Das sechste Gebot. Max Geißler
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Читать онлайн книгу Das sechste Gebot - Max Geißler страница 6

Название: Das sechste Gebot

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467633

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СКАЧАТЬ und am Ende der Woche den vollen Lohn nach Hause zu bringen.

      Nina Zeni ahnte natürlich nicht, wie hart es dem Mädchen geworden war.

      Die grenzenlose Liebe, mit welcher Prisca an ihrem Bruder hing, setzte Frau Nina anfangs in Erstaunen. Sie glaubte, diese Liebe sei wohl daher gekommen, dass die Kinder ihre Mutter nur durch eine kurze Zeit tiefer Trübsal gehabt hatten. Allen Reichtum mütterlicher Treue und Sorge hatte die leidende Frau über die Kleinen ausgegossen — so, als wollte sie ihnen in einer knappen Spanne Zeit alles geben, was sie ihnen später schuldig bleiben musste. Dann starb sie. Und diese Treue und Sorge schien Priscas Erbteil geworden.

      Aber Beppo wusste sich auch das Herz der Nonna zu stehlen. Was erst Mitleid mit dem verwaisten Jungen gewesen war, wuchs sich allgemach zu einer närrischen Liebe aus, die — neben dem köstlichen Faulsein — den ganzen Lebensinhalt Nina Zenis auszumachen schien.

      Und so ward Beppino, der ein eigensinniges kränkelndes Kind gewesen war, unversehens der Abgott des Hauses.

      Das empfand niemand mit grösserer Genugtuung als der Junge selbst.

      Aber keiner hätte die Lage der Dinge auch listiger auszunützen verstanden als er. Vor allem: er verscherzte sich die Gunst und Willfährigkeit Ninettas nie durch ungebärdiges Wesen und erfüllte ihr in seiner Verschlagenheit und Eigensucht alle Wünsche.

      Er hatte Frau Nina oft genug erzählen hören, wie armselig es um ihn als Bambino bestellt gewesen sei, als seine Mutter Marietta vier Wochen nach seiner Geburt die Augen für immer schloss. Und er hörte sie wohl hundertmal erzählen und klagen, wie sie — die sorgsame, treue Ninetta — gewacht und geweint und sich gemüht habe, sein welkendes Leben zu erhalten.

      Darum — wenn er keine Lust hatte, in der Vigna zu arbeiten, so jammerte der liebe, verschlagene Beppino des Morgens so lange im Bette, bis ihm Nina befahl, er müsse liegen bleiben und süssen Tee trinken.

      Wenn es besser mit ihm geworden war, hiess ihn die Nonna, sich hinauszusetzen in Schatten und Stille. Und das geschah immer, sobald Prisca das Haus verlassen hatte, um ihr doppeltes Tagwerk zu beginnen.

      Prisca ging arbeiten, Nina legte sich wieder schlafen, und das Feuer auf dem Herde ging nieder.

      Wenn es dann so still im Hause geworden war, dass er das Summen der Fliegen von der Küche her hören konnte, kroch Beppino munter wie eine Lazerte über Gartenmauern und Maulbeerbäume in die nachbarliche Vigna.

      Dort fand er Leonetta Margiotta und erzählte ihr: er wisse das Nest eines wunderschönen Vogels in den Felsklüften von Santa Croce; darin würden wohl Eier liegen — so golden wie Leonetta Margiottas leuchtende Haare.

      Da funkelten Leonettas Augen wie Irrlichter: „Komm, Beppino, wir steigen in die Felsen!“

      7.

      Die behäbige, träge Nina, der die Augen zehnmal am Tage zufielen und deren Sinne das Summen einer Fliege oder das Flackern des Brandes, das Singen der Zikaden in den Gärten oder das Plätschern des Quells mit tiefem Schlummer umwob, war in der Nacht nach der Ankunft der beiden Fremden auf dem Herdrande wie heimliches Feuer. Sie fühlte, wie sehnsüchtig und leidenschaftlich Priscas junge Arme ihren Nacken umfingen und wie die Lippen des Mädchens sich an ihrem Munde festgetrunken hatten. Das Spitzentuch war herabgeglitten, und sie hielt das zitternde, leidenschaftliche Kind in ihren Armen und schwieg.

      Der Schlag der Turmuhr von Santa Croce lief die Felsengasse herab; die Schritte draussen auf den Steinfliesen zwischen den Häusern verklangen — es ging gegen die Mitternacht.

      Noch immer schwieg Ninetta — es war, als höre sie Prisca ins Herz. In dieser Nacht wollte sie alle Geheimnisse dieses Mädchens ergründen; in dieser Nacht wollte sie den heimlichen Brand zur lodernden Flamme entfachen.

      Aber Prisca sprach nicht. Es war, als schüttele ein Fieber den zuckenden, jungen Leib. Nur manchmal rang sich ein Laut über die heissen Lippen — halb Zagheit, halb Glückseligkeit. Aber Prisca sprach nicht.

      Ninetta tastete mit ihrer Hand über ihre Stirn und tastete über ihre Augen. Die Lider waren geschlossen.

      „Rede, Prisca! Es ist Mitternacht, und Santa Croce liegt schlafen.“

      „O Ninuccia! Werde ich glücklich sein?“

      „Du wirst es sein, Kind!“

      „O Nina, liebe, kluge Nina!“

      „Warum hast du dich heimlich verzehrt in Liebe zu Ettore Torino und hast dein Herz deiner Nina nicht verraten?“

      Da schluchzte Prisca: „O, Ettore Torino ist so reich, und ich bin arm! Ettore Torino ist so weit und hoch für die arme, mutterlose, hässliche Prisca!“

      „Du sollst nun nicht mehr arbeiten und sollst bunte Kleider tragen, Prisca! Du sollst schön sein!“

      Immer fester schlang das Mädchen bei diesen märchenhaften Versprechungen die Arme um den Hals der Frau Nina.

      „Wie kann ich schön sein? Wie kann ich?“ stammelte sie. Aber ihr junges verschüchtertes Herz jauchzte bei dem Gedanken an Ettore Torino.

      „Du wirst dich mit Wasser aus Rosen waschen, und ich will dir die Haut reiben mit sanftem Öl,“ versprach Nina.

      „O Ninuccia, liebe Ninuccia!“

      „Wir wollen die Heiligen um ihre Hilfe bitten!“

      „Aber Ettore Torino ist schön und stolz, er ist noch herrlicher als Teresina Margiottas Jäger!“

      Wie Prisca diesen Namen nannte und ihren Zweifel schlecht verbarg, zuckte Frau Nina zusammen. Die Schlange Eifersucht stach sie in dieser Stunde schlimmer als je zuvor.

      „Leonetta Margiotta!“ knirschte sie. Das klang wie ein Fluch.

      „Was erschreckt dich, Ninetta?“ fragte Prisca.

      „Ich hasse Leonetta Margiotta und ihre goldenen Haare. Die Männer sind närrisch auf so seidiges, goldenes Haar.“

      „Und Ettore Torino wird sie sehen und lieben!“ klagte Prisca.

      „Dio Cristo!“ knirschte Frau Nina. „Die Berge sollten über Leonetta Margiotta stürzen!“

      „Ob sie ihn lieb hat?“ forschte Prisca bange. „Natürlich hat sie ihn lieb. Alle Mädchen haben ihn lieb.“

      „Sie ist ja noch ein Kind, Prisca!“

      „Aber sie wird ein Weib. Über Nacht — wenn Ettore Torino aus Afrika von den Bersaglieri nach Santa Croce zurückgekehrt sein wird.“ ...

      „Was wird dann sein?“ forschte Nina.

      „Dann wird er keine sehen als sie.“

      „Bis dahin ist es noch länger als ein Jahr!“ tröstete die Nonna.

      „O, eine Ewigkeit! Und ich sterbe vor Sehnsucht nach Ettore Torino!“

      „Spricht Leonetta Margiotta von ihm?“ forschte Nina.

      „Niemals!“

      „Sie СКАЧАТЬ