Das Moordorf. Max Geißler
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Название: Das Moordorf

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467626

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СКАЧАТЬ Ham Rugen den Angstruf des Mädchens hörte und aus dem Torfrauch trat, sah er, wie sich Wöbke schluchzend ins Gras warf. Sie hatte das Kind im Arm und hielt die freie Hand vor das schmerzende Gesicht.

      „Deern!“ rief Ham Rugen, „Deern, was ist dir?“

      Auch Jan Klüwer war hinzugetreten.

      „Gesche hat mich geschlagen!“

      „Warum?“

      „Sie sollte dir die Streu nicht aus dem Bette nehmen, Ham Rugen — ich dachte ...“

      Wöbke Dierks sprach nicht weiter. Ihre Stimme erstickte in den Tränen. Ham Rugen war in die Hütte gelaufen, aber Gesche Stelljes sagte, die dumme Deern lüge, oder sie sähe Gespenster.—

      Am andern Tage stand nicht mehr die glänzende blaue Kuppel des Himmels über dem Moore.

      Die Birken hatten ihr goldenes Laub verloren; nur an den Enden der Zweige sassen noch dünne Häuflein lispelnder Blätter und zitterten, weil der Wind bald aufwachen und sie fortwirbeln werde.

      Aber der Wind kam nicht. In gleichmässigem Grau hing der Himmel über den müden Farben der Ebene, flach, tief, und nur eine kaum merkliche Bewegung war in der eintönigen Schwere der Wolken — von Abend nach Morgen.

      Und da und dort spannen sich die Nebel der Moore über den Grund. Zäh, träge. Und die braunen Segel der Torfboote tauchten auf — verschwanden. Aber kein Wind rührte sie an. Und kein Duft einer späten Blume war in dem grauen Tag, und kein Glanz ging hindurch. Müde und mit schweren Schwingen flog ein Reiherpaar seine Bahn.

      Aus der Hütte trat Ham Rugen in den müden Morgen, und Wöbke Dierks folgte ihm. Die beiden gingen quer übers Moor, gingen schweigend in den bleigrauen Tag.

      Ham Rugen hatte Stiefel an den Füssen, wie sie die Leute aus dem Moore kaum Sonntags auf dem Kirchgange trugen. Wöbke Dierks war barfuss in den klappernden Holzschuhen.

      Als sie so weit gekommen waren, dass die Dächer der Einhäuser in dem Graunebel des Moores nur noch von denen gesehen werden konnten, die wussten, dass sie dort seien, und der Damm, auf dem an manchen Tagen auch wohl ein Wagen fuhr, noch nicht in der Nähe war, blieb Ham Rugen stehen und schaute nach allen Seiten über das Gelände.

      Als er gar nichts Lebendes bemerkte und auch nicht einmal ein Segel in einem der Schiffgräben gleiten sah, bückte er sich und legte den Beutel mit dem Gelde, den er in der Tasche getragen, unter einen Stechpalmbusch, der sein Gezweig bis auf das verblühte Kraut der Heide herabhing, und deckte ihn mit schwarzer Moorerde zu.

      Wöbke Dierks betrachtete des alten Mannes tätige Sorge und sagte: „Daran hätt’ ich nicht gedacht, Ham Rugen. Aber ich will mir den Stechpalmbusch mit merken, damit wir nicht lange suchen müssen, wenn wir zurückkehren.“

      „Es ist recht, Kind“, sagte Ham Rugen. „Aber ich weiss, es sind nur drei Sträucher dieser Art auf dem Wege von den Einhäusern bis zum Damm, und im Schirme des mittleren hab’ ich das Geld verborgen.“

      Die dämmrige Stille stimmte sich die Herzen, und es war, als wage sich kein Laut von den Lippen der wandernden Menschen, denn es war kein Ton in der nebelgrauen Einsamkeit. Selbst ihre Tritte versanken lautlos in dem feuchten Sande des Moordamms, auf den sie nun gelangt waren.

      Wie sie fast zwei Stunden schweigend nebeneinander geschritten, während welcher der alte Mann manchmal einen Blick nach den ferne ziehenden Segeln geworfen, und wie sie nur selten die Mauern eines Gehöfts oder das Dach einer einsamen Moorhütte hatten auftauchen sehen, drängten sich nun die steinernen Häuser bis dicht an die breite Strasse heran, auf der sie schon seit geraumer Zeit gewandert waren.

      Nicht mehr fern lag der Weyerberg, den die Leute in anderer Zeit, da noch die See über das Moor gegangen sein soll, als Düne gegen die drohenden Wasser errichtet hatten. Jetzt schaute auch der weisse Turm des Kirchleins über die Bäume des Berges hinweg.

      „Dorthin wollen wir gehn“, sagte Ham Rugen, „und wenn wir erreicht haben, was ich will und für nötig halte, wollen wir ruhen und wieder zu den Einhäusern zurückwandern.“

      Kurze Zeit danach betraten sie das Pfarrhaus neben dem weissen Kirchlein. Ham Rugen redete mit dem greisen Pastor. Er redete auch mit dem Gemeindevorsteher, der auf die Pfarre gebeten worden war.

      Wöbke Dierks verstand nicht alles, was die Männer miteinander sprachen. Aber sie nahm wahr, dass von ihr die Rede sei und Ham Rugen wünsche, zum Vormund für das Mädchen bestellt zu werden, da dieses als elternlos zu betrachten sei. Er sagte auch, dass er es nicht für gut halte, wenn Gesche Stelljes die alleinige Fürsorge für das Kind anheimgegeben sei. Manches sprachen die Männer leise.

      Dann machten sich die beiden wieder auf den Weg zu den Einhäusern, von denen auch die Rede zwischen Ham Rugen und dem Pastor gewesen war.

      Der Gemeindevorsteher sagte, es werde schon alles nach dem Wunsche Ham Rugens in die Wege geleitet werden. Er werde bald ein Schreiben empfangen, aus dem alles zu ersehen sei, was er zu wissen nötig habe. Auch an Gesche Stelljes und ihren Mann werde die Mitteilung gelangen, dass sie sich den Bestimmungen, die Ham Rugen als Vormund von Wöbke Dierks für gut halte, zu fügen haben.

      Wie Ham Rugen mit dem Kinde die breite Strasse zurückgelegt, und wie sie auch den Damm entlang gegangen waren, schritten sie wieder über die pfadlose Moorheide.

      Ein sanfter Regen hatte zu fallen begonnen. Aber die Stille war noch über den Weiten. Bloss ein leises Zischen war in der Luft — so fein, wie man es nur in der Moorheide vernehmen kann, in der gar kein Laut ist, und in der auch der Fuss so weich schreitet wie nirgend sonst auf einem Wege.

      Wöbke Dierks sagte, dieses sanfte Klingen in der Luft müsse wohl entstehen, wenn der rinnende Tau des Himmels sich im Fallen streife.

      Überdem waren sie an den Stechpalmbusch gekommen, unter dem Ham Rugen den Strumpf mit dem Gelde verborgen hatte. Er steckte ihn wieder zu sich, und sie gingen ihren Weg zu Ende.

      Elftes Kapitel.

      Wie drei Jahre vergangen waren, seit Claus Böschen seine Siedelei in das Moor gesetzt, sass Ham Rugen im warmen Licht eines Spätsommertags und hatte die Hände im Schoss gefaltet.

      Er hatte die Hose aus Leder, die er, als er noch schmuggelte, von einem Schiffer in der rauchigen Kneipe an der Weser erstanden, über den Knöcheln gebunden. Den Stock, an dem er seit dem letzten Herbst gehen musste, hatte er neben die Bank in den Sand gesteckt. Er liess sich die Stirne von der goldenen Hand der Sonne streicheln und hatte das silberne Haar über den Schläfen nach vorn gestrichen.

      Wöbke Dierks kam über den Steg und trug in einem Napf dampfendes Essen herüber. Sie setzte dem alten Mann die Schüssel in den Schoss und sagte:

      „Es ist ein süsser Milchbrei, Ham Rugen, und ich hab’ ihn selbst für dich gekocht. Und Wischen lässt dir sagen, du möchtest doch auch einmal zu ihr hinüberkommen, wenn du froh seist, damit du ihr erzählen könnest, solange sie zu Bett liegen müsse. Wischen hört dich gern reden von alten Tagen und von solchen, die erst kommen werden.“

      „Ich will zu Wischen Böschen gehn, wenn mir etwas einfällt, davon ich ihr erzählen kann“, sagte Ham Rugen.

      Wöbke Dierks sprang rasch zu den drei Kindern hinunter, die nicht weit von den Buschkiefern entfernt in dem warmen Sande sassen und mit den Löffeln Gräben in das Erdreich СКАЧАТЬ