie den Haushalt und bekochte ihn. Als er sein Studium beendet hatte und selbst verdiente, trennte er sich von ihr.

      Wer übermäßig viel für den anderen tut, zeigt damit, dass er sich selbst nicht wertvoll genug findet, um den anderen allein durch seine persönliche Attraktivität in der Beziehung zu halten. Er glaubt, er müsse zusätzliche Leistungen erbringen. Die soziale Umgebung interpretiert dies als unterwürfiges Verhalten und wertet die unterwürfige Person ab. Dem, der auf sein gutes Recht oder auf seinen wohlverdienten Lohn verzichtet, ergeht es genauso.

      Wer als Fußballtrainer einer Bundesligamannschaft arbeiten will, wird die Stelle nicht bekommen, wenn er alles abnickt, was der Verein sich von ihm wünscht, und sich dann noch in den Verhandlungen im Honorar drücken lässt. Er bekommt die Stelle nur, wenn er Forderungen stellt. Nur dann hat er die Achtung der Verantwortlichen, und nur dann trauen diese ihm zu, eine Mannschaft mit herausragenden Spielern zu führen.

      Ein Seminaranbieter, der für Industrieunternehmen tätig ist, weiß, dass es ein großer Fehler ist, ein Seminar zu preiswert anzubieten. Man provoziert damit zwei Reaktionen: Entweder das Seminarangebot wird vom Kunden abgewertet – »Das kann nichts sein« – oder, wenn der Kunde weiß, dass man gute Seminare anbietet, man selbst wird abgewertet – »Wie kann der nur so blöd sein, sich so billig zu verkaufen?«. In beiden Fällen wird man im Status heruntergestuft.

      Viele depressive Patienten sind sich dieser gesellschaftlichen Spielregeln nicht bewusst. Durch ihr geringes Selbstwertgefühl neigen sie dazu, es ihrer Umwelt recht machen zu wollen. Sie versuchen, anderen zu Diensten zu sein in der Hoffnung, die gewünschte Anerkennung zu bekommen und gemocht zu werden. Mag es einem Kind noch gelingen, sich mit diesem Verhalten das Wohlwollen der Erwachsenen zu sichern, so macht man als Erwachsener die Erfahrung, dass man von den anderen herablassend behandelt wird. Die Mutter, die nie etwas für sich fordert und alle bedient, wird irgendwann kaum mehr wahrgenommen. Der Mitarbeiter, der trotz guter Leistungen nie eine Lohnerhöhung und eine bessere Stellung fordert, wird von oben herab behandelt und geht bei Beförderungen leer aus. Der Partner, der sich alles gefallen lässt und sich vollkommen an dem anderen ausrichtet, wird schlecht behandelt und irgendwann betrogen oder verlassen.

       Leistungen, die nicht honoriert werden

      Manche Menschen machen den Fehler, dass sie aus dem Aufwand, den sie selbst für eine Sache aufgebracht haben, Rückschlüsse auf den Nutzen ziehen, den andere von dieser Sache haben. Wer stundenlang für ein Essen in der Küche steht und dann mitansehen muss, dass die Kinder das Gekochte in Sekundenschnelle in sich hineinschlingen, ist frustriert. Wer tagelang eine Feier vorbereitet, bei der sich letztendlich nur die Gäste amüsieren und eine halbverwüstete Wohnung hinterlassen, wird selbst nicht auf seine Kosten kommen.

      Oft steht der Nutzen des Leistungsnehmers in keinem Verhältnis zum Aufwand des Leistungserbringers. In meinem Stadtteil beobachte ich Eltern, die die Versorgung ihres Nachwuchses so verstehen, dass es ihre Aufgabe sei, für ihre Kindern alles СКАЧАТЬ