Название: Geist Gottes - Quelle des Lebens
Автор: Heinrich Christian Rust
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition IGW
isbn: 9783862567607
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Christliche Spiritualität ist nicht nur ruhig oder beruhigend, sie wird auch nicht nur im Schweigen und in der Stille ihre Krönung finden, sondern auch in der bewegenden, lauten Anbetung, in der Freude und der Vitalität des gesamten Lebens. Ein vom Geist Gottes erfüllter Mensch ist nicht nur ein Mensch des Rückzugs, der inneren betenden Versenkung in die Gegenwart Gottes, sondern er kann auch ein aufbrechender, vielleicht sogar zorniger „Feuermensch“ sein (vgl. Joh 2,13ff), der sich nicht mit Ungerechtigkeit, einem „faulen Frieden“ oder Trägheit arrangieren will. Der Geist Gottes ist der Geist des Vaters und hat zugleich die mütterlichen, tröstenden Züge, die stärker in der Begrifflichkeit der Ruach anklingen.
Die eigene Persönlichkeitsprägung, die eigenen Vorlieben, sollten jedoch nicht voreilig als Vorlieben des Heiligen Geistes gesehen werden. Das gilt auch für Stilfragen. Der Geist Gottes „kann“ nicht nur Orgel, sondern auch Schlagzeug! Diese Warnung gilt nicht nur für Einzelne, sondern auch für ganze Konfessionsfamilien. Er ist der Geist der einen Kirche und nicht ein Geist der Katholiken, der Protestanten oder der Orthodoxen. Insofern ist eine vom Geist Gottes gewirkte Prüfung und Zuordnung gottesdienstlicher Kulturen wichtig, damit Geistloses nicht als Geistliches gedeutet wird, oder – wie es Paul Zulehner salopp formuliert – dass einige nicht „ihren eigenen Vogel mit dem Heiligen Geist verwechseln“.102
Der Heilige Geist ist nicht an bestimmte Gebetshaltungen oder Liturgien gebunden, sondern er entfaltet sich da, wo Menschen ihn willkommen heißen. Der Geist Gottes weht aus unterschiedlichen Richtungen (Hes 37,9) und er weht, „wo er will“ (Joh 3,8). Er kann meine Tradition infrage stellen und er kann sie sogleich auch bestätigen. Er kann mir in meiner spirituellen Prägung begegnen und er kann mich ebenso aus meiner spirituellen Kultur und Tradition herauslocken; er setzt Grenzen und er überschreitet Grenzen. Was für mich ungewohnt, befremdend oder unanständig ist, kann vom Geist Gottes als etwas Reines dargestellt werden (vgl. Apg 10,15). Er kann verbinden und trennen, erinnern und offenbaren. Der Geist Gottes ist der Erinnerer, der auf bereits geoffenbarte und bekannte Wahrheit hinweist. Er bewirkt in positiver Sicht eine erhaltende Tradition, die ihre Lebendigkeit wahrt. In seinem Wirken widerspricht er nicht dem, was er in der Vergangenheit gewirkt hat, sondern er knüpft an, er führt weiter (vgl. Joh 16,13–15). Das NT ist ohne das AT nicht wahrnehmbar. Der Geist Gottes ist auch nicht da stärker, wo wir sein Wirken als ein „plötzliches“, spontanes Wehen wahrnehmen. Spontaneität und Kontinuität, Flexibilität und Stabilität, Stille und Sturm, Bewegung und Bewahrung sind im pneumatischen Geschehen keine Gegensätze, sondern sie bilden jeweils Pole einer breiten und differenziert wahrnehmbaren Intensität des Geisteswirkens.
b.Person und Kraft
Ganz „begeistert“ war ich, im wahrsten Sinn des Wortes. Ich hatte meine ersten Bücher über das Wirken des Heiligen Geistes gelesen. Nachdem ich selber so etwas wie eine Taufe mit dem Heiligen Geist erfahren hatte, suchte ich nun händeringend nach mehr biblischer Orientierung und griff an dem kleinen Büchertisch meiner Heimatgemeinde zu dem Buch von Ruben A. Torrey mit dem schönen Titel „Der Heilige Geist. Sein Wesen und Wirken“.103 Kurze Zeit später fragte mich unser Pastor, ob ich eine Bibelstunde in der Gemeinde leiten würde. Das Thema brauchte ich nicht lange suchen; selbstverständlich würde es um den Heiligen Geist gehen, um diese Kraft, die mein ganzes Leben so veränderte. Wir lasen unterschiedliche Texte aus der Apostelgeschichte und mit großem Nachdruck und sehr viel jugendlichem Enthusiasmus forderte ich die etwa 30 Teilnehmer des Bibelgesprächsabends am Ende auf, dass sie doch alle neu um die Kraft des Heiligen Geistes beten sollten. Um die Dringlichkeit meines Aufrufes zu unterstreichen, zitierte ich noch den Gründer der ersten deutschen Baptistengemeinden, J. G. Oncken, mit den Worten „Wo der Heilige Geist fehlt, da fehlt wirklich alles!“. Eine gute Gebetsgemeinschaft schloss sich an und ich hatte den Eindruck, dass Gottes Geist die Herzen neu berührte. Beim Abschied an der Tür sprach mich eine der älteren Teilnehmerinnen dieser Abendveranstaltung freundlich an. „Habe ich das richtig verstanden, dass du uns sagen wolltest, wie wichtig es ist, dass wir den Heiligen Geist haben?“ Freudig bejahte ich diese Frage, denn besser hätte ich es nicht auf den Punkt bringen können. „Ich glaube es gibt da etwas, das scheint mir noch wichtiger zu sein“, erwiderte sie zu meiner Überraschung. „Es ist wichtig, dass wir den Heiligen Geist haben, aber noch wichtiger scheint es mir zu sein, dass der Heilige Geist uns hat!“, erklärte sie. Wer hat hier wen? Wer „besitzt“ wen?
Diese Fragestellung klingt wie eine ständige Begleitmusik im Leben der Christen. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob der Geist Gottes denn nun eine göttliche Person sei, oder anders gesagt, das handelnde Subjekt, oder ob es sich um eine dynamische Kraft, eine Energie handelt, die ich empfangen muss, um Christus nachzufolgen und ein Zeuge für ihn sein zu können. Nun ist bereits in den Ausführungen zur trinitarischen Pneumatologie deutlich geworden, dass der Geist eben nicht nur eine Kraft ist, die der Mensch sich „zueigen“ machen könnte. Wir könnten – übertragen auf die Christologie – fragen: „Was ist wichtiger: dass Jesus mich hat oder ich ihn?“.
Jeder, der Jesus Christus nachfolgt, wird spüren, dass diese Alternative so nicht gegeben ist. Es geht um eine gegenseitige Abhängigkeit, die von Liebe geprägt ist. Jesus Christus ist „in mir“ und ich bin „in ihm“ (Joh 15). Es handelt sich um die eine Erfahrung der für die Trinität üblichen perichoretischen Einheit in der Verschiedenheit. Ebenso haben wir in der pneumatologischen Christologie aufzeigen können, dass Jesus sein Leben und sein Werk nur in der Kraft und Leitung des Heiligen Geistes tun konnte, dass dieser Geist jedoch von ihm gesandt wird und sich in eine Abhängigkeit und Unterordnung zu Jesus begibt (Joh 16,12f). Der Geist hat Jesus und Jesus hat den Geist. Diese duale Redeweise spiegelt jedoch eine nonduale Lebensweise wieder, eine Einheit, die Verschiedenheit und Individualität stärkt, die empfängt, wenn sie loslässt. So finden wir im Zeugnis des NT beide Aussagelinien. „Der Geist ist der Herr“ (2Kor 3,17); der Geist agiert und leitet, er führt, er spricht, er beruft, er erinnert und offenbart (Joh 16,15, Apg 13,2; 16,6; Offb 2,7; 22,17). Er kann belogen und betrübt werden (Apg 5,3; Eph 4,30) und er kann angebetet werden (Joh 4,24). In dieser Redeweise wird der Heilige Geist als personhafte handelnde Größe gesehen.
Sodann lesen wir von der „Kraft“ des Heiligen Geistes, die an und in dem Menschen und in der Natur wirkt, die Menschen „erfüllt“, mit der Menschen „getauft“ werden und die empfangen wird. Wenn in den neutestamentlichen Zeugnissen von dieser Kraft des Geistes gesprochen wird, finden wir vorwiegend den Begriff Dynamis (Mt 6,13; Mk 5,30; Lk 4,14; 5,17; Apg 1,8; 1Kor 2,4; 2Tim 1,7). Es handelt sich um eine Kraft, die nicht aus einem selber hervorgeht, sondern die einem zukommt und zufließt. Die griechischen Begriffe energeia oder ischys kennzeichnen vorwiegend eine Energie oder Stärke, die jemand aus sich heraus entfaltet. Sie bestimmen den Empfänger dieser Stärke vorwiegend als den Träger und Ursprung dieser Kraft.104 Dynamis hingegen betont die Notwendigkeit der lebendigen Beziehung zu der Kraftquelle. Je intensiver und deutlicher eine solche Durchflutung mit den Strömen der Kraft des Geistes geschieht, umso mehr wird sie auch als innewohnende Stärke wahrgenommen (Joh 7,38f).
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