Название: Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst
Автор: Aristoteles
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788075834157
isbn:
Allerdings ist für die geschwisterliche Zuneigung auch das von Bedeutung, daß sie zusammen aufwachsen und gleichaltrig sind. »Gleiches Alter, gleiche Neigung«, heißt es, und Gewohnheit des Zusammenlebens macht den Kameraden. Daher ist auch das geschwisterliche Verhältnis dem kameradschaftlichen verwandt. Vettern und sonstige Verwandte gehören zum engsten Kreise der nächst Verbundenen aus eben diesem Grunde, wegen der Abstammung von denselben Personen; und das Band ist enger oder lockerer, je nachdem der gemeinsame Stammvater näher oder weiter zurückliegt.
Die Liebe der Kinder zu den Eltern ist wie die der Menschen zu den Göttern eine Hingebung an das Erhabene und Überlegene, an das, wovon man die größten Wohltaten empfangen hat, an diejenigen, denen man Dasein und Nahrung verdankt, und die nachher auch noch für die Erziehung gesorgt haben. Dieses Verhältnis der Zusammengehörigkeit enthält auch des Erfreuenden und des Vorteilhaften mehr als das zu Fremden, in dem Maße, als die Lebensgemeinschaft eine engere ist.
In dem Verhältnis zwischen Geschwistern findet sich auch das wieder, was das kameradschaftliche Verhältnis bietet; es findet sich, wo sie brav und überhaupt einander ähnlich sind, in um so höherem Grade, je mehr sie zusammengehören und von Geburt an sich gegenseitig lieb haben, und je mehr solche, die dieselben Eltern haben, die miteinander aufgewachsen sind und die gleiche Erziehung genossen haben, auch von Gemüt einander gleichen. Dazu kommt dann auch die Erprobung in der Länge der Zeit, die hier die stärkste und zuverlässigste ist. Auch in den übrigen Verwandtschaftsverhältnissen richtet sich die Wärme der Zuneigung nach der Nähe des Verwandtschaftsgrades.
Zwischen Mann und Frau waltet die Liebe von Natur. Denn der Mensch ist durch seine Natur noch mehr auf das eheliche Leben, als auf das Leben im Staate angewiesen, ebenso wie die Familie ursprünglicher und unentbehrlicher ist als der Staat, und wie die Fortpflanzung allem Lebendigen gemeinsamer zukommt. Bei den anderen Wesen reicht die Gemeinsamkeit nur so weit; bei den Menschen aber hat die eheliche Gemeinschaft nicht bloß die Fortpflanzung, sondern alle Zwecke des menschlichen Lebens zum Inhalt. Denn die Aufgaben sind von vornherein geteilt, und dem Manne liegt anderes ob, als der Frau. So helfen sie sich gegenseitig aus und stellen jeder seine eigentümlichen Gaben in den Dienst der Gemeinschaft. Darum gewährt dieses Verhältnis der Gattenliebe so reichen Gewinn und so großes Glück; dazu mögen denn auch die persönlichen Vorzüge beitragen, falls beide Gatten tüchtige Persönlichkeiten sind. Denn jeder Teil hat seine eigenen Vorzüge, und eben dies kann für sie eine Quelle des Glücks werden.
Ein Band zwischen den Gatten bilden weiter die Kinder, deshalb werden kinderlose Ehen leichter geschieden. Die Kinder sind für beide Gatten ein gemeinsamer köstlicher Besitz, und das Gemeinsame hält vereinigt. Die Frage aber, wie Mann und Frau und überhaupt solche, die sich lieb haben, miteinander leben sollen, bedeutet offenbar nichts anderes als die Frage, was in solchen Verhältnissen das Gerechte ist. Denn das Gerechte ist nicht dasselbe in dem Verhältnis zwischen Freunden, wie in dem zum Fremden, zum Kameraden oder zum Mitschüler.
d) In der wirtschaftlichen Gemeinschaft
Im Eingang haben wir gesagt, daß es drei Arten von freundschaftlichen Verbindungen zwischen den Menschen gibt und jede wieder zwei Formen zuläßt, indem die Verbundenen entweder einander gleich stehen oder der eine Teil über den anderen das Übergewicht hat. Freundschaftliche Verbindung nun kommt vor zwischen solchen, die einander an Tüchtigkeit gleich sind, und zwischen einem Manne von höherer und einem von geringerer Tüchtigkeit; es können, wo die Verbindung um des Vergnügens oder des Vorteils willen geschlossen wird, beide sich gegenseitig gleich viel Vergnügen und gleich viel Aushilfe gewähren, oder der eine mehr als der andere. Wo nun Gleichheit vorhanden ist, da muß auch die Zuneigung und müssen ihre Konsequenzen gleich sein: wo Ungleichheit waltet, da muß man Gleichheit dadurch herstellen, daß man dem Teil, der das Übergewicht hat, ein entsprechendes Mehr zugesteht.
Daß gegenseitige Anschuldigungen und Vorwürfe in der auf den Vorteil gerichteten Verbindung ausschließlich oder vorwiegend vorkommen, ist leicht verständlich. Leute, zwischen denen ihre edle Gesinnung das Band der Freundschaft knüpft, sind von dem Eifer beseelt, einander nur Gutes zu erweisen, / denn das gehört zum edlen Charakter wie zur Freundschaft, / und eben weil ihr Wetteifer darauf gerichtet ist, gibt es weder Anschuldigung noch Streit zwischen ihnen. Denn dem, der Liebe und Wohltat erweist, zürnt niemand; dagegen wenn einer vornehm gesinnt ist, rächt er sich dadurch, daß er mit Gutem erwidert. Derjenige, der das Überlegene leistet, wird, wenn er erlangt, was er begehrt, gegen den Freund keinen Vorwurf erheben; denn beide Teile streben nach dem Guten. Und auch wo man gutfreund ist um des Vergnügens willen, kommen Anschuldigungen nicht leicht vor; denn beide erreichen zugleich, was sie beabsichtigten, wenn ihnen der Umgang Freude macht. Würde sich einer doch nur lächerlich machen, wenn er sich darüber beklagte, daß der andere ihm keinen Spaß macht; denn es steht ihm ja frei, von dem Umgang zurückzutreten. Eine Verbindung unter dem Gesichtspunkte des Vorteils dagegen gibt allerdings leicht zu Anschuldigungen Anlaß. Denn da man dabei den anderen um des Vorteils willen an sich heranzieht, so verlangt man immer noch mehr und meint immer, man verlange weniger, als einem zukommt, man ist deshalb verdrießlich darüber, daß man trotz der Gerechtigkeit seines Anspruchs doch nicht so viel erreiche, wie man fordert, und so vermag der andere mit allen noch so wertvollen Diensten, die er leistet, doch den Anforderungen nicht zu genügen, die der empfangende Teil erhebt.
Wie nun das Recht ein doppeltes ist, ungeschriebenes und gesetzlich fixiertes Recht, so darf man sagen wendet sich auch solche Verbindung zu Zwecken des Vorteils teils an den guten Willen, teils an das Gesetz, und die Anschuldigungen stellen sich am meisten dann ein, wenn Abschluß und Auflösung der Gemeinschaft nicht von beiden in gleichem Sinne gemeint ist. Die Verbindung, die das gesetzliche Rechtsverhältnis erstrebt, ist die auf genau bestimmte Bedingungen hin eingegangene; sie ist die ganz marktgängige, wo Leistung und Gegenleistung Zug um Zug erfolgt, oder sie ist von vornehmerer Form, wo die Gegenleistung hinausgeschoben wird; aber immer ist auch hier Leistung und Gegenleistung durch Übereinkunft festgelegt. Die Verpflichtung ist damit deutlich und dem Streit entnommen, und nur das Hinausschieben der Leistung rechnet mit dem guten Willen. Darum ist in manchen Staaten dafür der Rechtsweg ausgeschlossen; man meint eben, diejenigen, die Verbindungen auf Treu und Glauben eingegangen sind, müßten sich dabei beruhigen.
Eine geschäftliche Verbindung, die auf den guten Willen zählt, wird nicht auf genau bestimmte Bedingungen eingegangen, sondern etwa wie man einem, zu dem man in freundschaftlichen Beziehungen steht, ein Geschenk macht oder sonst irgend etwas leistet und dabei erwartet, daß man ebensoviel oder mehr wiedererhalten wird, indem man nicht sowohl etwas wegzugeben, als nur es auszuleihen beabsichtigt. Erfolgt nun die Einlösung der Verpflichtung nicht in dem Sinne, wie sie eingegangen worden ist, so beschwert man sich, und das ist die Folge davon, daß alle oder doch die meisten, so sehr СКАЧАТЬ