Das Kind vom anderen Stern. Ross Welford
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Название: Das Kind vom anderen Stern

Автор: Ross Welford

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783649640110

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СКАЧАТЬ ähm … ich dachte … ob du vielleicht, na ja, ob du … ähm …« So ist Iggy normalerweise gar nicht, aber er ist ohnehin nicht im normalen Sinn normal, und überhaupt ist im Moment gar nichts normal.

      »Wer ist es denn?«, ruft Mam matt.

      »Schon gut, Mam. Ist nichts!«, rufe ich zurück.

      Mam geht es immer schlechter. Keiner von uns schläft zurzeit gut, aber ich fürchte, dass sie überhaupt nicht schläft. Unter den Augen hat sie blaugraue Ringe, als wäre ihre Wimperntusche verlaufen. Dad hat sich in die Arbeit im Pub gestürzt und Suchtrupps organisiert, aber allmählich gehen auch ihm die Projekte aus. Alle sind so versessen darauf, uns zu helfen, dass für uns am Ende nichts anderes übrig bleibt, als untätig rumzusitzen und vor lauter Sorge ganz verrückt zu werden. Sandra, die bei der Polizei für Familien wie unsere zuständig ist, meint, das wäre »zu erwarten gewesen«.

      Ich wende mich wieder Iggy zu.

      »Was willst du?« So unfreundlich wollte ich gar nicht klingen.

      »Hast du … ähm, hast du Lust, angeln zu gehen?«, fragt er fast flüsternd. Seine Augen blinzeln rasch hinter den dicken Brillengläsern.

      Falls ihr keine Ahnung habt, wie schräg ich das gerade finde, müsst ihr wissen, dass meine Welt seit Tagen nur noch aus quälenden Sorgen und vielen, vielen Tränen besteht, aus geschäftigen Polizisten und Journalisten, die uns mit Kamera und Notizblock belagern; aus Leuten vom Dorf, die Essen anschleppen, obwohl wir im Pub doch selbst eine riesige Küche haben (in der sich inzwischen zwei Shepherd’s Pies und eine überdimensionale Baisertorte türmen); aus Sandra, Dad und Mam, die das alles gemeinsam mit Gran zu managen versuchen; und auch noch aus Tante Annikka und Onkel Jan, die gestern aus Finnland eingeflogen sind, um … ja, um was eigentlich? Wahrscheinlich um für uns da zu sein.

      All das, weil Tammy seit vier Tagen wie vom Erdboden verschluckt ist. Und nichts mehr so ist, wie es war.

      Mein erster Gedanke, als Iggy hier so auftaucht und mit mir angeln gehen will, ist also: Hast du sie noch alle?! Aber dann dämmert es mir.

      »War das Sandras Idee?«, frage ich. Die Haustür halte ich so weit wie möglich zu, damit die Kälte nicht reinkommt.

      Iggy nickt freimütig. Sandra und er kennen sich schon eine ganze Weile. Bei ihm zu Hause ist immer was zu tun für eine Familienverbindungsbeamtin. Das ist die offizielle Bezeichnung für ihren Job.

      »Ja, Sandra meinte, vielleicht willst du mal raus. Um auf andere Gedanken zu kommen. Eine kleine Abwechslung und der ganze Mumpitz.«

      Mumpitz. Typisch Iggy. Er hat keinen besonders ausgeprägten Dialekt, wie die anderen hier, wobei er auch nicht sonderlich gehoben spricht. Mir kommt es vor, als könnte er sich nicht entscheiden, wie er klingen will, und benutzt deshalb seltsame Wörter als Lückenbüßer.

      »Da bin ich also!« Iggy hält seine Angel hoch. »Besser gesagt, da sind wir also.« Mit dem Kinn deutet er auf Suzy.

      Ich weiß nicht so richtig, was ich von Iggy halten soll. Dad kann ihn nicht leiden, denn kurz nachdem wir hergezogen sind, hat er Iggy dabei erwischt, wie er aus unserem Lagerhaus eine Tüte Chips geklaut hat. Daraufhin meinte seine Mutter, das Lagerhaus sollte eben abgeschlossen sein, deshalb ist Dad auch nicht sonderlich gut auf Iggys Mutter zu sprechen. Sie hält Bienen. Und hat sich von Iggys Vater scheiden lassen, glaube ich zumindest.

      Trotzdem muss ich zugeben, es ist irgendwie nett von Iggy vorbeizukommen, auch wenn es nicht seine Idee war. Wobei ich nicht sonderlich gern angle …

      Suzy reckt mir den Kopf entgegen, damit ich sie kraule. Gehorsam versenke ich die Finger tief in ihrem weichen Gefieder. Ehrlich gesagt, die Sache mit Suzy ist mir ebenfalls suspekt. Wer bitte schön hält sich schon ein Huhn als Haustier?

      Während ich Suzy noch am Hals kraule, überlege ich: Was soll schon groß schiefgehen?

      Also stecke ich den Kopf ins Wohnzimmer, um mich abzumelden. Dad ist zum Telefonieren in die Küche gegangen und Mam starrt stumpf zum Fernseher, der gar nicht läuft. Gran schnarcht ein bisschen. Im Zimmer ist es viel zu heiß, die Asche im Holzofen glüht weiß und hellrot.

      »Ich geh mal ’ne Weile raus, Mam«, sage ich. »Bisschen frische Luft schnappen.«

      Sie nickt, aber ich weiß nicht, ob sie mir überhaupt zugehört hat. In Gedanken ist sie die ganze Zeit bei Tammy.

      Tammy, meiner Zwillingsschwester, die wie vom Erdboden verschluckt ist.

      3. Kapitel

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      Das Absperrband ist noch da: POLIZEIABSPERRUNG. BETRETEN VERBOTEN. Es ist quer über den Weg gespannt, wo Tammys Fahrrad lag, aber die Polizei hat den Waldweg und den schmalen Uferstreifen schon ein Dutzend Mal abgesucht. Jetzt ist keiner mehr da. Ich bin seit Heiligabend nicht mehr hier gewesen, und als wir uns der Stelle nähern, schnürt sich mir die Kehle zusammen.

      »Kommst du klar?«, fragt Iggy. »Tut mir leid, daran hab ich gar nicht gedacht … der See und so …«

      »Schon okay.« Man könnte auch noch anders ans Wasser kommen, aber das wäre von hier ein Umweg.

      Wir lassen unsere Räder oben im Wald und steigen die steile Uferböschung hinab. Dabei denke ich unentwegt: Da ist Tammy vielleicht auch gelaufen …

      Schließlich gelangen wir an den schmalen Uferstreifen. Iggy redet pausenlos von einem riesigen Hecht, der sich in der Nähe des Wehrs herumtreiben soll, wo sich das überschüssige Wasser aus dem Stausee sammelt.

      »Wenn es draußen richtig kalt ist, zieht es die Hechte in flachere Gewässer … Mit einem Laserköder lässt der sich hundertpro anlocken … die Angelschnur hat eine Tragkraft von 40 Kilo …«

      Genauso gut könnte Iggy in einer Fremdsprache mit mir reden, aber ich mache mit, weil ich einfach nur froh bin, mal an was anderes als an Tammy zu denken.

      Obwohl es mitten am Nachmittag ist, wird es schon dunkel. Weit und still liegt Kielder Water vor uns – in der Dämmerung hat der See eine tieflila Farbe angenommen. Mir verschlägt es den Atem. »Wow«, raune ich leise.

      Iggy stellt sich neben mich und blickt übers Wasser.

      »Glaubst du, dass sie noch am Leben ist, Tait?«

      Puh! Wie kann er bloß so direkt sein? Im ersten Moment ärgere ich mich, aber dann wird mir klar, dass er im Grunde das fragt, was alle gern fragen würden. Nur schleichen die anderen wie die Katze um den heißen Brei herum oder schweigen aus Angst, das Falsche zu sagen.

      Ich seufze. Diese Frage hat mir bisher noch keiner gestellt, deshalb bin ich überrascht, wie überzeugt ich bin. »Ja. Das spür ich genau. Hier.« Ich greife mir an die Brust. »Wir sind doch Zwillinge.«

      Iggy schiebt die Unterlippe vor und nickt bedächtig, als würde er es verstehen, aber das kann bloß ein Zwilling.

      »Psst«, mache ich. »Sei mal still.«

      Ich hoffe darauf, dass ich wieder dieses Heulen höre, so wie an dem Abend, als Tammy verschwand. Doch die einzigen Geräusche kommen von den winzigen Wellen, die alle СКАЧАТЬ