Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
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СКАЧАТЬ bilden selbst das Endziel; sie ergeben sich auch nicht aus einem Werden, sondern aus einer Tätigkeit; das Endziel ist nicht bei allen von ihnen selbst verschieden, sondern das gilt nur von denen, die ihre Bedeutung in der Wiederherstellung des normalen Zustandes haben. Darum ist es auch nicht zutreffend, wenn man sagt, das Lustgefühl sei ein von bewußter Empfindung begleiteter Prozeß; man sollte es vielmehr bezeichnen als die Betätigung der naturgemäßen Verfassung, und statt »von bewußter Empfindung begleitet« sollte man sagen »ungehemmt«. Man hält sie für einen Werdevorgang gerade weil sie im eigentlichen Sinne ein Gut ist; denn man meint, Tätigkeit sei ein Werdevorgang; in Wahrheit ist sie etwas davon Verschiedenes.

      Wenn man aber die Lustempfindung als etwas Niederes deshalb bezeichnet, weil manches was Lust bereitet eine gesundheitswidrige Wirkung übt, so ist das geradeso, wie wenn man das was gesund ist deshalb als schlecht bezeichnen wollte, weil es für den Gelderwerb hinderlich ist. In solcher einzelnen Beziehung mag beides schlecht sein, aber deshalb ist es noch nicht an sich schlecht; schädigt doch auch das Studieren zuweilen die Gesundheit. Auch wird weder das Nachdenken noch sonst irgendein geistiger Zustand durch die Lustempfindung gehindert, die sie begleitet, sondern allein durch solche, die anderswoher kommt. Denn die Lust, die das Studieren und das Lernen gewährt, fördert vielmehr das Studieren und Lernen.

      Wenn es weiter heißt, keine Art von Lustempfindung sei das Erzeugnis einer Kunst, so ist das an sich eine ganz zutreffende Bemerkung, denn eine Kunst bedeutet auch sonst nicht schon tätige Wirksamkeit, sondern nur das Vermögen zu solcher Tätigkeit. Indessen darf man doch wohl die Kunst der Wohlgerüche und die Kochkunst als solche anführen, die der Lustempfindung dienen.

      Daß endlich ein über die Lüste erhabener Sinn sie meidet, der Einsichtige bloß ein von Unlust freies Leben anstrebt, Kinder und Tiere aber der Lust nachlaufen, für alle diese erhobenen Bedenken gilt dieselbe Lösung. Wir haben bemerkt, in welchem Sinne alle Arten der Lustgut schlechthin, in welchem Sinne sie es nicht sind; Kinder und Tiere nun laufen den letzteren nach, der Einsichtige will ihnen gegenüber nur Freiheit von Unlust. Es handelt sich dabei um die Arten der Lust, die mit Begehren und Unlust verbunden sind, um die sinnlichen Lüste, denn diese tragen solchen Charakter, und um das Übermaß derselben, um das wodurch ein ausschweifender Mensch ausschweifend ist. Diese sind es, die ein hoher Sinn meidet, während es Lustgefühle ganz wohl auch für den Hochgesinnten gibt.

      2. Die Gefühle und die Tätigkeit

       Inhaltsverzeichnis

      Von der Unlust ist es jedenfalls allgemein anerkannt, daß sie ein Übel und daß sie zu meiden ist. Sie ist teils ein Übel schlechthin, oder sie bedeutet für irgend jemand irgendwie ein Hindernis. Was nun dem was man meiden soll, sofern es zu meiden und sofern es ein Übel ist, entgegengesetzt ist, das ist ein Gutes; also muß Lustempfindung notwendig etwas Gutes sein. Was Speusipp als Erwiderung vorbringt, daß wie das Größere zugleich dem Kleineren und dem Gleichen, so die Lust beiden, der Unlust und der Freiheit von Unlust gegenüberstehe, das trifft nicht die Sache. Denn er selber wird nicht behaupten wollen, daß das Lustgefühl eigentlich ein Übel sei.

      Nichts hindert aber auch die Annahme, daß das höchste Gut selbst eine Art von Lustgefühl sei, wenn es gleich manche Lustgefühle von niederer Art gibt ebenso wie auch eine Art von wissenschaftlicher Erkenntnis das höchste Gut sein könnte, wenn manche Erkenntnisse von schlimmer Art wären. Vielmehr ergibt sich geradezu mit Notwendigkeit, daß, wenn es doch für jede Art von geistigen Tätigkeitsrichtungen Betätigungen ohne Hemmung gibt, mag nun die Betätigung aller insgesamt oder die einer einzelnen von ihnen die Glückseligkeit ausmachen, diese Betätigung, falls sie frei von Hemmung ist, das Begehrenswerteste ist. Das Gefühl solcher ungehemmten Tätigkeit aber ist das Lustgefühl. Damit wäre denn also eine Art des Lustgefühls das höchste Gut, ungeachtet die meisten Arten der Lust etwas Niedriges, und wenn man will etwas schlechthin Niedriges sind.

      Darum ist es allgemeine Überzeugung, daß das glückselige Leben ein Zustand der Freude sei, und darum bringt man den Zustand der Freude in engste Verbindung mit der Glückseligkeit, und das mit gutem Grunde. Denn keine Tätigkeit ist vollkommen, wenn sie gehemmt ist; die Glückseligkeit aber trägt den Charakter des Vollkommenen. Darum bedarf der Glückselige auch der leiblichen wie der äußeren Güter und des äußeren Glückszustandes, um in diesen Beziehungen nicht gehemmt zu sein. Wer aber behauptet, ein Mensch auf der Folter oder inmitten schwerer Schicksalsschläge sei glückselig, wenn er nur ein tüchtiger Mensch sei, redet mit Willen oder wider Willen sinnloses Zeug.

      Weil nun die Glückseligkeit auch der äußeren Glückslage bedarf, so halten manche Äußere Glückslage mit der Glückseligkeit für dasselbe. Das ist sie nun doch nicht. Ist sie übermäßig groß, so kann sie geradezu ein Hindernis bilden, und vielleicht ist es dann auch nicht mehr gerechtfertigt sie ein Glück zu nennen; denn nur in seiner Bedeutung für die Glückseligkeit liegt das entscheidende Merkmal des Glücks.

      Wenn ferner alles, Tier und Mensch, die Lust begehrt, so ist das eine Art von Beweis, daß die Lust in gewissem Sinne das Beste ist:

      Nicht wird völlig zunichte das Wort, das im Munde der vielen Massen lebt....

      Da aber nicht für alle dieselbe Naturbeschaffenheit noch dieselbe geistige Haltung die beste ist oder allen als die beste erscheint, so begehren zwar nicht alle dieselbe Lust, aber Lustbegehren alle. Vielleicht suchen sie nicht die Lust, die sie zu suchen meinen, noch die, die sie zu suchen bekennen würden, und doch suchen sie alle dieselbe Lust. Denn alle Wesen haben von Natur etwas Göttliches. Wenn die sinnlichen Lustempfindungen den Namen der Lust als ihr besonderes Eigentum bekommen haben, so ist der Grund der, daß die Menschen so häufig ihnen zusteuern und alle an ihnen teilhaben. Weil sie mithin die einzigen sind, die die Menschen kennen, halten sie sie für die einzigen, die existieren.

      Offenbar folgt aber auch das, daß wenn Lustgefühl und Tätigkeit kein Gut ist, das Leben der Glückseligen nicht ein Zustand der Freude sein könnte. Denn wozu bedürfte er ihrer, wenn sie doch kein Gut ist, und es möglich ist, daß er geradezu im Zustand des Schmerzes lebte? Gilt es von der Freude, daß sie weder ein Übel noch ein Gut ist, so gilt es auch vom Schmerz. Warum sollte er ihn also meiden? Es wäre mithin das Leben des Edelgesinnten gegenüber dem des Niedriggesinnten auch nicht das an Freuden reichere, wenn nicht auch seine Tätigkeiten die beglückenderen wären.

      3. Edle und niedere Gefühle

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn man nun behauptet, daß es gewiß Lustgefühle gibt, die in hohem Grade begehrenswert sind, wie etwa die edlen, dagegen nicht die sinnlichen, nicht die mit denen sich der Ausschweifende befaßt, so hat man damit die Aufgabe, den Wert der sinnlichen Genüsse genauer zu untersuchen. Warum sind eigentlich die zu diesen Genüssen im Gegensatz stehenden Unlustgefühle dann etwas Schlechtes? Den Gegensatz zum Schlechten bildet doch das Gute. Oder sind die für das Leben nötigen Lustgefühle schon deshalb etwas Gutes, weil auch das was nichts Schlechtes ist, etwas Gutes ist? oder sind sie nur bis zu einer gewissen Grenze etwas Gutes? Denn bei den Beschaffenheiten und auch kein Übermaß des Lustgefühls; wo aber jenes Übertreiben möglich ist, Prozessen, bei denen es kein Hinausgehen über das Rechte gibt, gibt es da ist es auch für das Lustgefühl möglich. Nun gibt es bei dem was dem Körper gut ist ein Übermaß, und die niedrige Gesinnung besteht gerade darin, daß man dieses Übermaß und nicht bloß das Notwendige begehrt. Denn an Speise, Trank und Geschlechtsgenuß haben irgendwie alle ihre Lust, nur nicht alle im rechten Maß. Das Entgegengesetzte gilt vom Schmerz. Der niedrig Gesinnte meidet nicht das Übermaß, sondern den Schmerz überhaupt. Denn nicht zum Übermaß der Lust bildet der Schmerz den Gegensatz, es sei denn für den, der eben diesem Übermaß nachjagt.

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