Das sechste Gebot. Max Geißler
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Название: Das sechste Gebot

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467633

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СКАЧАТЬ er lehnte die Läden an, so dass ein trauliches Dämmerlicht das Zimmer füllte, entkleidete sich und legte sich schlafen.

      Als draussen wenige Augenblicke später die Türe des Flurs knarrte, erschien Nina Zeni, so rasch es ihres Leibes Fülle litt, vor der Küche und legte die Finger fest auf die Lippen: „Still, Teresina Margiotta! Signore Riccardo ist ein deutscher Dichter, und Signore Riccardo schafft hinter jener Türe unsterbliche Werke!“ sagte sie mit komischer Grandezza.

      Teresina Margiotta prallte ein wenig zurück; dann fasste sie sich aber, und ihre roten, reizenden Pantoffeln klappten wie sonst unter dem schmiegsamen, schönen Weibe in die russige Küche der Nina Zeni.

      Am Herde berieten sie sich. Was Teresina Margiotta von der blonden deutschen Signora denke — ob sie nicht wundervolles Haar habe, glänzender als die Himmelsmutter, und ob sie nicht viel schöner sei als alle Frauen von Santa Croce — Teresina natürlich inbegriffen? Und was Teresina meine: ob sie eigentlich seine Frau sei? Man könne nicht wissen — diese deutschen Künstler sind verrückte Leute, sagt man ...

      „Aber was tut das? Sie sind reich, Teresina Margiotta!“

      Und die Augen Nina Zenis leuchteten wie in stolzem Siege.

      10.

      Von dieser Zeit an war das Leben für Beppino, den Landstreicher, noch wesentlich leichter. Er erfreute sich fortan einer vortrefflichen Gesundheit, und das schrieb Nina Zeni auf das Konto ihrer sorgenden und unermüdlichen grossmütterlichen Treue.

      „Teresina Margiotta,“ sagte sie eines Tages, „was glaubst du wohl, was aus den Kindern meiner frommen, unglücklichen Marietta geworden wäre, wenn ich nicht gearbeitet und gelitten hätte Tag und Nacht? Teresina Margiotta, die Hände haben mir geblutet von der Arbeit, und die Augen waren mir rot vom Weinen. Aber ich habe gebetet — o, wie habe ich gebetet und gearbeitet, Teresina Margiotta!“

      Da nickte die Schöne aus der Felsengasse, ohne heute für nötig zu halten, der fleischigen Ninetta die Lustigkeit zu verbergen, die sie bei den Beteuerungen überkam, und sagte: „Nina Zeni, über dir ist der Segen des Himmels, sonst wärst du noch dünner geworden!“

      Da machte Ninetta ein Kreuz vor ihrer Brust und bewegte die Lippen in heimlicher Anrufung.

      Beppino, der auf dem Herde lag und gerade dabei war, die Steine der von ihm verzehrten Pfirsiche in die heissen Kohlen zu werfen und an den stiebenden Funken sich zu ergötzen, hielt diese Gelegenheit für günstig, sein Tagewerk zu beginnen: er entschlüpfte. Dann kroch er über das brüchige, flache Dach des Hauses und warf von dort aus durch ein offenes Fenster jenseits der Gasse eine der rotbäckigen Früchte. Die hatte er schon früh aus dem benachbarten Weingarten gestohlen.

      Gleich darauf erschien das lachende Gesicht Leonetta Margiottas drüben, um das die goldroten Haare in glänzenden Strähnen hingen. Leonetta hielt sich mit den Händen am Fensterkreuz, war blossarmig und hatte ausser dem blütenweissen Hemde nichts an als das rote, knielange Röcklein.

      Beppino lag platt auf den Ziegeln des Daches und nagte an einem Pfirsich: „Nun, Leonetta Margiotta?“ fragte er lachend hinüber.

      „Hast du wieder ein Nest mit goldenen Eiern entdeckt?“ neckte die schlanke Gazelle.

      „Nein, aber ich weiss köstliche blaue Feigen und halbflügge Geier im Neste; und die goldenen Eier sollst du doch noch haben, Leonetta Margiotta!“

      „Du hast Pfirsiche gestohlen!“

      „Ja, für dich! Kommst du?“

      „Wohin?“

      „In die Berge!“

      Da war Leonetta Margiotta mit einem Sprung auf dem Fensterbrett! Da flogen ihre roten, zierlichen Pantoffeln ihr voraus und klackten auf die Fliesen der Gasse. Da hing Leonetta Margiotta über dem Türstein und glitt hernieder und stand vor dem Hause: „Beppino, wo bist du?“

      Der sprang vom Dach auf die Gartenmauer, reichte dem goldhaarigen Mädchen die Hand, und wie eine Katze erklomm sie die Mauer.

      Unter den grünen Schattendächern der Vigna waren die beiden alsbald verschwunden.

      Als Frau Nina Zeni, die ihre Bettstatt so behäbig füllte, an diesem Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, war ihr erster Gedanke nicht, in dem golddurchwirkten Helldunkel hinter den Jalousien noch eine gemessene Frist zwischen Schlaf und Wachen zu verdämmern, wie sie das in früheren Tagen gehalten hatte — nein, Nina Zeni quälte sich an diesem Morgen wieder einmal eifersüchtig um Teresina Margiotta und um ihr Kind. Es waren viele Mädchen in Santa Croce, die in ihrem Herzen auf die Heimkehr Ettore Torinos warteten. Aber Ninetta fürchtete keins — pah, sie mussten alle arbeiten, womöglich gar in Giani Torinos Schnapsfabrik. Sie hatten alle heisse Augen und heisse Herzen und glühendes Verlangen nach den Lippen eines Mannes. Das würde Ettore Torino mit seinen kecken Blicken sehen, und er würde vielleicht auch eine aus dieser Schar gerne sehen und hübsch finden — aber lieb haben oder gar heiraten? Madonna mia, so etwas heiratet Ettore Torino doch nicht! Einer, der bei den Bersaglieri in den Klüften der Berge Afrikas stark wie ein Löwe geworden ist und eine Haut hat wie blankes Kupfer!

      So versuchte Nina Zeni in heimlichen Selbstgesprächen ihr Herz zur Ruhe zu reden.

      Aber da war Leonetta Margiotta! Leonetta Margiottas flammendes Haar und ihre sonnige Schönheit!

      ‚Leonetta Margiotta ist ein Wunder des Himmels‘, dachte Nina Zeni, so oft die Flamme der Eifersucht in ihrem Herzen von neuem aufschlug. Und das war an jedem Tage.

      Und in der Tat — Leonetta Margiotta hatte alle Schönheit und Behendigkeit des Geierjägers, und sie hatte alle Schmiegsamkeit und das köstliche Wiegen des Leibes von ihrer Mutter. Dazu kam das Wunder ihres goldenen Haares. Weiss Gott, wie sie zu diesem Glücke gekommen — auf hundert Meilen in dem Felsgebirge war keine, die auch nur einen Schimmer der Schönheit dieses Mädchens besass, Teresina Margiotta nicht ausgenommen.

      Darum hatten sie — gottlos und frech — das Kind Leonetta getauft. Im ganzen Kalender war kein Tag zu finden, der den Namen einer heiligen Leonetta trug!

      Und Leonetta Margiotta war Nina Zenis heimliche Qual.

      Während die Frauen an diesem Morgen mit über der Brust gekreuzten Armen auf dem Herdrande sassen und Teresina Margiottas mattes Silber der Ohrgehänge leise läutete, wenn es an die Glieder ihrer Halskette streifte (und das geschah immer, sobald die Neugier Teresinas lebhafter mit der wunderlichen Art der Deutschen sich beschäftigte), legte Ninetta oft mahnend die Finger auf die Lippen: „Still, Teresina Margiotta! Habe ich dir nicht gesagt: Signore Riccardo arbeitet? Arbeitet mit dem Kopf! Madonna mia, Teresina, was sagst du dazu? Ein Mensch, der mit dem Kopfe arbeitet! Sind diese Deutschen nicht verrückt?“

      Da war die geschwätzige Nina schon wieder bei ihren Gästen angelangt! Und seit dem frühen Morgen hatte sie sich doch vorgenommen: sie müsse heut oder ehestens über Teresina Margiotta und ihre Pläne ins klare kommen. Sie müsse sie um ihr Geheimnis bestehlen und Antwort auf die Frage bekommen: Was will das mit Leonetta Margiotta werden? Denkt Teresina Margiotta für ihr Kind an Ettore Torino?

      Frau Nina hatte schon im Bette an ihren Fingern ausgerechnet, dass Leonetta vierzehn Jahre geworden sein werde, wenn Ettore Torino kupferbraun und schön und stark in die Berge von Santa Croce zurückkehre. Darüber war sie von neuem zu der quälenden Erkenntnis gelangt, dass Teresina Margiottas Kind dann die schönste und jüngste СКАЧАТЬ