Название: Das verlassene Haus
Автор: Louise Penny
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Ein Fall für Gamache
isbn: 9783311701262
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In diesem Moment rissen Beauvoir und Lemieux in eine Unterhaltung vertieft die Tür des Bistros auf. Gamache hob die Hand, um sie auf sich aufmerksam zu machen. Sie verstummten und kamen zu dem Grüppchen am Kamin herüber.
Die Sonne schien durch das Fenster und im Hintergrund war das Gemurmel der anderen Gäste zu hören. Alle wirkten bedrückt.
»Erzählen Sie mir, was passiert ist«, sagte Gamache leise.
»Das Medium hat das Salz verstreut und die Kerzen angezündet«, sagte Myrna und schien die Szene dabei vor sich zu sehen. »Wir saßen im Kreis.«
»Wir hielten uns an den Händen«, ergänzte Gabri. Sein Atem war schneller und flacher geworden, er sah aus, als würde er allein bei der Erinnerung jeden Moment in Ohnmacht fallen. Gamache vermeinte fast den Herzschlag des großen Mannes zu hören.
»Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst«, sagte Clara. »Nicht einmal, als ich im Schneesturm auf der Schnellstraße unterwegs war.«
Die anderen nickten. Sie alle waren schon einmal in der gleichen Situation gewesen und davon überzeugt, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte. Ein heftiger Aufprall, das schleudernde Auto außer Kontrolle geraten, unsichtbar in den wild durcheinanderwirbelnden Schneeflocken.
»Aber genau darum ging es doch, oder?«, fragte Peter, der sich auf der Lehne von Claras Ohrensessel niedergelassen hatte. »Euch selbst Angst einzujagen?«
Hatten sie es deswegen getan, fragte sich Clara.
»Wir waren dort, um die bösen Geister aus dem Haus zu vertreiben«, sagte Myrna, aber im hellen Licht des Tages klang das albern.
»Und vielleicht, um uns selbst ein bisschen Angst einzujagen«, gab Gabri zu. »Ist doch wahr«, fügte er hinzu, als er die Gesichter der anderen sah. Clara musste ihm recht geben. Waren sie wirklich so dumm gewesen? War ihr Leben so beschaulich, so langweilig, dass sie die Gefahr heraufbeschwören mussten? Nein, nicht heraufbeschwören. Sie war immer schon da. Sie hatten sie umworben. Und sie hatte geantwortet.
»Jeanne, das Medium«, erklärte Myrna Gamache, »sagte, sie könnte etwas kommen hören. Wir waren einen Moment lang still und, na ja, ich glaube, ich habe auch etwas gehört.«
»Ich auch«, sagte Gabri. »Im Bett. Jemand wälzte sich auf dem Bett herum.«
»Nein, es kam vom Flur«, sagte Clara, riss sich von der Betrachtung des Feuers los und sah die anderen an. Es war beinahe so wie in der Nacht zuvor, ihre Gesichter mit den weit aufgerissenen Augen wurden von den Flammen beleuchtet, sie saßen angespannt da, jeden Moment bereit aufzuspringen. Sie befand sich wieder in diesem schrecklichen Zimmer. Roch die Frühlingsblumen, wie in einem Bestattungsunternehmen, und hörte die Schritte, die sich ihr schlurfend von hinten näherten. »Schritte. Da waren Schritte. Ich erinnere mich, dass Jeanne sagte, sie würden kommen. Die Toten würden kommen.«
Beauvoir spürte, wie sich sein Herz zusammenzog, seine Hände wurden taub. Er fragte sich, ob es Lemieux etwas ausmachen würde, wenn er seine Hand nahm, beschloss dann jedoch, dass er eher sterben würde.
»Sie kommen, sagte sie«, pflichtete Myrna ihr bei. »Dann sagte sie noch etwas.«
»Vom Dach und noch von woanders her«, sagte Gabri und versuchte sich an die Worte zu erinnern.
»Vom Dachboden«, korrigierte Myrna.
»Und aus dem Keller«, ergänzte Clara und sah Armand Gamache in die Augen. Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Der Keller des alten Hadley-Hauses verfolgte ihn immer noch.
»Dann ist es passiert«, sagte Gabri.
»Noch nicht«, sagte Clara. »Sie sagte noch etwas.«
»Sie sind überall um uns herum«, sagte Myrna leise. »Kommt. Jetzt!«
Sie klatschte in die Hände, und Beauvoir wäre beinahe tot umgefallen.
13
»Dann ist sie tot umgefallen«, sagte Gabri. In dem Moment trat Olivier hinter ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. Gabri stieß einen Schrei aus.
»Tabernacle. Willst du mich umbringen?«
Der Bann war gebrochen. Im Raum wurde es wieder hell, und Gamache stellte fest, dass auf dem Sofatisch auf einmal ein großes Tablett mit Sandwiches stand.
»Was ist danach passiert?«, fragte Gamache und nahm sich ein aufgeschnittenes warmes Baguette mit geschmolzenem Ziegenkäse und Rucola.
»Monsieur Béliveau hat sie nach unten getragen, während Gilles sein Auto holte«, sagte Myrna und griff nach einem Croissant mit gegrilltem Hähnchen und Mango.
»Gilles?«, fragte Gamache.
»Sandon. Er arbeitet in den Wäldern. Er und seine Freundin Odile waren auch dabei.«
Gamache erinnerte sich, dass sie auf der Liste der Zeugen in seiner Tasche standen.
»Gilles fuhr. Hazel und Sophie sind mitgefahren«, sagte Clara. »Wir anderen haben Hazels Auto genommen.«
»Mein Gott, Hazel«, sagte Myrna. »Hat heute schon jemand mit ihr gesprochen?«
»Ich habe sie angerufen«, sagte Clara und musterte das Tablett, verspürte jedoch keinen rechten Appetit. »Ich habe mit Sophie gesprochen. Hazel war zu mitgenommen.«
»Hazel und Madeleine standen sich nah?«, fragte Gamache.
»Sie waren beste Freundinnen«, sagte Olivier. »Seit der Highschool. Sie haben zusammengelebt.«
»Nicht als Liebespaar«, sagte Gabri. »Na ja, jedenfalls nicht, soweit ich weiß.«
»Sei nicht albern, natürlich waren sie kein Liebespaar«, sagte Myrna. »Männer. Ihr meint immer, wenn zwei erwachsene Frauen zusammenleben und ihre Zuneigung füreinander zeigen, dann sind sie Lesben.«
»Stimmt«, sagte Gabri, »bei uns nimmt auch jeder an, wir sind Schwule.« Er tätschelte Oliviers Knie. »Aber wir vergeben euch.«
»Hatte Madeleine Favreau jemals Übergewicht?«
Gamaches Frage kam so unerwartet, dass ihn alle nur verständnislos anstarrten, so als hätte er russisch gesprochen.
»Ob sie einmal dick war, meinen Sie?«, fragte Gabri. »Ich glaube nicht.«
Die anderen schüttelten die Köpfe.
»Sie hat allerdings noch nicht so lange hier gelebt«, sagte Peter. »Was würdet ihr sagen, fünf Jahre?«
»Ungefähr«, sagte Clara. »Aber sie hat sofort dazugehört. Sie trat mit Hazel zusammen dem Verein anglikanischer Frauen bei …«
Gabri stöhnte auf. »Mist. Sie sollte in diesem Sommer die Leitung übernehmen. Was soll ich denn jetzt machen?«
Es hatte ihn böse erwischt, wenn auch nicht so schlimm wie Madeleine, wie er zugeben musste.
»Armer Gabri«, sagte СКАЧАТЬ