Die Totenbändiger - Äquinoktium - Die gesamte erste Staffel. Nadine Erdmann
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СКАЧАТЬ sie clever entkommen waren oder weil man sie nicht wirklich intensiv gesucht hatte?

      Die Vorstellung, dass man sie einfach in Ruhe ließ, war traumhaft. Auch ohne dass Master Carlton ihr ein Suchkommando hinterherschickte, um sie nach Newfield bringen zu lassen, gab es schon mehr als genug Dinge, um die sie sich Sorgen machen musste.

      Zum Beispiel, wo sie heute die Nacht verbringen wollte, ohne von Geistern getötet zu werden.

      Noch blieben ihr bis dahin aber ein paar Stunden Zeit.

      Und vielleicht hatte sie ja bei einem der Pfandleiher, die noch auf ihrer Liste standen, mehr Glück.

      Hatte sie nicht.

      »Ich geb dir fünfzig.« Der Typ war um die dreißig mit Ziegenbart und zurückgegelten Haaren und legte seit Jaz den Laden betreten hatte die Art von Ich-sitze-hier-am-längeren-Hebel-Haltung an den Tag, bei der Jaz am liebsten gekotzt hätte. Im Strahl. Sie hasste Menschen, die sich für was Besseres hielten oder ihre Position ausnutzten.

      Gleich danach folgten Menschen, die glaubten, man könnte sie verarschen.

      Daher hob sie bei dem unverschämten Angebot nur eine Augenbraue und streckte ihre Hand nach dem Briefbeschwerer aus. »Scheint so, als wäre ich hier an der falschen Adresse, denn du hast offensichtlich keinen blassen Schimmer davon, was Silber wert ist.«

      Sein Gesicht verzog sich abfällig, während er die kleine Walnusshälfte in seiner Hand wog. »Du aber schon, ja? Na, dann mach mir mal ein Gegenangebot.«

      »Häng an deins noch eine Null dran.«

      Er lachte auf. »Mag sein, dass das Ding hier wirklich so viel wert ist. Aber ohne Nachweispapiere und angeboten von einer Totenbändigerin, bei der ich nicht davon ausgehen, dass sie schon volljährig und damit mündig für ein Geschäft in dieser Höhe ist – träum weiter. Ich geb dir hundert.«

      »Netter Versuch. Vierhundert.«

      Er schüttelte den Kopf. »Hundertfünfzig. Letztes Angebot.«

      Jaz schüttelte ebenfalls den Kopf. »Dann kommen wir leider nicht ins Geschäft.«

      Wieder streckte sie ihre Hand nach dem Briefbeschwerer aus, doch der Typ ließ ihn in seiner Hosentasche verschwinden.

      »Schade. Dann noch einen schönen Abend.« Er nickte Richtung Ladentür. »Du solltest dich beeilen, es dämmert bald.«

      »Ernsthaft? Du machst jetzt einen auf Arschloch?« Jaz spürte, wie die Wut in ihr hochstieg.

      Er grinste schmierig. »Aber so was von.« Seine Hand glitt unter den Tresen und als sie wieder auftauchte, hielt sie eine Pistole. »Und jetzt raus, sonst erschieße ich dich. Wenn ich behaupte, du wolltest mich ausrauben und hättest mich mit deinem Totenbändigervoodoo bedroht, glaubt das jeder sofort. Also verschwinde.«

      Jaz presste die Kiefer aufeinander und deutet auf die Überwachungskamera, die den Thekenbereich filmte. »Die Aufnahmen von der da werden was anderes beweisen.«

      Der Typ zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern. »Die funktioniert nicht. Das hier ist Brixton, Süße. Hier ist fast alles im Arsch. Also mach jetzt keinen Stress und verschwinde, wenn dir dein Leben lieb ist.«

      Jaz ballte die Fäuste, doch bevor sie irgendetwas antworten konnte, flog die Ladentür auf und eine ziemlich genervt wirkende Frau Ende zwanzig zerrte einen Kinderwagen samt plärrendem Baby sowie zwei Kleinkinder mit ähnlich sonniger Stimmung über die Schwelle.

      »Ken, ich brauche den Ring zurück, den ich dir Samstag gebracht hab. Stan ist ausgerastet, weil der seiner Mutter gehörte. Also hab ich ihm gesagt, er soll weniger saufen und Knete für Windeln und Essen besorgen, dann bekommt er ihn wieder. Und ob du’s glaubst oder nicht – er hat tatsächlich Knete besorgt.« Sie wandte sich um und bemerkte erst jetzt, dass Ken nicht alleine im Laden war. »Oh, sorry. Störe ich?«

      Jaz musste Ken zugestehen, dass er genug Anstand besaß, die Pistole verschwinden zu lassen, sobald die Kinder den Laden betreten hatten. Er würde also vermutlich keine Szene machen, solange die Familie hier war.

      Das war ihre Chance.

      »Kein Problem«, sagte Jaz schnell, bevor Ken ihr dazwischenfunken konnte, und schenkte der Frau ein Lächeln. »Ich sehe mich noch um. Sie können die Sache mit Ihrem Ring gerne zuerst regeln. Scheint ja dringend zu sein.«

      Die Frau erwiderte das Lächeln dankbar – bis sie plötzlich die schwarzen Linien an Jaz’ Schläfe bemerkte, die wegen ihrem Hoodie und den offenen Haaren nicht sofort ins Auge fielen.

      »Oh. Du bist eine Totenbändigerin.«

      »Yep.«

      Die Mutter wandte sich zu ihren zwei quengelnden Kleinkindern um. »Ruhe jetzt! Das Mädchen da ist eine Hexe, die euch krank machen kann. Und wenn ihr zwei jetzt nicht endlich brav seid, sag ich ihr, dass sie genau das mit euch anstellen soll. Verstanden?«

      Augenblicklich herrschte Ruhe. Selbst das Baby hatte aufgehört zu schreien. Die beiden Kleinen starrten Jaz mit großen Augen an und wichen ängstlich hinter den Kinderwagen zurück.

      »Wow«, meinte Jaz. »Als Kinderschreck bin ich noch nie missbraucht worden.«

      Die Mutter strich sich stöhnend die Haare aus dem Gesicht und bedachte Jaz mit einem entschuldigenden Blick. »Tut mir leid. Aber die drei rauben mir heute den letzten Nerv.« Sie nickte Richtung Ken. »Ist es wirklich okay, wenn ich rasch meinen Ring auslöse?« Sie zog ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche ihrer Jeans. »Geht auch ganz schnell.«

      »Sicher.«

      Alles, was Ken ablenkte, kam Jaz sehr gelegen, und sie trat an den Rand des Tresens, um der Mutter Platz zu machen.

      Ken warf Jaz einen warnenden Blick zu, sagte aber nichts. Dann verschwand er kurz in ein Hinterzimmer, um den Ring zu holen, während die Mutter das Geld und den Pfandschein auf die Theke legte und mit Ken darüber verhandelte, ob er ihr beim Pfandkredit nicht ein bisschen entgegenkommen könnte, schließlich war der Ring ja nur zwei Tage bei ihm.

      Prima. Lenk ihn ab und diskutiere gerne noch ein bisschen länger mit ihm.

      Kaum dass Ken wieder hinter dem Verkaufstresen stand und mit nur mäßig verhohlener Genervtheit die Rückgabepapiere ausfüllte, ließ Jaz ihre Silberenergie in einem hauchfeinen Faden dicht über dem Boden zu ihm wandern. Das dreckige Grau des alten Linoleum bot dabei brauchbar gute Tarnung.

      Ken trug alte Sneakers und Jeans. Jaz ließ ihren Silberfaden über seinen Schuh unter sein Hosenbein gleiten und stellte Hautkontakt her.

      Dann begann sie, ihm seine Energie zu rauben.

      Langsam.

      Vorsichtig.

      Nichts riskieren.

      Ken durfte nichts merken, bis es zu spät war. СКАЧАТЬ