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die überkommenen Institutionen des Heeres einzugreifen –, dann kann man nicht daran zweifeln, 1. daß es sich hier um einen Zustand handelt, der irgendwann durch Kompromiß der Könige mit dem Heer absichtsvoll geschaffen wurde, und 2. daß diese Umwandlung zusammenhing teils mit dem Aufstieg des disziplinierten (statt des Einzel-) Kampfes mit (eisernen!) Nahewaffen (statt bronzener Wurfspeere und Pfeile), zum ändern Teil mit dem Sinken der politischen Bedeutung des königlichen »Hortes«. Im Orient bleibt bei allen Herrschern, auch in der Perserzeit, die Fürsorge für den »Hort« und sein Schicksal ganz ebenso im Vordergrund wie etwa bei den Nibelungenkönigen. An dem thesaurierten Edelmetall, welches der Belohnung der Dienste der Gefolgschaft und der Anwerbung von Söldnern im Notfall dient, ist immer ein erheblicher Teil ihrer Machtstellung verankert. Die »Horte« der hellenischen Burgenkönige nun waren Produkte der Beziehungen zu den orientalischen Großstaaten. Es wird wohl mit Recht angenommen, daß der Zerfall dieser Großstaaten gegen das Ende des zweiten Jahrtausend die Ursache des Sinkens auch der mykenischen Kultur gewesen sei, obwohl freilich vielleicht die abweichenden geographischen Bedingungen ohnehin den Sieg des Partikularismus in Hellas auf die Dauer stark genug begünstigt hätten. Jedenfalls ist das absolute Sinken der ökonomischen Machtstellung des Königtums in dem Schwinden des orientalischen Prunkes deutlich sichtbar. Damit allein schon war die Möglichkeit einer Entwicklung der Klientel des Königs zu einer königlichen »Bureaukratie« unterbunden und die Ansätze der Großstaatentwicklung gebrochen. Noch erheblicher mußte aber relativ dies Sinken der alten Königsgeschlechter ins Gewicht fallen, da sich zweifellos inzwischen soziale Schichten entwickelt hatten, welche in ihrer ökonomischen Lage dem Königtum Konkurrenz machten. Das Reisläufertum, welches namentlich für das pharaonische Heer sich aus dem ganzen Mittelmeer bis Sardinien rekrutierte, hat vielleicht zuerst in Hellas eine bemittelte und kriegerisch trainierte Schicht geschaffen, die sozial unabhängig vom Königtum war und bei den Wikingerzügen und kolonialen Okkupationen keine geringe Rolle gespielt haben dürfte. Aber auch die Kampfgenossen des Königs mußten sich, ganz ebenso wie im Merovingerreich, um so schneller zu einer mit Land ausgestatteten, vom König faktisch emanzipierten, weil sich selbst ausrüstenden Kriegerschaft entwickeln, je geringer die Bedeutung des königlichen »Hortes« wurde. Als die Beutelust der Helden der hellenischen Burgkönige den Schiffsverkehr zu überseeischen Aventiuren zu benutzen begann, wuchsen sie, von deren Gutwilligkeit der König ja abhängig war: – der »Zorn« eines einzelnen in der Beute benachteiligten Helden konnte die ganze Expedition aufs Trockene setzen –, ihm über den Kopf. Der auf Aventiure gehende Burgenkönig wird reiner Heerkönig, weil nicht er allein – wie im Orient – die ökonomischen Unterlagen des Heeres, seiner Equipierung und Verpflegung, und damit seines Kommandos, in der Hand hält. Das stets wechselnde Machtverhältnis zwischen einem Heerkönig und seinem Heer aber – die zwischen Autorität, Willkür, Abhängigkeit und Kompromiß schwankende Stellung Agamemnons, Alexanders und der ersten Diadochen, Chlodwigs und der ersten Merovinger zu ihren Heeren sind in diesem Punkte Abwandlungen gleichartiger Typen – verschiebt sich in der hellenischen Welt zuungunsten der Könige, sobald sich nicht mehr alles ökonomisch um den »Hort« und Tisch des Königs gruppiert, und das hieß: sobald Aktivhandel und kriegerische Seefahrten an die Stelle des Passivhandels mit dem Orient traten. Die persönliche Gefolgschaft des Königs, die im mykenischen Staat nicht gefehlt haben kann, tritt schon bei Homer – wo sie, jedenfalls anscheinend, durchweg aus Volksgenossen besteht – stark zurück und ist von einer »Gelegenheitsgefolgschaft« nach Art der von Tacitus erwähnten Aventiurenzüge der Germanenfürsten nicht zu scheiden. Neben dem König stehen jetzt außer seinen auf eigenen Burgen sitzenden Lehensmannen andere, ebenso wie er mit eigenen Schlössern und Grundbesitzungen neben ihm in derselben »Stadt« ansässige, »Geschlechter«, die auf eigene Kosten mit ihm in den Krieg ziehen, deshalb aber auch mit ihm beraten, die Beute teilen, als mitbeteiligt an der politischen Beherrschung des »Volkes« gelten. Die Bedeutung des alten Ratsadels steigert sich, während er im Orient schwindet und Beamten und Priestern Platz macht. Der »Stadt«begriff ist bei Homer, der verschiedenen Entstehungszeit der Gesänge entsprechend, flüssig, steht zwischen der alten Burg und der späteren synoikisierten »Polis« in der Mitte. Daß ihnen die »Adeligen« im allgemeinen als landsässig gegolten hätten, den Stadtbewohnern entgegengesetzt würden, folgt aus den von E. Meyer dafür angeführten Stellen (die z.T. von »Land« im Sinn von »Heimat«, nicht von »plattem Land« sprechen) m.E. nicht. Der Zustand ist vielmehr der: manche von den Gauhäuptlingen der Bauernzeit und andere reich gewordene Familien sind grund- und klientelbesitzender Adel geworden. Mit einem primus inter pares (dem dazu zusammengeschrumpften mykenischen Fronherrscher) als »König«, aber im übrigen koordiniert nebeneinander, sind sie in der »Stadt« ansässig, welche der ausschließliche Sitz der »Politik« ist. Sie pflegen nur zu Wirtschaftszwecken das Land, ihre Hirten, landbeliehenen Sklaven und Klienten zu besuchen. Wer, wie König Laërtes, dauernd sich auf das Land (als Altenteil) zurückzieht, verzichtet eben damit auf jeden Anspruch auf Herrscherwürde. Alle diese adligen »Geschlechter« haben aus Beuteanteilen und (zweifellos) Beteiligung am Handelsgewinnst Schätze aufgespeichert, sie haben mit Hilfe dieses Besitzes Boden akkumuliert – darüber später – und können eigene Klienten als Troß oder Fußkämpfer aufbieten. Der König ist jetzt nicht mehr als sie. Wenn schon in den vorwiegend am Seehandel beteiligten Küstenorten die königliche Macht im Sinken war, dann erst recht in denjenigen, welche mehr den Charakter von Binnenorten behalten hatten und wo die Entwicklung königlicher »Horte« und Gefolgschaften demgemäß sicherlich von Anfang an geringer war. Die sog. »dorische Wanderung«, ein Vordringen binnenländischer Stämme, trug sicherlich dazu bei, diesen Prozeß zu beschleunigen. Denn was sie im übrigen auch, der Sache nach, gewesen sein möge, jedenfalls schuf sie politische Gemeinschaften – namentlich: Sparta –, in welchen der Kriegerstand außerhalb des »Dienstes« nur noch einen Ehrenvorzug der, im Kriege zur Führung berufenen, Königsgeschlechter duldete, – und zwar nicht nur in der eigenen Polis, sondern nach Kräften auch bei den Nachbarn, wo, im Interesse der Sicherheit der eigenen Verfassung, überall zugunsten des kriegerischen Herrenstandes gegen die Versuche der Etablierung von »Monarchien« orientalischen Charakters interveniert wurde.
Der so entstehende »Staat des griechischen Mittelalters«, wie ihn E. Meyer nennt, hat sozial ein höchst verschiedenartiges Gepräge, auch wenn man Sparta als sui generis beiseite läßt. Gemeinhellenisch ist die Erscheinung jener ritterlichen Gesellschaft, welche den kriegerischen Sport und die nationalen Turniere organisiert, den Boden für den Helden- und später den Minnesang bildet, welche nach mittelalterlicher Art den »Comment« der ritterlichen Fehden zu regeln unternimmt (angebliche Versuche, ein Verbot von Fernwaffen zu vereinbaren: charakteristisch genug für die zugrunde liegende kriegstechnische Entwicklung!) und nach Art des mittelalterlichen: »Messieurs les Anglais, tirez les premiers« Courtoisie in der Schlacht übt. Nach Art der »Guelfen« und »Ghibellinen« (z.B. im »lelantischen Kriege«) spaltet sie sich international in zwei Lager, liegt aber auch innerhalb der einzelnen Gemeinde in steten Geschlechterfehden, – bis auch hier schließlich, wie im Mittelalter, einzelne Geschlechter auf den Gedanken verfallen, sich – als »Aisymneten« oder »Tyrannen« (beides ist nicht scharf zu scheiden) – durch einen Bund mit dem »Volk« zur Signoria aufzuschwingen. Die Möglichkeit eines solchen Bundes mit dem »Volk« setzte nun aber, hier wie in Italien, naturgemäß ein bündnisfähiges »Volk« voraus. In Hellas entstand dies durch eine Entwicklung, welche an folgenden Hauptmomenten orientiert scheint: 1. eiserne Nahwaffen statt der bronzenen Wurfspeere und Pfeile der mykenischen Zeit, – damit 2. steigende Bedeutung der Disziplin (schon Homer bekannt) und des geschlossenen Kampfes, speziell des Fußkampfes in geschlossener Hoplitenphalanx (ein bekannter Ausspruch des Brasidas schrieb die Disziplin den Hellenen im Gegensatz zur Kampfart der Barbaren zu), – infolgedessen 3. bei denjenigen Staaten, welche entweder politisch expansiv sind oder werden (Sparta: Eroberung Messeniens, – Athen: Eroberung von Salamis), Verschiebung der militärisch-politischen Macht auf die Träger dieses Hoplitenheeres, – 4. endlich, damit parallel gehend, Entwicklung des »bürgerlichen Erwerbes«, der die Schicht der ökonomisch panhopliefähigen Existenzen verbreiterte.
Die »Burg« der Frühzeit ist umgeben von den Ansiedelungen der Händler und Gewerbetreibenden. Die homerische Zeit
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