Название: Auf zwei Planeten (Science-Fiction)
Автор: Kurd Laßwitz
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027209934
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8. Kapitel
Die Herren des Weltraums
»Dreifach panzerten Mut und Kraft
Dem das eiserne Herz, der sich zuerst gewagt
Im gebrechlichen Boot hinaus
Auf das tückische Meer...«
So pries einst Horaz die Kühnheit des Seefahrers, der dem fremden Element sein unsicheres Fahrzeug anvertraute... Aber unbedenklich besteigt der Tourist den luxuriösen Bau des Riesendampfers, um in wenigen Tagen die wohlbekannte Ozeanstraße zu durchmessen.
Ähnlich rühmte ein Dichter des Mars den Mut und den Scharfsinn jenes Martiers Ar, der es einst gewagt, auf den Wegen des Lichts und der kosmischen Schwere in die Leere des Raumes seinen unvollkommenen Apparat zu werfen, um zum ersten Male den Flug zu versuchen durch den Weltäther nach dem leuchtenden Nachbarstern, der strahlenden ›Ba‹, dem Schmuck der Marsnächte, der jahrtausendlangen Sehnsucht aller ›Nume‹. Jetzt aber kannte man auf dem Mars genau die Mittel, welche die Marsbewohner, die sich selbst ›Nume‹ nannten, anwenden mußten, die einzelnen Umstände, auf die sie zu achten hatten, um je nach der Stellung der Planeten die strahlende Ba, das ist die Erde, zu erreichen. Wohl war eine Reise zwischen Mars und Erde noch immer ein zeitraubendes und kostspieliges Unternehmen, aber es hatte seinen ebenso sicheren und bequemen Gang wie etwa heutzutage für einen Menschen eine Reise um die Erde.
Die Erforschung der Erde, die Entdeckung des intraplanetaren Weges nach derselben und die endliche Besitzergreifung vom Nordpol bildet ein umfangreiches und wichtiges Kapitel in der Kulturgeschichte der Martier.
Die Durchsichtigkeit der Atmosphäre auf dem Mars hatte seine Bewohner frühzeitig zu vorzüglichen Astronomen gemacht. Mathematik und Naturwissenschaft waren zu einer Höhe der Entwicklung gelangt, die uns Menschen als ein fernes Ideal vorschwebt. Je mehr der alternde Mars durch seinen verhältnismäßig geringen Wasservorrat die Existenzbedingungen der Martier erschwerte, um so großartiger waren die Anstrengungen gewesen, durch welche die Martier die Technik der Naturbeherrschung ausbildeten. Immer neue Kräfte und Hilfsmittel wußten sie ihrem Planeten zu entlocken, der sich freilich durch die Eigentümlichkeit seines Baues in noch viel höherem Maß zur Erziehung eines Kulturvolkes eignete als die Erde.
Der Tag auf dem Mars hat fast dieselbe Dauer wie auf der Erde, er ist nur vierzig Minuten länger. Das Jahr des Mars dagegen umfaßt 670 Mars-, das sind 687 Erdentage, ist also fast doppelt so lang als ein Erdenjahr. Die gesamte Oberfläche des Mars beträgt etwa nur ein Viertel von derjenigen der Erde. Die südliche Halbkugel des Mars ist die wasserreichere und daher am stärksten bevölkert; sie enthält auch die beiden einzigen Meere, welche der Mars besitzt, wenn man darunter diejenigen Becken versteht, welche das ganze Jahr hindurch mit Wasser erfüllt sind. Die nördliche Halbkugel besteht zum größten Teil aus unfruchtbaren Wüsten. Aber die Bevölkerung des Mars, der die von der Natur genügend bewässerte Region ihres Planeten längst zu klein geworden, wußte der kargen Natur neue Gebiete des Anbaus abzugewinnen. Sie durchzog das gesamte Wüstengebiet mit einem vielverzweigten Netz geradliniger breiter Kanäle und verteilte auf diese Weise zur Zeit der Schneeschmelze, im Beginn des Sommers einer jeden Halbkugel, das Wasser, welches sich in Gestalt von Schnee an den Polen angehäuft hatte, über den ganzen Planeten. Wie die Ägypter das Anwachsen des Nils benutzten, um der Wüste den fruchtbaren Boden des Niltals abzugewinnen, so tränkten die Marsbewohner durch ihre Kanäle beide Ufer derselben. Schnell schoß hier eine üppige Vegetation auf, und so wurde durch das Kanalnetz das ganze Wüstengebiet mit fruchtbaren, an hundert Kilometer breiten Vegetationsstreifen durchzogen, die eine ununterbrochene Kette blühender Ansiedlungen der Martier enthielten. Wenn hier die dunkelgrünen Blätter der Pflanzen mit einem Schlag hervorsproßten, dann hoben sich diese Streifen dunkel von dem rötlichen Wüstenboden ab, und die Astronomen der Erde wunderten sich, woher dieses regelmäßige Netz von Streifen auf dem Mars wohl stammen möchte. Die Riesenarbeit der Bewässerung des Planeten war eine Notwendigkeit für die Martier geworden, nachdem die in der Kultur vorgeschritteneren Bewohner der Südhalbkugel allmählich den ganzen Planeten ihrer Herrschaft unterworfen hatten. Die einzelnen Völkerschaften bildeten einen großen Staatenbund. Wie auf der Erde der Weltverkehr sich durch internationale Verträge regelte, ohne daß die Selbständigkeit der einzelnen politischen Verbände darunter litt, so hatte die vorgeschrittenere Zivilisation der Martier in ihrer internationalen Vereinigung ein Zentralorgan, das unbeschadet der Freiheit der Einzelgemeinden alle Angelegenheiten regulierte, welche für die Bewohner des ganzen Planeten ein gemeinsames Interesse besaßen.
Nachdem die Oberfläche des Planeten vollständig erforscht und besiedelt war, richtete sich die Aufmerksamkeit der Martier naturgemäß stärker wie je über die Grenzen ihres Wohnplatzes hinaus auf ihre Nachbarn im Sonnensystem. Und was konnte sie hier mächtiger fesseln als die strahlende Ba, die sagenumwobene Erde, die bald als Morgen-, bald als Abendstern alle andern Sterne ihres dunklen Himmels überstrahlt?
Die Ruhe und Durchsichtigkeit der Atmosphäre gestattete ihnen, bei ihren Fernrohren Vergrößerungen zu benutzen, wie sie auf der Erde unmöglich waren. Denn auf der Erde vereitelt die stets ungleichmäßig bewegte Luft, daß wir Instrumente von so starken Vergrößerungen praktisch anzuwenden vermöchten, als wir sie wohl theoretisch und technisch konstruieren könnten. Der Druck der Atmosphäre auf dem Mars ist aber so gering, wie wir ihn nur auf den allerhöchsten Berggipfeln der Erde besitzen, und die über der Marsoberfläche lastende Luftschicht ist dementsprechend dünner und durchsichtiger. Die Astronomen des Mars konnten daher, bei günstiger Stellung der Planeten gegeneinander, die Erde ihrem Auge so nahe bringen, als wäre sie nur gegen zehntausend Kilometer weit entfernt, und vermochten somit noch Gegenstände von zwei bis drei Kilometer Ausdehnung zu erkennen. Unter diesen Umständen hatten sie natürlich bemerkt, daß sich auf der Erde Einrichtungen finden, die nur als das Werk intelligenter Wesen zu erklären seien. Auch durchschauten sie viel zu klar den Bau und die Natur der Erde sowie die Analogien im gesamten Sonnensystem, als daß sie nicht die Überzeugung von der Bewohnbarkeit der Erde und einer gewissen Kultur der Erdbewohner gehabt hätten. Die Karte der Erde selbst war ihnen in umfassenderer Weise bekannt als uns Menschen; denn von ihrem Standpunkt aus konnten sie nach und nach alle jene Gebiete der Erdkugel, insbesondere die Polargegenden, durchmustern, die bisher unseren irdischen Forschungen verschlossen geblieben sind.
Es hatte nicht an Versuchen der Martier gefehlt, sich mit den von ihnen vermuteten Erdbewohnern in Verbindung zu setzen. Aber die gegebenen Zeichen waren wohl nicht bemerkt oder nicht verstanden worden. Jedenfalls mochten die Erdbewohner nicht in der Lage sein, darauf zu antworten. Die Erde war ein sehr viel jüngerer Planet und in ihrer ganzen Entwicklung auf einer Stufe, wie sie der Mars schon vor Millionen Jahren durchlaufen hatte. Da sagten sich die Marsbewohner selbstverständlich, daß die Bate, wie sie die hypothetischen Bewohner der Erde nannten, jedenfalls auf einem viel niedrigeren Standpunkt der Kultur ständen als sie, die Nume; ja wer weiß, ob sie sich überhaupt schon bis zur Höhe der ›Numenheit‹, zur Vernunftidee der Martier, erhoben haben!
Um jene Zeit, als man auf der Erde von einem Jahrhundert der Naturwissenschaft zu sprechen anfing, blickten die Martier längst nicht nur auf das Zeitalter des Dampfes, sondern auch auf das Zeitalter der Elektrizität wie auf ein altes Kulturerbe zurück. Damals vollendete sich bei ihnen eine wissenschaftliche Entdeckung, die eine Umgestaltung aller Verhältnisse nach sich zu ziehen geeignet war. Die Enthüllung des Geheimnisses der Gravitation СКАЧАТЬ