Название: Geliebte Welt
Автор: Roland Hardmeier
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition IGW
isbn: 9783862567591
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Soziale Aktion
Seit dem Lausanner Kongress 1974 wird in der evangelikalen Bewegung die soziale Verantwortung der Kirche intensiv diskutiert. Nachdem es in den 1980er-Jahren wegen der Frage des Verhältnisses von Verkündigung zu sozialer Verantwortung zu heftigen Friktionen gekommen war, hat sich die Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts stark verändert. Die Frage nach der sozialen Verantwortung der Kirche ist positiv beantwortet worden und als Folge davon sind zahlreiche soziale Aktionen entstanden. Als Beispiel darf das 1999 gegründete Micah Network gelten, das von René Padilla präsidiert wird. Das Micah Network umfasst gegen 300 christliche Entwicklungsorganisationen in über 70 Ländern. Das Ziel der Kampagne besteht darin, christlichen Organisationen zu helfen, eine biblische Antwort auf die Nöte der Welt zu finden, vor allem auf das Problem der Armut.
Im Jahr 2001 hielt das Micah Network seine erste internationale Konferenz ab in Oxford. Die an dieser Konferenz verabschiedete Micah Declaration on Integral Mission liest sich durchgängig wie das Manifest eines neuen missionarischen Paradigmas (www.stoparmut2015.ch):
Integrale Mission oder ganzheitliche Veränderung meint die Verkündigung und die gesellschaftliche Umsetzung des Evangeliums. Das heißt nicht nur, dass Evangelisation und soziales Engagement beide gleichermaßen zu geschehen haben. Vielmehr heißt das im Verständnis ganzheitlicher Mission, dass aus unserer Verkündigung soziale Konsequenzen folgen, weil wir die Menschen zur Liebe und zur Busse in allen Bereichen des Lebens ermutigen. Und unser soziales Engagement hat evangelistische Auswirkungen, da wir Zeugnis geben von der verwandelnden Kraft Jesu Christi. Wenn wir die Welt vernachlässigen, verraten wir das Wort Gottes, das uns doch aussendet, der Welt zu dienen. … Wie wir es im Leben Jesu sehen können, ist die Verknüpfung von Sein, Tun und Reden das Herz ganzheitlicher Mission. Jesus Christus ist die Mitte, darauf verpflichten wir uns gegenseitig neu. Sein opferbereiter Dienst ist das Muster einer jeden christlichen Nachfolge.
In Deutschland ist das Micah Network unter der Bezeichnung Micha Initiative bekannt und wird von der Deutschen Evangelischen Allianz getragen. In der Schweiz heißt dieselbe Initiative StopArmut und wird von der Arbeitsgemeinschaft Nord-Süd der Schweizerischen Evangelischen Allianz verantwortet. Die beiden Initiativen wollen einen substanziellen Beitrag zur Durchsetzung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen leisten. Ziel ist es, durch verschiedene Maßnahmen die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Dies will StopArmut durch die Motivation von Christen, die Beeinflussung von Entscheidungsträgern, die Auszeichnung von Modellen zur Armutsbekämpfung und Gebet erreichen (www.stoparmut2015.ch). Die deutsche Micha Initiative weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass seit der Gründung der Weltweiten Evangelischen Allianz Evangelisation und gesellschaftliche Verantwortung eng zusammengehören und dass auch die Lausanner Verpflichtung diesen Punkt herausstreicht. Das macht zweierlei deutlich: Zunächst, dass sich das Bahn brechende neue Verständnis von der sozialen Verantwortung der Kirche auf historische Vorbilder beruft, wie es sie in der Frühzeit des Evangelikalismus gegeben hat. Man möchte die fundamentalistische Verabschiedung aus der Welt durch die Rückkehr zur ursprünglichen Weltzugewandtheit überwinden. Und dann auch, dass der Lausanner Kongress 1974 tatsächlich eine Wende im Weltbezug der Evangelikalen markiert. Die dort gemachten Anregungen sind in den 1980er-Jahren in der Zwei-Drittel-Welt mit Begeisterung aufgenommen worden und scheinen mit Verzögerung auch im Westen einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.
Missionaler Gemeindebau
Schließlich sind die missionalen Ansätze im Gemeindebau ein weiteres und deutliches Anzeichen für einen Paradigmenwechsel. Ein Beispiel dafür ist die Theologie des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus des deutschen Missionswissenschafters und Gemeindegründers Johannes Reimer. In seinem Buch Die Welt umarmen nimmt er eine gründliche theologische Analyse des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus vor. Reimer (2009, 24) ist überzeugt, „dass erfolgreicher Gemeindeaufbau unmittelbar mit der Frage zusammenhängt, ob eine Gemeinde zu einer verständlichen und in der Gesellschaft angenommenen Form und Struktur gefunden hat.“ Es reiche nicht aus, bestehende Gemeinden zu erneuern indem etwa die Form des Gottesdienstes verändert werde. Ebenso wenig reiche es aus, Gemeinde zu restaurieren indem bestimmte Themen, die in der Vergangenheit vernachlässigt wurden, neu entdeckt würden. Es gehe vielmehr um eine neu gedachte und neu konzipierte Gemeinde. Reimer spricht von einem „kontextuell-theologischen Konzept, das beides ernst nimmt, die Botschaft des Neuen Testamentes und auch den Kontext, in dem diese Botschaft Fleisch werden soll“ (a.a.O., 22)
Missionaler Gemeindebau, also vom Sendungsauftrag her gedachter Gemeindebau, verlangt nach einer theologischen Grundlegung und nach einer Form, die für den jeweiligen Kontext relevant ist. Genau dies nimmt Reimer in seinem Werk vor. Er untersucht die biblischen Images von Gemeinde – die Gemeinde als Versammlung, Bau, Volk, Leib – und folgert: „Biblische Bilder von der Gemeinde machen deutlich, dass die Gemeinde von ihrem Wesen her missionarisch ist, oder sie ist keine Gemeinde. Das missionarische Wesen der Gemeinde schließt die erklärte Absicht zur Transformation der Welt, in der die Gemeinde existiert, ein … Mission der Gemeinde muss sowohl die Proklamation des Wortes Gottes als auch die soziale Aktion beinhalten. Erst da, wo die Gemeinde ihre transformative Rolle in der Gesellschaft wahrnimmt, wird sie ihrer missionarischen Aufgabe gerecht“ (a.a.O., 92).
Reimer begründet den missionalen Gemeindebau im Weiteren trinitarisch und missiologisch. Besonders interessant für unser Thema sind Reimers Ausführungen über die Gemeinde in der Welt (a.a.O., 182–193): Gott wirkt in der Welt. Er ist es, der die Geschichte lenkt. Die Gemeinde ist eingeladen, sich auf den Spuren des Schöpfers zu bewegen und an seinem Wirken in der Welt teilzuhaben. Die Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Menschen in der Welt. Der Mensch hat von Gott ein Kulturmandat erhalten. Es ist nicht allein die Gemeinde, durch die Gott sein Reich erbaut. Alle Menschen tragen dazu bei. Das ist eine Einladung zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit allen Menschen. „Nicht gegen die Menschen, sondern mit ihnen wird Gemeinde gebaut. Nicht gegen die Kultur, sondern in der Kultur“ (a.a.O., 186). Die Welt ist nicht nur Gottes gute Schöpfung, sondern zugleich eine gefallene Welt. Das Böse in der Welt ist eine Aufforderung zum Kampf. Die Gemeinde muss die Welt zu verstehen suchen. Dazu gehört, sie als vom Bösen korrumpierte Welt zu sehen, vor allem aber den Kontext zu kennen, in welchem Gemeinde konkret gebaut werden soll.
2. Der gerechte Gott
Gerechtigkeit ist von zentraler Bedeutung für das menschliche Zusammenleben. Der Kirchenvater Augustin hat treffend gesagt, dass Gerechtigkeit das ist, was eine Gesellschaft von einer Räuberbande unterscheidet. Die Frage nach der Gerechtigkeit ist gerade in der Epoche der Globalisierung von entscheidender Wichtigkeit.
In der Epoche der Globalisierung rückt die Welt zusammen; ob aus ihr eine Weltgesellschaft oder eine Weltwillkürherrschaft hervorgeht, entscheidet sich an der Gerechtigkeit … Die zukünftige Gestalt der Welt hängt davon ab, ob auf lange Sicht СКАЧАТЬ