Das Dorf der Wunder. Roy Jacobsen
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Название: Das Dorf der Wunder

Автор: Roy Jacobsen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711449646

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СКАЧАТЬ nun einmal besser als scharfgeladene Waffen, und keine davon zeigt nun noch in meine Richtung, deshalb wage ich es, die Arme zu senken, bleibe aber weiterhin dort stehen, wo ich nun einmal stehe, zum Beweis dafür, dass ich eingesehen habe, dass nicht ich, sondern der Offizier zu bestimmen hat, ob ich diesen Platz verlassen darf oder nicht, und das wirkt abermals beruhigend auf ihn ein.

      Er tritt näher und mustert mich, als ob ich mich vielleicht als der ausgegeben hätte, der ich bin, während ich seinen Blick ängstlich erwidere. Er ist ein Mann von mindestens vierzig, breitschultrig und von hoch erhobener Haltung, mit einer starken Nasenwurzel und schmalen bitteren Lippen, in die er immer wieder die Zähne gräbt, und seine Augen sind ebenso schlaflos und erschöpft wie die von Olli, sein Gesicht ist verhärmt und mager und voll von wochenalten Bartstoppeln, die in ungleichmäßigen Büscheln aus der überraschend weißen Haut wachsen.

      »Frierst du?«, frage ich, in einer Art Glauben, dass ich endlich entdeckt habe, was mit ihnen nicht stimmt, diesen humpelnden und schlurfenden Bewegungen, sie sind erschöpft, einer wie alle, am Rande des Zusammenbruchs.

      »Ist das eine Frage?«, fragt der Dolmetscher tonlos und schaut in eine andere Richtung.

      »Ja«, sage ich. »Er sieht aus, als ob er friert, und als ob er das schon lange tut.«

      Jetzt kann die Frage als etwas verstanden werden, das mit meinem Holz zu tun hat, das ich eben erwähnt habe, mit Wärme und Frost und nicht mit dem Krieg. Und soweit ich das beurteilen kann, beschließt der Dolmetscher, irgendwie in diese Richtung zu übersetzen. Aber dann passiert etwas zwischen den beiden Männern, das ich nicht durchschaue, denn der Offizier scheint sich plötzlich über den Dolmetscher mehr zu ärgern als über mich, und der Dolmetscher scheint sich zu verteidigen.

      »Hast du übersetzt, was ich gesagt habe?«, schalte ich mich ein.

      »Fresse halten«, kläfft er über seine Schulter und beantwortet weitere Vorwürfe, ehe er sich wieder zu mir umdreht.

      »Er glaubt nicht, dass du gefragt hast, ob er friert.«

      »Sag es noch einmal, und sag auch, dass ich ihm etwas zeigen will.«

      Der Dolmetscher überlegt, sagt ohne Betonung ein paar russische Wörter, bleibt stehen und starrt seine Stiefelspitzen an. Der Offizier lässt seinen Blick zwischen ihm und mir hin und her wandern und murmelt aus dem Mundwinkel etwas. Der Dolmetscher nickt nüchtern und drehte sich ein weiteres Mal in meine Richtung um.

      »Bist du wirklich Finne?«

      »Natürlich.«

      »Papiere?«

      »Zu Hause auf dem Hof, zwanzig Kilometer nördlich der Stadt, in Lonkkaniemi.«

      Er übersetzt, und das bringt ihm ein kurzes Nicken und zwei geschnaubte Wörter ein.

      »Was willst du uns zeigen?«

      Ich zeige auf das Haus von Luukas und Roosa und mache eine Handbewegung, die bedeuten soll, dass ich ein gehorsamer Untertan bin, der seine Herren willkommen heißt. Der Offizier überlegt kurz und bedeutet mir dann, dass er mir folgen wird, auf Distanz. Und so gehen wir hintereinander zu dem Haus, wo ich die Tür öffne und offen halte, was wenig bringt, denn der Offizier will erst eintreten, nachdem seine Soldaten das Gebäude durchsucht haben, vom Keller bis zum Dachboden, auf Granaten und Minen, wie ich verstehe. Und während das vor sich geht, zeige ich ihm den Holzstapel, den ich aufgeschichtet habe, die Reste von Luukas’ Scheunenwand. Aber er nickt nur kurz und scharrt stattdessen mit den Füßen in dem Haufen aus Eisenschrott herum, fragt mit Hilfe des Dolmetschers, was das denn hier sei. Ich sage es ihm, Werkzeug und Ausrüstungsgegenstände, die ich irgendwann reparieren will, ein Plan, der das Bild von mir zu bestätigen scheint, dass sich jetzt offenbar in ihm festsetzt.

      Der Offizier erhält von einem seiner Soldaten ein Klarsignal, zuckt mit den Schultern, und zusammen mit dem Dolmetscher und zwei einfachen Soldaten gehen wir in die Küche, er setzt sich an den Tisch von Luukas und Roosa, während ich anfange, Kaffee zu kochen und Brot zu schneiden, und die Soldaten beziehen jeweils an den Türen Posten.

      Der Offizier sagt etwas, aber der Dolmetscher antwortet nicht und übersetzt auch nicht. Wieder sagt der Offizier etwas, und es hört sich an, wie dasselbe noch einmal.

      »Was sagt er?«, frage ich.

      »Er hat gesagt, dass ich das nicht übersetzen soll.«

      »Aber es hat mit mir zu tun?«

      Der Dolmetscher sagt etwas zu dem Offizier, der offenbar aus seinen Gedanken gerissen worden ist, denn er antwortet kurz, aber nicht unwillig.

      »Er sagt, dass diese Stadt abgebrannt worden ist«, sagt der Dolmetscher, und bei ihm hört es sich an wie eine Frage.

      »Damit ihr hier nichts vorfindet«, sage ich. »Weder Lebensmittel noch Häuser.«

      »Das hat er schon verstanden, aber er glaubt, dass es eine Falle sein kann.«

      Ich sehe wieder die Schatten vor mir, die während des Brandes wie eine grauer Fluss über das Eis des Kiantajärvi gehuscht sind.

      »Warum seid ihr dann hineingetappt?«

      Der Dolmetscher macht wieder ein Gesicht, als ob er seinen Ohren nicht traut, dann fängt er plötzlich an zu schimpfen, einfach vor sich hin, er hat wohl Angst davor, seine Wut auf ein klares Ziel zu richten. Aber im selben Moment fällt der Soldat, der an der Haustür Wache gestanden hat, in Ohnmacht und kommt wieder zu sich, als er auf den Boden aufschlägt, er bezieht blitzschnell Position und murmelt etwas, das sicher eine Entschuldigung sein soll. Ich sehe ihren aufgedunsenen Gesichtern an, dass die plötzliche Hitze sie so fertigmacht, und ich reiche dem Soldaten eine Scheibe Brot. Er schaut kurz zu dem Offizier hinüber, der in eine andere Richtung blickt, schnappt sich das Brot und schlingt es hinunter wie ein ausgehungerter Hund. Ich gebe auch seinem Kameraden eine Scheibe, er isst auf dieselbe Weise, während der Offizier eine verärgerte Handbewegung macht und der Dolmetscher nun wieder mir ins Gesicht blickt, offenbar wählt er seine Worte jetzt sorgfältig aus.

      »Was glaubst du denn?«, fragt er, wieder meint er diese Falle, die die Finnen möglicherweise für sie gestellt haben. Und ich begreife, dass diese Frage gefährlich ist, aber dass sie vielleicht auch meine Rettung werden kann, wenn ich auf eine Weise antworte, die den Offizier davon überzeugen kann, dass ich nicht nur dumm bin, sondern auch so ungefährlich, wie er sich das offenbar erhofft.

      »Ich weiß nicht«, sage ich und schenke Kaffee in Roosas Tassen ein und schiebe die schönste dem Offizier hin, der sofort danach greift und sie mit seinen verdreckten Pulswärmern umklammert.

      »Aber was glaubst du wirklich?«, kläfft der Dolmetscher noch einmal. Ohne mich aus der Fassung bringen zu lassen, gebe ich auch den beiden einfachen Soldaten Kaffee, den sie lauthals schlürfen, zum sichtlichen Ärger des Offiziers. Ich sage ruhig zu dem Dolmetscher:

      »Würdest du auch etwas übersetzen, wovon du glaubst, dass er es nicht gern hört?«

      »Was?«

      Ich wiederhole meine Frage.

      »Natürlich!«

      »Dann sag ihm doch, ich finde, dass du schlecht Finnisch sprichst, vor allem, wenn du wütend wirst.«

      Ich schaue zu Boden, spüre aber, dass der Dolmetscher rot wird und mir den Kaffee bestimmt СКАЧАТЬ